"Nächstenliebe, Toleranz und das Streben nach Gerechtigkeit sind tief in unserem christlichen Glauben verwurzelt. Sie sind die Basis für ein respektvolles und friedliches Zusammenleben unserer Gesellschaft," äußerte Kardinal Woelki gegenüber DOMRADIO.DE direkt nach den ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl.

"Angesichts der Herausforderungen, vor dem unser Land, Europa und im letzten die ganze Welt stehen, hoffe ich, dass es zügig zur Bildung einer neuen Bundesregierung kommt, die dann maßvoll und klug die politischen Probleme unserer Zeit angeht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert und allen Tendenzen von Spaltung und Polarisierung wirksam entgegentritt," erklärte der Kölner Erzbischof weiter.
Dem am Montagmorgen von der Bundeswahlleiterin veröffentlichten vorläufigen Ergebnis zufolge kommt die Union auf 28,6 Prozent der Stimmen, gefolgt von der AfD mit 20,8 Prozent, dahinter die SPD (16,4 Prozent), Grüne (11,6 Prozent) und Linke (8,8 Prozent). Ob das BSW es knapp ins künftige Parlament schafft, ist offen (derzeit 4,97 Prozent). Die FDP scheitert mit 4,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.
Wahl zeigt gefährliche Polarisierung
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger ist über den Ausgang der Bundestagswahl beunruhigt. "Das Ergebnis zeigt, wie polarisiert unsere Gesellschaft mittlerweile ist. Diese Entwicklung sehe ich mit großer Sorge, denn in einer Gesellschaft müssen die verschiedenen Akteure im Gespräch bleiben können, um Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden", sagte Burger am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Das Abdriften in Extreme gefährdet die Kompromissfähigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt."

Der Bischof zeigt sich gleichzeitig erleichtert, dass "im Südwesten die demokratischen Parteien noch vergleichsweise hohe Zustimmung bekommen haben". Damit dies so bleibe, sei nun eine schnelle Regierungsbildung entscheidend, forderte Burger. Die drängenden politischen Herausforderungen müssten dabei auf einer "ethisch gebotenen, guten Grundlage" angepackt werden.
Bischofskonferenz-Vorsitzender hofft auf zügige Regierungsbildung
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hofft auf eine rasche Regierungsbildung. "Ich hoffe, dass wir jetzt zügig eine stabile Regierung bekommen, die die Probleme anpackt", sagte der Limburger Bischof am Sonntagabend der Katholischen-Nachrichten Agentur (KNA).

Das Wahlergebnis zeige, dass die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler eine Stärkung der demokratischen Mitte wolle, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende weiter. Nun müssten die demokratischen Kräfte zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten. "Das heißt zuhören, einander verstehen und konstruktiv um gerechte Lösungen ringen und zu Kompromissen bereit sein", erklärte Bätzing. "Deutschland muss dabei in einem demokratischen Europa eingebunden sein, als rechtsstaatliches, freiheitliches, weltoffenes und solidarisches Land."
Extremistische Kräfte und solche, die trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine mit Wladimir Putins Russland sympathisierten, dürften nicht den Ton angeben, betonte der Limburger Bischof. "Gerade angesichts der internationalen Situation wünsche ich mir sehr, dass Europa durch diese Wahl und die neue Regierung gestärkt wird."
Hamburger Erzbischof setzt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt
Auch Hamburgs Erzbischof Heße sieht das Bundestagswahlergebnis als Auftrag, Gräben zu überwinden und Zukunftsthemen mutig anzugehen. "Hoffentlich bleiben wir gesellschaftlich beieinander und überwinden die Gräben, die sich in den letzten Wochen gezeigt haben", erklärte Heße am Sonntagabend.

Er wünsche sich eine Regierung, die die Zukunftsthemen des Landes wie Wirtschaft, Umwelt und Leben in Würde mutig angehe. "Aus meiner christlichen Perspektive müssen soziale Gerechtigkeit und die Integration der Menschen, die zu uns kommen, einen festen Platz auf der politischen Agenda haben."
Ausdrücklich würdigten alle Bischöfe die stark gestiegene Wahlbeteiligung als gutes Zeichen. Ersten Angaben zufolge lag die Wahlbeteiligung bei über 80 Prozent.

Die Zunahme der Stimmenanteile für die AfD nannte der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz ein ernstzunehmendes Warnsignal für die Demokratie. Das Ergebnis dürfe keinesfalls als bloß statistische Entwicklung abgetan werden. "Vielmehr erfordert es ein entschlossenes Handeln von Politik, Zivilgesellschaft und jedem Einzelnen, um den schleichenden Einfluss extremistischer Positionen wirksam zu begrenzen und die demokratischen Werte zu verteidigen", so Benz.
Würzburger Bischof über hohe Wahlbeteiligung erfreut
Der Würzburger Bischof Franz Jung freut sich über die hohe Beteiligung an der Bundestagswahl. "Das zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger ein wesentliches Instrument der Beteiligung und Willensbekundung in einer Demokratie genutzt haben", erklärte Jung am Montag. Dafür sei er außerordentlich dankbar.

