Der am Mittwoch in Berlin vorgestellte Koalitionsvertrag von CDU und SPD enthält nur wenige Aussagen zu den Kirchen. In der Präambel heißt es: "Der Respekt vor der Religionsfreiheit und unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, die in Deutschland heimisch sind, gehört für uns dazu." Im weiteren Verlauf wird Kirchen und Religionsgemeinschaften bescheinigt, dass sie einen "unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwohl" leisteten.
Die Koalition will den interreligiösen Dialog fördern und die Religions- und Weltanschauungsfreiheit schützen, weil diese ein "Gradmesser für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Geltung der Menschenrechte" sei. Das Amt eines Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit soll es weiter geben. Denn der Schutz religiöser und weltanschaulicher Minderheiten sowie insbesondere der Schutz der weltweit größten verfolgten Gruppe, der Christen, sei von besonderer Bedeutung.
Staatsleistungen nicht mehr erwähnt
Anders als noch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung werden die historischen Staatsleistungen an die Kirchen und eine Prüfung ihrer möglichen Ablösung nicht mehr erwähnt. Auch das eigenständige kirchliche Arbeitsrecht bleibt unerwähnt, so dass dort offenbar ebenfalls keine Änderungen angestrebt werden.
Union und SPD einigen sich auf härtere Gangart bei Migration
Im Feld der Migrationspolitik streben Union und SPD in vielen Bereichen eine Verschärfung an. So sollen Asylsuchende "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" an den Grenzen zurückgewiesen werden, wie aus dem am Mittwoch vorgelegten Entwurf für einen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hervorgeht.
Auch wollen die möglichen künftigen Koalitionspartner "alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren". Bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz in Europa sollen die Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen fortgesetzt werden.

Außerdem wollen Union und SPD freiwillige Aufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden und keine neuen Programme auflegen. Nach Afghanistan und Syrien wollen die Parteien abschieben, zunächst Straftäter und Gefährder. Die Zahl der Abschiebungen soll zudem weiter gesteigert werden. Auch soll die freiwillige Rückkehr gefördert werden. Wer wegen einer schweren Straftat verurteilt wird, soll in der Regel ausgewiesen werden. Bestehende Einschränkungen der Leistungen für Ausreisepflichtige sollen konsequent umgesetzt werden.
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll befristet für zwei Jahre ausgesetzt werden - Härtefälle ausgenommen.
Asylverfahren wollen Union und SPD deutlich beschleunigen. Verstärkt wollen die möglichen künftigen Koalitionspartner Migrationsabkommen mit anderen Staaten abschließen, um legale Zuwanderung zu steuern und die Rücknahmebereitschaft sicherzustellen.
Keine "Turboeinbürgerung" mehr
In Sachen Integration wollen Union und SPD die "Turboeinbürgerung" schon nach drei Jahren wieder abschaffen. Sie war erst im Sommer 2024 eingeführt worden. Darüber hinaus wollen die Parteien aber an der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts festhalten. Damit würden doppelte Staatsbürgerschaften und eine Einbürgerung nach fünf Jahren generell möglich bleiben.
Im Entwurf des Koalitionsvertrags heißt es: "Integration muss weiterhin gefördert, aber intensiver als bisher eingefordert werden." Integrationskurse sollen fortgesetzt werden und auch Kitas beim Thema mehr einbezogen werden, um Integration von Anfang an zu fördern. Für gut integrierte geduldete Ausländer soll es mit einer Stichtagsregelung unter bestimmten Voraussetzungen einen neuen befristeten Aufenthaltstitel geben.
Ukrainische Flüchtlinge, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind oder einreisen, sollen geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind. Bislang bekommen sie Bürgergeld oder Sozialhilfe.
Selbstbestimmungsgesetz soll überprüft werden
Union und SPD wollen das im November in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz evaluieren. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag soll das bis zum 31. Juli 2026 passieren. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die Regelungen für Kinder und Jugendliche. Auch die Fristsetzung für einen Wechsel des Geschlechtseintrags soll überprüft werden.

