Bonner Stadtdechant ärgert Absage von St.-Martins-Umzug

Was hat sich die Stadt dabei gedacht?

Es ist ein Hin und Her um den zentralen Martinszug in Bonn. Zuerst galten verschärfte Corona-Regeln seitens der Stadt, unter denen das Stadtdekanat keine Durchführung sah. Dann kam eine städtische Kehrtwende. Doch der Stadtdechant ist sauer.

Eine Laterne leuchtet vor dem Martinsfeuer nach einem Martinszug / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Laterne leuchtet vor dem Martinsfeuer nach einem Martinszug / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es hatten sich in Bonn viele auf diesen zentralen Sankt-Martins-Zug gefreut und die Stadtverwaltung hat Martinszüge generell nicht untersagt. Woran scheitert es denn jetzt?

Dr. Wolfgang Picken (Bonner Stadtdechant): Wir haben in der Stadt Bonn bis vor kurzem Auflagen für die Martinszüge gehabt, die strenger waren, als die Vorgaben des Landes. Die Kinder müssen mit Masken durch die Straßen ziehen und im Übrigen auch alle Leute, die an den Straßenrändern stehen. Wir müssen die 3G-Regeln (Geimpft, genesen oder getestet, Anm. d. Red.) sowohl für die Kinder, für die Begleiter, als auch für alle Besucher am Straßenrand sicherstellen.

Das war natürlich ein Organisationsaufwand, den wir gar nicht leisten konnten. Deshalb hatten wir gehofft, dass die Schulen und die Kindergärten, die sich beteiligen, das mit übernehmen. Aber auch die zum großen Teil städtische Einrichtungen haben sofort abgesagt und mitgeteilt, dass sie diese Verantwortung nicht übernehmen wollen und können. Und so waren wir jetzt kurz vor den Herbstferien gezwungen zu entscheiden.

Uns blieb uns nichts anderes übrig, als den großen Martinszug abzusagen. Kaum dass das geschah, wenige Stunden später, aber schon mit Beginn der Herbstferien, wurde dann dieser Beschluss von der Verwaltung zurückgenommen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das Problem ist jetzt, dass man nicht schnell genug reagieren konnte?

Picken: Genau. Wir haben jetzt zwei Wochen Herbstferien. Das heißt, alle Institutionen erreichen wir nicht mehr. Wir haben vorher von allen eine Absage erhalten. Das heißt, wir können jetzt nicht über die Köpfe der Schulen und Kindergärten hinweg einfach ein Martinszug organisieren, zumal viele Schulen schon seit ein paar Wochen alternative, kleinere Veranstaltungen für sich geplant haben.

Sie können sich vorstellen, dass das ein riesiger logistischer Aufwand ist. Man muss die Ordner, die Kapellen organisieren, diejenigen, die die Absperrungen durchführen. Und es ist auch finanziell ein großer Aufwand. Wir mussten vor den Herbstferien die Entscheidung treffen und können jetzt nicht zurückarbeiten.

Die Basilika hier ist die Martinsbasilika. Von daher ist das für uns ein ganz großes Thema. Wir arbeiten jetzt an einer Alternative und denken, wenn ein Umzug in der Stadt nicht möglich ist, machen wir es im Rahmen eines Gottesdienstes in der dann neu eröffneten Basilika möglich.

Wahrscheinlich wird es ein Martinsspiel und Martinssingen in der Basilika geben. Und dann ziehen wir mit den Kindern und den Laternen durch den historischen Kreuzgang und entlassen die Kinder dann auf den Martinsplatz. Das ist jetzt die Idee, die wir versuchen zu entwickeln, damit Kinder und Jugendliche nicht völlig ohne ausgehen.

DOMRADIO.DE: Aber sicherlich sind viele Leute auch enttäuscht, oder?

Picken: Ja, das ist auch wahnsinnig enttäuschend. Sie müssen bedenken, letztes Jahr ist es nicht anders gegangen. Corona schränkt das sehr ein. Wir reden alle davon, dass Kinder und Familien besonders betroffen sind von dieser Zeit, unter der wir alle leiden.

Es ist natürlich beeindruckend, wenn so viele Kinder durch die Straße ziehen. Man sammelt sich auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, dann kommt der Martin mit dem Pferd auf den Platz geritten und die Kinder singen miteinander. Das ist für jedes Kind ein unvergessliches Erlebnis. Und darum sind die Kinder jetzt natürlich geprellt.

Für uns ist es ärgerlich, dass die Stadt so kurzfristig die Maßnahmen zurückgenommen hat, von denen klar war, dass sie die Umzüge behindern oder nicht stattfinden lassen können. Das zeigt, so ganz ernst haben sie sich die Dinge vorher nicht überlegt und die Züge im wahrsten Sinne des Wortes vor die Wand fahren lassen. Nicht nur unseren großen Zug, sondern auch andere.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie eben schon gesagt, dass Sie hart an der Alternative arbeiten. Was empfehlen Sie aber generell stattdessen am Abend des Sankt Martin?

Picken: Wir sind sehr sicher, dass am 8. November anstelle des großen Zuges eine Andacht in der Basilika stattfinden wird und laden da jetzt schon zu ein.Ansonsten gibt es Schulgelände und Kindergartengelände, wo Kinder und Eltern mit Laternen auf diesen Geländen kleine Umzüge machen können. Im normalen Schulbetrieben gelten dann keine 3G-Auflagen, sodass man das wie den normalen Schulbetrieb auch durchführen kann, damit die Kinder dieses Erlebnis haben.

Vor allen Dingen gilt aber das große Anliegen des Heiligen Martin, was in so einer Zeit ganz besonders dringlich ist. Wir müssen gut aufeinander achten und soziales Empfinden entwickeln, aufmerksam für den Nächsten sein. Ich glaube, das ist eine wichtige Botschaft, die nicht untergehen darf und die für die Kinder, für die Formung ihrer Persönlichkeit ganz bedeutsam und wichtig ist. Dafür sollte jede Schule auch mit Bildungsinhalten Sorge tragen.

Das Interview führte Michelle Olion.


Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR