Was der Merkel-Besuch im Pflegeheim verändern könnte

"Da wird sich jetzt mehr tun"

Vor gut einem Jahr hatte der Altenpfleger Ferdi Cebi in einer Fernsehsendung die Einladung an Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgesprochen, sich vor Ort ein Bild der Pflegearbeit zu machen. Nun war sie da. Was ist von dem Besuch geblieben?

Altenpfleger Ferdi Cebi  / © Guido Kirchner (dpa)
Altenpfleger Ferdi Cebi / © Guido Kirchner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, als Sie der Kanzlerin angeboten haben, im Paderborner Pflegeheim St. Johannisstift vorbei zu kommen und sich selber ein Bild vor Ort zu machen, dass sie auch tatsächlich kommt?

Ferdi Cebi (Altenpfleger im Paderborner Pflegeheim St. Johannisstift): Nach dem Gespräch in der Sendung habe ich mich erst einmal hingesetzt und reflektiert, was ich überhaupt gesagt habe. Da war ich noch ein bisschen unsicher. Aber nach der Sendung hat sie mir dann ganz klar deutlich gemacht, dass sie das auf jeden Fall einhalten wird, dass ihr das auch wichtig ist. Deshalb sind wir doch froh, dass das alles so gut gelaufen ist.

DOMRADIO.DE: Am Montag war Angela Merkel dann da. Knapp anderthalb Stunden hat sie sich Zeit genommen. Journalisten waren dabei, Kamerateams und Fotografen. Haben Sie denn trotzdem den Eindruck bekommen, dass die Kanzlerin ein anständiges Bild von Ihrer Arbeit und den Problemen bei Ihrer Arbeit bekommen hat?

Cebi: Auf jeden Fall. Ich habe sie ja beispielsweise beim Essen anreichen mit einbezogen. Ich habe sie gefragt, ob sie das mal ausprobieren will. Sie war sofort offen dafür, was ich richtig gut fand. Auch wie sie das gemacht hat, mit total viel Ruhe und Einfühlungsvermögen. Das ist ja auch ganz wichtig für die Arbeit. Ich bin total begeistert und ich kaufe ihr das auch wirklich ab. Ich habe auch sehr gute Menschenkenntnis durch meinen Beruf und glaube, da wird sich jetzt mehr tun.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie so zurückdenken an den Tag: Was ist der Moment, die Begegnung, die Ihnen am eindrücklichsten im Kopf geblieben ist?

Cebi: Auf jeden Fall das, wo ich sie mit einbeziehen konnte. Da habe ich einfach gesehen, dass ihr das auch sehr wichtig ist. Sie hat mir auch persönliche Sachen nähergelegt, wo die Reporter nicht zuhören sollten. Sie hat gesagt, dass sie früher auch mal einen Pflegefall in der Familie hatte. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Aber sie hat mir schon gezeigt, dass es ihr sehr wichtig ist und dass sie auch erkannt hat, dass in der Pflege etwas passieren muss.

DOMRADIO.DE: Die Kanzlerin hat sich unter anderem mit einer hundertjährigen Frau unterhalten. Sie haben Erfahrungen mit den Leuten. Sie arbeiten seit 14 Jahren in der Pflege. Wie haben denn die Menschen auf diesen Besuch reagiert?

Cebi: Die waren natürlich erst einmal sehr aufgeregt. Viele konnten das nicht so einordnen. Aber die Orientierten haben sich total gefreut. Sie hat sich auch die Zeit genommen und hat jedem einmal die Hand geschüttelt, was ich sehr gut fand. Sie war total höflich und ein ganz normaler Mensch. So habe auch ich versucht, sie zu sehen.

DOMRADIO.DE: Jetzt war das auch ein politischer Besuch. Die Kanzlerin hat hinterher gesagt, Pfleger wie Sie sollen genauso viel verdienen wie jemand, der zum Beispiel in der Bank arbeitet oder Maschinen bedient. Gesundheitsminister Spahn hat das noch konkreter gemacht und sagte, er fordere ein Gehalt von bis zu 3.000 Euro für Pfleger. Halten Sie das denn für realistisch? Denken Sie, das wird kommen?

Cebi: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich daran glaube. Mich macht auch sehr stolz, dass gerade dieses Thema Pflege bei der Gesellschaft, in den Medien oder auch bei der Politik sehr präsent ist. Präsenter als je zuvor. Ich freue mich, dass eingesehen wird, wie wichtig dieses Thema ist. Wir werden ja auch immer älter und wir wollen ja auch immer gut versorgt werden. Der demografische Wandel zeigt auch, dass es immer weiter bergab geht und dass da endlich etwas passieren muss. Es fehlen jetzt schon so viele Kräfte. Ich glaube, dass das gerade alles in die richtige Richtung geht.

DOMRADIO.DE: Was muss sich konkret ändern, wenn es um Ihre Situation als Pfleger in Deutschland geht?

Cebi: Der Beruf muss attraktiver und auch besser dargestellt werden. Das geht los mit flächendeckenden Tarifverträgen, dass die überall in allen Einrichtungen Anwendung finden. Die Sechs-Tage-Woche muss abgeschafft werden. Eine Fünf-Tage-Woche muss her. Der Personalschlüssel muss verbessert werden. Auch am Gehalt muss sich etwas tun.

Es wird ja oft nur das Negative über den Beruf gezeigt. Viele verbinden das einfach nur mit Ausscheidungen, die von uns entfernt werden. Das stimmt ja überhaupt nicht. Es stecken ganz viele Nebenberufe drinnen. Wir sind auch Friseure, Hausmeister, Köche, Ratgeber oder Seelsorger. Das muss man einfach der Gesellschaft einmal klar machen. Ich wünsche mir, dass sich auch wieder mehr Jüngere für diesen Beruf interessieren.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Bundeskanzlerin besucht Altenheim in Paderborn / © Ina Fassbender (dpa)
Bundeskanzlerin besucht Altenheim in Paderborn / © Ina Fassbender ( dpa )

Ferdi Cebi, Pfleger (l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel und Martin Wolf, Vorstand vom St. Johannisstift / © Ina Fassbender (dpa)
Ferdi Cebi, Pfleger (l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel und Martin Wolf, Vorstand vom St. Johannisstift / © Ina Fassbender ( dpa )
Quelle:
DR