Was kann uns die Emmausgeschichte heute noch sagen?

Unterwegs mit Jesus

An Ostermontag erinnern die Christen an die Emmaus-Geschichte, bei der der auferstandene Jesus zwei Jüngern begegnet, die ihn zunächst nicht erkennen. Warum ist die Botschaft des Textes bis heute aktuell? Das Bonifatiuswerk erklärt.

Mosaik: Jesus mit zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus  / © Renata Sedmakova  (shutterstock)
Mosaik: Jesus mit zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus / © Renata Sedmakova ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Bis heute gibt es den Brauch, an Ostermontag zu einem geistlichen Gang mit Gebet und Gesang oder zu einem besinnlichen Osterspaziergang aufzubrechen. Das geht zurück auf die biblische Emmaus-Geschichte: Dem Lukasevangelium zufolge soll Jesus nach seiner Auferstehung zwei Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus getroffen haben. Die drei gehen zusammen, die Jünger erkennen ihn aber erst später, als er mit ihnen zusammen sitzt und das Brot bricht. Welche Bedeutung hat das "Nicht-Erkennen"? 

Julian Heese / © Thomas Wertz (privat)
Julian Heese / © Thomas Wertz ( privat )

Julian Heese (Leiter Bereich “Missionarische und diakonische Pastoral” beim Bonifatiuswerk): Dafür muss man sich anschauen, wie die Geschichte weitergeht, als Jesus nach Jerusalem zurückkehrt und dort den Aposteln den Sinn der Schrift erschließt, im Sinne von: Musste das alles geschehen und musste der Messias all das erleiden, wie es in der Schrift steht? Es geht um das Verstehen, was zum Erkennen führt. Ich glaube, die Auferstehung ist so etwas Unfassbares, das unseren Verstand übersteigt, dass man das eben nicht sofort verstehen kann. Die Menschen, die in den Tagen Jesu in Jerusalem dabei waren, haben das auch nicht sofort verstanden und für mich ist das durchaus ein Trost, dass wir da mit dem Nicht-Erkennen in guter Gesellschaft sind. 

DOMRADIO.DE: Warum gibt sich Jesus beim Gang nach Emmaus den beiden Jüngern nicht schon direkt zu Beginn zu erkennen uns sagt: "Hallo, ich bin’s, Jesus! Ich bin auferstanden!" Warum geht er erst – vermutlich Stunden – mit ihnen, ohne dass die beiden wissen, er er ist?

Heese: Ich glaube, da braucht es wieder die Sinnzusammenhänge des Glaubens, die wir verstehen müssen, um dieses Unfassbare der Auferstehung wirklich zu begreifen. Ich denke, Jesus gibt sich bewusst nicht sofort zu erkennen, sondern er eklärt den Jüngern noch einmal den Sinn der Schrift, ausgehend vom Alten Testament und den Verheißungen, um ein Fundament für das Erkennen, für die Erkenntnis der Auferstehung zu legen. 

DOMRADIO.DE: Die beiden Jünger kommen aus Jerusalem - nach der Begegnung mit Jesus kehren sie in die Stadt zurück. Impliziert das irgendwie auch eine Art "Richtungswechsel"?

Heese: Absolut. Die Jünger verlassen Jerusalem, den Ort des Tempels, wo Gott eigentlich wohnt. Sie sind frustriert und hoffnungslos. Und dann kommt eben dieser Richtungswechsel: Nachdem sie Jesus beim Brechen des Brotes erkannt haben, machen sie sich auf den Weg zurück nach Jerusalem, noch in der selben Stunde – so steht es im Evangelium. Es ist also etwas ganz Bedeutendes für die Jünger im Erkennen Jesu beim Brechen des Brotes passiert.

DOMRADIO.DE: Was für eine Bedeutung hat diese Geschichte für Sie persönlich? 

Heese: Die Emmausgeschichte ist eine meiner absoluten Lieblingsperikopen, weil sie alle Facetten menschlichen Lebens beinhaltet: Trauer, Freude, Angst, Schmerz, Sorgen, aber auch Aufbruch. Und an den Karfreitagen meines eigenen Lebens darf ich darauf vertrauen, dass Jesus bei mir ist, auch wenn ich ihn vielleicht nicht sofort erkenne. Er ist bei mir in den Menschen, die mir zur Seite stehen, die mir nahe sind. Manchmal braucht es Zeit, bis man das erkennt, aber ich glaube, dass Jesus in diesen Menschen präsent ist. 

DOMRADIO.DE: Ist das die zentrale Botschaft der Emmausgeschichte: Jesus ist da, auch wenn wir ihn nicht erkennen? 

Heese: Ja. An einer anderen Stelle sagt Jesus: “Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.” Die Botschaft des heutigen Ostermontags ist, dass wir auch in den dunklen Momenten unseres Lebens, wo wir rufen wollen: “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” glauben dürfen, dass Jesus uns wie ein Wanderer auf dem Weg nach Emmaus begleitet.

DOMRADIO.DE: Die Kommunionaktion des Bonifatiuswerks steht in diesem Jahr unter dem Motto: "Du gehst mit" und nimmt Bezug auf die Emmausgeschichte. Warum haben Sie diesen Fokus gewählt?

Heese: Die Emmaus-Erzählung ist natürlich ein Klassiker in der Erstkommunion-Vorbereitung, denn dieser Bibeltext hat ganz viele Facetten und Motive: Das gemeinsame Unterwegssein, das Erschließen der Schrift. Was hat es mit der Bibel auf sich? Das Erkennen bzw. Nichterkennen, aber auch die Trauer, das gemeinsame Mahl natürlich, worauf die Erstkommunionsvorbereitung hinausläuft. Freude, Aufbruch: Also ganz viele zentrale Motive unseres Glaubens, auf die man zurückgreifen kann. 

DOMRADIO.DE: "Dem Auferstandenen im Heute begegnen" - Das ist vermutlich für Kinder und Jugendliche schwer zu verstehen, wie vermitteln Sie das?

Heese: Wir wollen Erfahrungsräume des Glaubens ermöglichen und mit den Erstkommunionkindern auf Spurensuche in ihrem noch jungen Leben gehen: Wo spüre ich Gott in meinem eigenen Leben? Wie darf ich zu ihm sprechen? Und wo erfahre ich, dass Gott mitgeht auf den Wegen meines Lebens? Darum auch das Leitwort “Ja, du gehst mit”. Wir wollen die Multiplikatoren in den Gemeinden dazu ermutigen, mit den Erstkommunionkindern auf diese Spurensuche zu gehen, die dann in Feier der Erstkommunion mündet, wie die Emmaus-Erzählung in das gemeinsame Mahl mit Jesus mündet. 

Das Interview führte Ina Rottscheidt.

Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken

Das Bonifatiuswerk wurde 1849 in Regensburg bei der dritten Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands – einem Vorläufer der heutigen Katholikentage – als „Bonifacius-Verein für die kirchliche Mission in Deutschland“ gegründet. Namensgeber ist der als Apostel der Deutschen geltende heilige Bonifatius (672/675-754).

Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken (KNA)
Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken ( KNA )
Quelle:
DR