Was Kardinal Marx in der Debatte zum Synodalen Weg ärgert

"Wollen die Kirche nicht neu erfinden"

​Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat erneut vor überhöhten Erwartungen an die Reformdebatte in Deutschland gewarnt und sich gegen Vorbehalte zur Wehr gesetzt. Der Vorwurf einer Loslösung vom Papst, ärgere ihn persönlich.

Kardinal Reinhard Marx / © Dieter Mayr (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Dieter Mayr ( KNA )

"Wir wollen die Kirche nicht neu erfinden", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem am Mittwoch in München veröffentlichten Interview für die deutschen Bistumszeitungen. Dass die Deutschen angeblich eine Loslösung vom Papst betrieben, sei ein Vorwurf, der ihn persönlich ärgere. Der Papst sei das Fundament der Einheit, an dem nicht gerüttelt werden dürfe. Am Ende entscheide der Papst oder ein Konzil über Streitfragen.

Vom 30. Januar bis 1. Februar findet die erste Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt am Main statt. An der auf zwei Jahre angelegten Reformdebatte von Bischöfen und Laien nehmen 230 Mitglieder teil, dazu der Apostolische Nuntius und 25 Beobachter. Dabei soll es vor allem um die Themen Macht, Sexualmoral, Lebensform der Priester und die Rolle von Frauen in der Kirche gehen. Der Missbrauchsskandal hatte die Kirche in eine Vertrauenskrise gestürzt, in der Rufe nach Reformen lauter wurden.

Hoffnung auf Einmütigkeit und Motivation

Marx sagte, er erhoffe sich, dass am Ende des Weges "eine größere Einmütigkeit und Motivation steht, eine größere Klarheit, wie wir weitergehen wollen". Der Kardinal rief dazu auf, miteinander zu reden, aufeinander zu hören und aufmerksam zu sein. "Da müssen sich auch Meinungen ändern können." Der Heilige Geist komme aber nicht mit einem Lautsprecher und rufe die Lösung ins Ohr. Wo indes kein gemeinsamer Weg gefunden werde, "können wir stehen lassen, dass eine Einmütigkeit noch nicht möglich ist". Die Kirchengeschichte sei voll von Ereignissen, bei denen es keine direkte Lösung gegeben habe, sondern erst in 20, 30 oder 100 Jahren.

Zugleich gelte es in Deutschland, das Notwendige und Mögliche zu erkennen und dann zu tun. Die derzeitige Situation könne nicht mehr schöngeredet werden. Der Kardinal plädierte dafür, Macht zu teilen und zu kontrollieren. "Wir müssen sagen können, wir sind in den Entscheidungen transparent, wir haben klare Verantwortlichkeiten, es gibt eine Kontrolle der Macht, etwa durch Verwaltungsgerichtsbarkeit und Nachprüfbarkeit von Entscheidungen."

Frauenfrage in Kirche nicht nur deutsches Thema

Die Frauenfrage in der Kirche wird nach Ansicht des Kardinals Reinhard Marx auch außerhalb Deutschlands und Europas diskutiert. Die Bewegung hin zu stärkerer Verantwortung der Frauen gehe in allen Kulturen weiter, erklärte er weiter. Das sei nur eine Frage der Zeit. In seinen Gesprächen überall in der Welt spüre er das, auch bei den Bischofsversammlungen in Rom.

Bei der Frage nach einer Priesterweihe der Frauen, die derzeit von der Kirche abgelehnt wird, dürfe nicht so getan werden, als seien schon alle Argumente ausgetauscht. "Wir haben eine sehr starke Stellungnahme von Johannes Paul II. Ich kann nicht erkennen, wie man ein so starkes lehramtliches Zeichen überwinden kann", räumte der Münchner Erzbischof ein. Die Diskussion darüber halte er aber für nicht beendet. Dabei gehe es nicht nur um ein Ja und Nein, sondern um eine vertiefte Wahrnehmung des Textes von Johannes Paul II. wie auch der Äußerungen von Theologen dazu.

Der kirchliche Reformdialog in Deutschland könne diese Debatte nicht entscheiden, stellte der Kardinal klar. Der Synodale Weg könne aber eventuell ein Votum abgeben, etwa im Sinne von: "Wir haben den Eindruck, hier muss weiter reflektiert werden." Das wäre aus seiner Sicht schon ein großer Schritt. Schließlich sagten manche, dass darüber nicht einmal mehr nachgedacht werden dürfe. Ein Diskussionsverbot sei jedoch in "unserer Kultur" nicht durchführbar. Letztlich gehe es in dieser und in anderen Fragen darum, ob eine lehramtliche Weiterentwicklung möglich sei.

Propagandamethoden für Evangelisierung nicht geeignet

Kardinal Marx hat sich für neue Wege der Evangelisierung ausgesprochen. "Aber wir brauchen keine kurzfristigen Propagandamethoden", sagte der Erzbischof. Auch dürfe nicht nur auf Zahlen geschaut werden. Nachhaltige Evangelisierung habe zum Ziel, dass ein Mensch glücklich werde und sein Heil finde. Methoden, um zu überlegen, "wie wir an die anderen herankommen", lehne er ab.

Die Gottesdienste am Sonntag, aber auch zu Taufen und Firmungen, zu Beerdigungen seien wichtig, betonte der Kardinal. Sie seien der erste Ort der Verkündigung auch für die, die keinen engeren Kontakt zum Glauben hätten. "Es ärgert mich, wenn diese Orte vernachlässigt werden, wenn sie nicht sorgfältig vorbereitet sind, es musikalisch nicht stimmt, die Ministranten nicht geübt haben und die Lektoren den Text nicht lesen können." Jene Orte, an denen viele Menschen zusammenkämen, müssten von der "Qualität her top" sein. Da aber sei noch viel Luft nach oben, so der Münchner Erzbischof.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA