DOMRADIO.DE: Der Wahlkampf in Pakistan war geprägt von Attentaten auf Politiker. Manche der Attentate hat der Islamische Staat für sich reklamiert. Was sagt das über die Atmosphäre im Land aus?
Berthold Pelster (Katholisches Hilfswerk 'Kirche in Not'): Pakistan ist immer noch auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Letztes Jahr hat Pakistan ja 70 Jahre Staatsgründung gefeiert. Über viele Jahre in diesen 70 Jahren hat das Militär regiert. Manchmal gab es auch demokratische Regierungen, aber die werden von vielen Menschen als unfähig, vor allen Dingen auch als korrupt, empfunden. Und deswegen ist die Gesellschaft in Pakistan sehr gespalten und sehr aufgewühlt.
Es gibt dort sehr extreme Stimmungen und Strömungen. Vor allen Dingen auch von islamischer Seite bis hin zu extremistischen Terrorgruppen, Stichwort Taliban. Und diese Terrorgruppen wollen natürlich verhindern, dass Pakistan in Richtung Demokratie geht - gerade in Richtung Demokratie im westlichen Sinne. Die wollen einen rein islamischen Staat und deswegen haben Talibangruppen und andere Gruppen während dieses Wahlkampfes über Wochen hinweg viele Anschläge verübt, um die Menschen einzuschüchtern. Politiker sind ermordet worden, es gab Anschläge auf Wahlkampfveranstaltungen und insgesamt sollen bei diesen Anschlägen in den letzten Monaten mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen sein.
DOMRADIO.DE: Als einer der Favoriten gilt Imran Khan, ehemaliger Cricket-Spieler. Er galt lange als Lebemann. Jetzt hat er angekündigt, im Falle eines Wahlsieges wolle er einen islamischen Wohlfahrtsstaat aufbauen. Was würde das für die Christen Pakistans bedeuten?
Pelster: Zunächst mal zu seiner Partei 'Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit': Diese Partei will im Grunde genommen zurück zu den Anfängen von Pakistan. Der Gründer von Pakistan, Muhammad Ali Jinnah, hatte eher die Vorstellung zwar einen islamischen Staat aufzubauen, aber einen harmonischen Staat, der auch den religiösen Minderheiten im Land Rechte gewährt.
Das sieht man zum Beispiel an der Flagge Pakistans. Das ist eine grüne Flagge mit einem weißen Halbmond und einem weißen Stern, aber da gibt es einen weißen Balken an der linken Seite, und dieser Balken steht für die Minderheiten. Und zu diesen Ideen des Staatsgründers will die Partei von Imran Khan zurück. Auch er hat das Gefühl und spricht viel darüber, dass die bisherigen politischen Parteien unfähig gewesen sind, dass sie korrupt gewesen sind.
Er möchte einfach eine neue Partei der Gerechtigkeit aufbauen. Deswegen auch das Stichwort Wohlfahrtsstaat, wo man sich um das Wohlergehen der armen Menschen kümmert, wo es Gerechtigkeit gibt, wo es soziale Harmonie gibt. Und das würde vielleicht auch mehr religiöse Harmonie bedeuten. Das könnte für die Christen sehr positiv sein.
DOMRADIO.DE: Das klingt ja tatsächlich ganz gut. Wäre das ein Wahlausgang, der für die Christen Pakistans zu wünschen wäre?
Pelster: Ja und nein. Im ersten Moment klingt das sehr gut, aber man muss wissen, dass Imran Khan eben auch - um vielleicht Wählerstimmen zu gewinnen - immer auch die islamischen Werte sehr stark betont hat. Und ein Problem ist, dass er sich auch für das umstrittene Blasphemiegesetz ausgesprochen hat und das wohl verteidigt hat. Das will er wohl nicht antasten. Das wäre dann kein so guter Zug.
DOMRADIO.DE: Dazu muss man jetzt wissen: Die Christen in Pakistan sind wirklich eine verschwindend kleine Minderheit und das Blasphemiegesetz macht ihnen schon lange das Leben schwer. Worum geht es da?
Pelster: Da geht es um Gotteslästerung. Das steht in Pakistan unter Strafe. Wer den Koran irgendwie missachtet oder unpfleglich behandelt, der kann zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Wer sich kritisch über den Gründer des Islams, den Propheten Mohammed, äußert, der kann sogar zum Tod verurteilt werden. Und das ist immer wieder passiert in der Vergangenheit.
Das Problem ist, dass Anschuldigungen in diesem Bereich sehr schnell erhoben sind und Menschen sehr schnell wegen Blasphemie verhaftet werden. Aber es ist fast unmöglich wieder aus dem Gefängnis herauszukommen. Darunter leiden Christen und auch andere Minderheiten wie zum Beispiel Anhänger der Ahmadiyya-Gemeinschaft. Das hat mit dem gesellschaftlichen Klima zu tun. Anwälte trauen sich kaum, angeklagte Personen zu verteidigen. Richter trauen sich nicht, angeklagte Personen freizusprechen, wenn sie keinen Grund für eine Verhaftung oder Verurteilung erkennen können.
DOMRADIO.DE: Ist dieses Blasphemiegesetz die größte Hürde für Christen im Land? Schätzen Sie das so ein?
Pelster: Es ist eines der vielen Probleme. Ganz allgemein muss man sagen, dass Christen in Pakistan vor allem im Alltagsleben oft diskriminiert werden. Sie gehören sowieso zu der eher ärmeren Bevölkerungsschicht. Sie haben nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Im Zweifel wird ein Muslim vorgezogen, wenn es um eine Arbeitsstelle geht.
DOMRADIO.DE: Sie von Kirche in Not versuchen die Christen vor Ort zu unterstützen. Wie tun Sie das konkret?
Pelster: Wir helfen der Kirche vor Ort - der katholischen Kirche insbesondere - einfach das alltägliche kirchliche Leben zu gestalten. Wir geben Messstipendien für Priester. Wir unterstützen Ordensgemeinschaften - darunter auch solche, die sich sozial engagieren. Wir stellen religiöse Literatur bereit, zum Beispiel Kinderbibeln. Und vieles mehr.
Das Interview führte Hilde Regeniter.