Was ist von einem katholischen Bundeskanzler zu erwarten?

Union und Kirchen zwischen Entfremdung und Annäherung

Friedrich Merz wird wohl neuer Bundeskanzler. Auf welche Themen wird der Katholik setzen und wie wird sich sein Verhältnis zu den Kirchen entwickeln? Karin Wollschläger von der Katholischen Nachrichten-Agentur sieht einige Konflikte.

Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, spricht im Konrad-Adenauer-Haus während eines Interviews. Am Sonntag fand die vorgezogene Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt.  / © Sebastian Christoph Gollnow (dpa)
Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, spricht im Konrad-Adenauer-Haus während eines Interviews. Am Sonntag fand die vorgezogene Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt. / © Sebastian Christoph Gollnow ( (Link ist extern)dpa )

DOMRADIO.DE: Erst spät gab es das vorläufige amtliche Endergebniss: Das BSW und die FDP schaffen nicht den Sprung über die 5 Prozent-Hürde, die Union ist die stärkste Kraft. Was ist von diesem Ergebnis zu erwarten? 

Karin Wollschläger von Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)

Karin Wollschläger (Leiterin Hauptstadtbüro der Katholischen Nachrichten-Agentur Berlin): Wir haben einen sehr kurzen, aber sehr harten, emotional aufgeladenen und polarisierenden Wahlkampf erlebt. Es gab ein scharfes Gegeneinander. Jetzt liegen die Wahlergebnisse auf dem Tisch und jetzt muss der Schalter bei den Parteien umgelegt werden. Jetzt muss eine Koalition, jetzt müssen Kompromisse zwischen CDU und SPD gefunden werden. Deutschland steckt in der Krise und es gibt innen- wie außenpolitisch viele Herausforderungen. Und da ist jetzt Verantwortung gefragt. Aber dessen sind sich die Spitzenpolitiker, die jetzt eine Regierung ausloten müssen, auch sehr bewusst. Das ist mein Eindruck. Entsprechende Signale gab es ja bereits gestern auch am Wahlabend schon. Der künftige CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz muss jetzt eben mit Zugewandtheit auf die SPD zugehen. Bis Ostern soll die Regierung stehen, sagt er – das ist schon ziemlich ambitioniert! 

DOMRADIO.DE: Wie sind denn die ersten kirchlichen Reaktionen auf das Wahlergebnis ausgefallen? 

Karin Wollschläger

"Die Kirchen hoffen auf eine schnelle und verantwortungsvolle Regierungsbildung."

Wollschläger: Da zeichnete sich gestern Abend schnell ein relativ einhelliges Bild ab. Die Kirchen hoffen auf eine schnelle und verantwortungsvolle Regierungsbildung. Das heißt, zuhören, einander verstehen, konstruktiv um gerechte Lösung ringen und zu Kompromissen bereit sein. So brachte das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, gestern Abend auf den Punkt. 

DOMRADIO.DE: Was wird denn eine künftige neue Regierung wohl als erstes angehen? 

Karin Wollschläger

"Der künftige Kanzler Merz ist zwar Katholik, aber wir haben gerade auch in den vergangenen Wochen noch mal sehr deutlich gesehen, dass es schon seit längerem eine Entfremdung zwischen der Union und den Kirchen gibt."

Wollschläger: Friedrich Merz hat im Wahlkampf ja immer gesagt: “Mit mir gibt es einen Richtungswechsel!” Das wird er vornehmlich auf zwei Feldern angehen: Ankurbeln der Wirtschaft zum einen, und zum anderen eine Verschärfung der Migrations- und Asylpolitik. Bei letzterem werden die Kirchen sicher ein Stachel im Fleisch der C-Partei bleiben. Da haben sie ja zuletzt noch mal sehr klare Kante gezeigt und deutlich gemacht, Migrationspolitik darf nicht humanitär fragwürdig gestaltet sein. 

