DOMRADIO.DE: Erst spät gab es das vorläufige amtliche Endergebniss: Das BSW und die FDP schaffen nicht den Sprung über die 5 Prozent-Hürde, die Union ist die stärkste Kraft. Was ist von diesem Ergebnis zu erwarten?

Karin Wollschläger (Leiterin Hauptstadtbüro der Katholischen Nachrichten-Agentur Berlin): Wir haben einen sehr kurzen, aber sehr harten, emotional aufgeladenen und polarisierenden Wahlkampf erlebt. Es gab ein scharfes Gegeneinander. Jetzt liegen die Wahlergebnisse auf dem Tisch und jetzt muss der Schalter bei den Parteien umgelegt werden. Jetzt muss eine Koalition, jetzt müssen Kompromisse zwischen CDU und SPD gefunden werden. Deutschland steckt in der Krise und es gibt innen- wie außenpolitisch viele Herausforderungen. Und da ist jetzt Verantwortung gefragt. Aber dessen sind sich die Spitzenpolitiker, die jetzt eine Regierung ausloten müssen, auch sehr bewusst. Das ist mein Eindruck. Entsprechende Signale gab es ja bereits gestern auch am Wahlabend schon. Der künftige CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz muss jetzt eben mit Zugewandtheit auf die SPD zugehen. Bis Ostern soll die Regierung stehen, sagt er – das ist schon ziemlich ambitioniert!
DOMRADIO.DE: Wie sind denn die ersten kirchlichen Reaktionen auf das Wahlergebnis ausgefallen?
Wollschläger: Da zeichnete sich gestern Abend schnell ein relativ einhelliges Bild ab. Die Kirchen hoffen auf eine schnelle und verantwortungsvolle Regierungsbildung. Das heißt, zuhören, einander verstehen, konstruktiv um gerechte Lösung ringen und zu Kompromissen bereit sein. So brachte das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, gestern Abend auf den Punkt.
DOMRADIO.DE: Was wird denn eine künftige neue Regierung wohl als erstes angehen?
Wollschläger: Friedrich Merz hat im Wahlkampf ja immer gesagt: “Mit mir gibt es einen Richtungswechsel!” Das wird er vornehmlich auf zwei Feldern angehen: Ankurbeln der Wirtschaft zum einen, und zum anderen eine Verschärfung der Migrations- und Asylpolitik. Bei letzterem werden die Kirchen sicher ein Stachel im Fleisch der C-Partei bleiben. Da haben sie ja zuletzt noch mal sehr klare Kante gezeigt und deutlich gemacht, Migrationspolitik darf nicht humanitär fragwürdig gestaltet sein.
Der künftige Kanzler Merz ist zwar Katholik, aber wir haben gerade auch in den vergangenen Wochen noch einmal sehr deutlich gesehen, dass es schon seit längerem eine Entfremdung zwischen der Union und den Kirchen gibt, insbesondere im Bereich Migration.
DOMRADIO.DE: Was sind andere Themen, die aus kirchlicher Perspektive relevant sind und werden?

Wollschläger: Da fallen mir erst einmal Themen ein, die unter einer CDU-geführten Bundesregierung und auch bei den neuen Machtverhältnissen jetzt im Parlament vom Tisch sind. Das ist zum einen die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen und zum anderen wohl auch eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung. Ich vermute, dass das Gesetz für eine verbesserte Suizidprävention zügig kommen könnte. Da liegt schon viel auf dem Tisch.
Und auch bei der Organspende könnte sich was bei der Gesetzgebung bewegen. Da gibt es auch bei der CDU Sympathisanten für die angedachte Widerspruchslösung. Das ist allerdings eine Variante bei der Neuregelung der Organspende, die die Kirchen ablehnen.
DOMRADIO.DE: Die AfD ist seit gestern die zweitstärkste Kraft im Parlament. Bisher unterhält die katholische Kirche ja keinen offiziellen Kontakt zu AfD-Bundestagsfraktion und Parteispitze. Wird es bei der Linie bleiben?
Wollschläger: Ich denke auf jeden Fall. Denn die Grundhaltung der völkisch-nationalen AfD ist nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar. Das hat die Kirche immer wieder betont und daran hat sich auch nichts geändert. Es gibt aus der Sicht der katholischen Kirche keinen gemeinsamen Nenner mit dieser Partei und keine offiziellen Kontakte zur AfD. Das heißt ja nicht, dass die Kirche die AfD ignoriert. Sie verhält sich zu den Positionen dieser in Teilen rechtsextremen Partei und bezieht da klar Stellung. Das wird sie auch weiter so handhaben.
Das Interview führte Dagmar Peters.