Mit gemischten Gefühlen blicke er aber auf das Wahlergebnis, das einen deutlichen Rechtsruck zeige, bekannte der Bischof. "Die Menschen erhoffen sich verständlicherweise rasche Lösungen für die großen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme unseres Landes." Nun werde es darauf ankommen, eine stabile Regierung zu bilden, die sich als handlungsfähig erweise.
"Als Kirche erhoffen wir uns eine Politik, die die Menschenwürde, die Nächstenliebe und den Zusammenhalt in unserem Land stärkt", sagte Jung. Dies gelte gerade vor dem Hintergrund einer sich dramatisch verändernden Weltlage und eines Europas, das um den Zusammenhalt ringe.
ZdK: "Brauchen Kanzler, der eint"

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gratulierte CDU-Chef Friedrich Merz zum Wahlsieg. "In Zeiten einer besorgniserregenden Fragmentierung der Gesellschaft brauchen wir in Deutschland jetzt einen Kanzler, der eint. Der europäisch denkt. Und der einem vielfältigen Land mit großen Herausforderungen Hoffnung gibt", sagte die Präsidentin des Laien-Dachverbands, Irme Stetter-Karp, auf Anfrage.
Zugleich betonte sie: "Wer Zukunft will, darf in dieser Situation nicht zurück in die Vergangenheit. Nicht bei der Klimapolitik. Nicht bei der Wirtschafts- und auch nicht bei der Sozialpolitik."
Evangelische Kirche mahnt weltoffenes Deutschland an

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, sagte: "Jetzt nach der Wahl stehen die Parteien der demokratischen Mitte vor der anspruchsvollen Aufgabe, mit diesem Wahlergebnis konstruktiv und verantwortungsvoll umzugehen." Sie hoffe, dass eine neue Regierung die politischen Rahmenbedingungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein weltoffenes Deutschland stärke, "ein Deutschland, in dem Menschenwürde und wechselseitiger Respekt zählen".
Die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, mahnt zum vereinten Einsatz für Demokratie und Nächstenliebe. "Ich ermutige alle, sich weiterhin für ein Miteinander einzusetzen, das von Respekt, Solidarität und Achtung der Menschenwürde geprägt ist", sagte sie am Sonntagabend in Schwerin.

"Mit großer Sorge sehe ich allerdings, dass in Teilen unseres Kirchengebietes auch Kandidatinnen und Kandidaten direkt in den Bundestag gewählt wurden, deren Äußerungen und Positionen unsere Gesellschaft spalten und Menschen ausgrenzen."
"Als Christinnen und Christen sind wir gerufen, nicht wegzusehen, sondern das Evangelium der Liebe und Gerechtigkeit in Wort und Tat zu bezeugen. Unterschätze nur niemand die Kraft, die von Nächstenliebe und Barmherzigkeit ausgeht", so Kühnbaum-Schmidt. Die Bischöfin, der evangelischen Nordkirche, die sich über die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg erstreckt, bezeichnete die hohe Wahlbeteiligung als ermutigendes Zeichen für eine lebendige Demokratie.
Gespräch mit AfD-Wählern suchen
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland will in einen stärkeren Diskurs mit Anhängern der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei treten. Seine Kirche werde neu überlegen, wie sie die Menschen erreiche, kündigte der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer am Montag in Magdeburg an. Dazu gehöre es, sich in der Kampagne "#VerständigungsOrte" zu engagieren und das Gespräch mit allen zu suchen.

Die Kampagne geht auf die Initiative von Kirche und Diakonie zurück und setzt sich angesichts von Krisen, Polarisierung und Populismus für mehr Verständigung ein. Sie ermutigt alle Gemeinden und Einrichtungen von Kirche und Diakonie dazu, Räume für Gespräche zu öffnen und Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zum Austausch einzuladen.
Die Menschen spüren laut Kramer, dass es um die Demokratie geht. Erfreulich sei daher die sehr hohe Wahlbeteiligung auch in den ostdeutschen Bundesländern. Gleichzeitig werde deutlich, dass Regierungen immer komplizierter zu bilden sind und die Gesellschaft Kompromisse schätzen müsse. Das sei in polarisierten Zeiten nicht leicht zu bewerkstelligen. Kramer sagte, die Zustimmung für die AfD in Mitteldeutschland sei weiterhin sehr hoch.
Jüdische Vertreter erschrocken über AfD-Ergebnis

Jüdische Vertreter zeigen sich angesichts der Ergebnisse der AfD bei der Bundestagswahl besorgt und erschrocken. Die Resultate müssten die Menschen wachrütteln, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Sonntagabend. "Es muss uns alle umtreiben, dass ein Fünftel der deutschen Wähler einer mindestens in Teilen rechtsextremistischen Partei ihre Stimme gibt, die sprachlich und ideologisch offen Verbindungen zum Rechtsradikalismus und Neo-Nazismus sucht, mit den Ängsten der Menschen spielt und ihnen nur scheinbare Lösungen anbietet." Laut jüngsten Hochrechnungen liegt die AfD bei 20,4 Prozent.
"Deutschland ist ab heute ein anderes Land", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Seit dem 7. Oktober 2023, dem Überfall der palästinensischen Terrorgruppe Hamas auf Israel, sei der Judenhass regelrecht explodiert. Knobloch erinnerte an den Messerangriff am Berliner Holocaust-Mahnmal am Freitag und einen vereitelten mutmaßlichen Anschlag auf die israelische Botschaft. "Angst gehört wieder zum Alltag jüdischer Menschen. Das muss endlich aufhören." Die nächste Bundesregierung stehe vor enormen Aufgaben.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 24.02.2025 um 13:03 Uhr aktualisiert.