Der künftige Kanzler Merz ist zwar Katholik, aber wir haben gerade auch in den vergangenen Wochen noch einmal sehr deutlich gesehen, dass es schon seit längerem eine Entfremdung zwischen der Union und den Kirchen gibt, insbesondere im Bereich Migration. 

DOMRADIO.DE: Was sind andere Themen, die aus kirchlicher Perspektive relevant sind und werden? 

Friedrich Merz (Mitte l), CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, erhält zu Beginn der Sitzung des CDU-Vorstands einen Blumenstrauß. Neben Merz stehen klatschend Jens Spahn (l-r), Mitglied des CDU-Präsidiums, Joe Chialo (CDU), Kultursenator von Berlin, Julia Klöckner, Bundesschatzmeisterin der CDU, Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin der CDU, Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, Silvia Breher, Karin Prien, und Andreas Jung. Die Gremien der Bundesparteien kommen nach der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag zu Beratungen zusammen. / © Michael Kappeler (dpa)
Friedrich Merz (Mitte l), CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, erhält zu Beginn der Sitzung des CDU-Vorstands einen Blumenstrauß. Neben Merz stehen klatschend Jens Spahn (l-r), Mitglied des CDU-Präsidiums, Joe Chialo (CDU), Kultursenator von Berlin, Julia Klöckner, Bundesschatzmeisterin der CDU, Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin der CDU, Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, Silvia Breher, Karin Prien, und Andreas Jung. Die Gremien der Bundesparteien kommen nach der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag zu Beratungen zusammen. / © Michael Kappeler ( (Link ist extern)dpa )

Wollschläger: Da fallen mir erst einmal Themen ein, die unter einer CDU-geführten Bundesregierung und auch bei den neuen Machtverhältnissen jetzt im Parlament vom Tisch sind. Das ist zum einen die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen und zum anderen wohl auch eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung. Ich vermute, dass das Gesetz für eine verbesserte Suizidprävention zügig kommen könnte. Da liegt schon viel auf dem Tisch. 

Und auch bei der Organspende könnte sich was bei der Gesetzgebung bewegen. Da gibt es auch bei der CDU Sympathisanten für die angedachte Widerspruchslösung. Das ist allerdings eine Variante bei der Neuregelung der Organspende, die die Kirchen ablehnen. 

DOMRADIO.DE: Die AfD ist seit gestern die zweitstärkste Kraft im Parlament. Bisher unterhält die katholische Kirche ja keinen offiziellen Kontakt zu AfD-Bundestagsfraktion und Parteispitze. Wird es bei der Linie bleiben? 

Wollschläger: Ich denke auf jeden Fall. Denn die Grundhaltung der völkisch-nationalen AfD ist nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar. Das hat die Kirche immer wieder betont und daran hat sich auch nichts geändert. Es gibt aus der Sicht der katholischen Kirche keinen gemeinsamen Nenner mit dieser Partei und keine offiziellen Kontakte zur AfD. Das heißt ja nicht, dass die Kirche die AfD ignoriert. Sie verhält sich zu den Positionen dieser in Teilen rechtsextremen Partei und bezieht da klar Stellung. Das wird sie auch weiter so handhaben. 

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Vorläufiges Ergebnis der Bundestagswahl 2025

Die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat die Bundestagswahl gewonnen - mit großem Abstand vor der zweitplatzierten AfD und der SPD, die auf ein historisches Tief stürzt. Das geht aus dem vorläufigen Ergebnis der Bundeswahlleiterin in der Wahlnacht hervor. BSW und FDP scheitern demnach an der Fünf-Prozent-Hürde und verpassen den Einzug ins Parlament. 

Stimmzettel der Briefwahl für die Bundestagswahl werden ausgezählt. / © Bernd Weißbrod (dpa)
Stimmzettel der Briefwahl für die Bundestagswahl werden ausgezählt. / © Bernd Weißbrod ( (Link ist extern)dpa )

 

Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!