Das Selbstbestimmungsgesetz regelt unter anderem, dass für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens nur noch eine einfache Erklärung beim Standesamt nötig ist - statt wie bisher zwei psychiatrische Gutachten sowie ein Gerichtsbeschluss. Junge Menschen, die noch nicht volljährig sind, aber das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall soll die Zustimmung durch das Familiengericht ersetzt werden können. Maßstab dabei soll - wie im Familienrecht allgemein - das Kindeswohl sein.
Gesetzliche Vertreter
Bei jungen Menschen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen. Die Reform löste das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ab. Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gab es mehr als 3.000 Anmeldungen in den Standesämtern.
Entwicklungsministerium bleibt eigenständig
Ein eigenständiges Entwicklungsministerium wird es in Deutschland offenbar auch weiterhin geben. Darauf verständigten sich Union und SPD in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag. Darin streben sie eine engere Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsministerium, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium an und bestätigen damit indirekt den Fortbestand des Ministeriums.
Gleichzeitig sollen entwicklungspolitische Schnittstellen zwischen den Ressorts reduziert und auch Mittel, die nicht im Bereich der öffentlichen Entwicklungsleistungen liegen, beim Entwicklungsministerium gebündelt werden. Dazu zählen Leistungen nicht-staatlicher Akteure wie Hilfsorganisationen, private Stiftungen oder Universitäten.
Mittel für Entwicklungshilfe werden gesenkt
Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sollen laut Koalitionsvertrag in der kommenden Legislatur vor allem auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Sicherung von Rohstoffen, der Zusammenarbeit im Energiesektor sowie insbesondere auf der Bekämpfung von Fluchtursachen liegen. "Wir werden weitere Unterstützung für Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern und den Hauptaufnahmeländern leisten, auch um sie von der gefährlichen Flucht nach Europa abzuhalten und ihnen in ihrer Heimat Chancen und Perspektiven zu geben. Die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei den Bemühungen, die irreguläre Migration nach Europa zu begrenzen und eigene Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zurückzunehmen, ist ein zentraler Faktor für den Umfang der bilateralen Regierungszusammenarbeit", heißt es dazu.

Gleichzeitig wird klargestellt, dass aufgrund der Notwendigkeit den Bundeshaushalt auszugleichen, eine "eine angemessene Absenkung" der öffentlichen Entwicklungsleistungen erfolgen solle.
Zuletzt hatte es immer wieder Debatten über den Fortbestand eines eigenständigen Entwicklungsministeriums gegeben. Aus Kreisen von CDU und CSU hatte es mehrfach Vorstöße gegeben, das Ministerium als solches aufzuheben und die Entwicklungszusammenarbeit dem Außenministerium zu unterstellen. Gleichzeitig sollten auch Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit gesenkt werden.
Abtreibungsregelung bleibt im Strafrecht
Union und SPD wollen die derzeit bestehenden Regelungen zur Abtreibung offenbar nicht ändern. Im Koalitionsvertrag heißt es aber, dass die Kostenübernahme von Krankenkassen bei Schwangerschaftsabbrüchen ausgeweitet werden soll.
Bislang zahlen die Krankenkassen nur in Ausnahmefällen für einen Abbruch. Auch soll für Frauen in Konfliktsituationen die medizinische Versorgung gestärkt und eine verbesserte wohnortnahe Versorgung ermöglicht werden. Auch die Weiterbildung von Ärzten, die einen Abbruch vornehmen wollen, soll laut Vertrag gestärkt werden.

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung.
Die SPD hatte sich zusammen mit den Grünen bereits in der vergangenen Wahlperiode für eine Regelung von Abtreibungen außerhalb des Strafrechts eingesetzt.
Kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln
In dem Koalitionsvertrag heißt es weiter, dass die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln für Frauen um weitere zwei Jahre bis zum 24. Lebensjahr geprüft werden soll. Ungewollt kinderlose Paare sollen weiterhin unterstützt werden. Dazu soll die Bundesinitiative "Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit" ausgebaut werden.
Künftige Bundesregierung will Lieferkettengesetz abschaffen
Das deutsche Lieferkettengesetz könnte bald der Vergangenheit angehören. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich Union und SPD darauf, das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abschaffen zu wollen. Auch die jährliche Pflicht für einen Sorgfaltsbericht für alle Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, soll damit entfallen.

An die Stelle soll nach dem Willen von CDU/CSU und SPD ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung treten. Dieses solle die Europäische Lieferkettenrichtlinie "bürokratiearm und vollzugsfreundlich" umsetzen.
Das deutsche Lieferkettengesetz gilt seit Anfang 2023. Ausgearbeitet wurde es noch im letzten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Es verpflichtet Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern zur Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten. Es soll dafür sorgen, dass Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Zulieferern übernehmen. Dazu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne und der Schutz der Umwelt.
Abschaffung schon länger geplant
Insbesondere die Union hatte seitdem aber wiederholt versucht, das Gesetz zu kippen, zuletzt mit einem gemeinsamen Antrag mit der FDP im vergangenen Dezember. Beanstandet wurde dabei unter anderem ein zu großer bürokratischer Aufwand für die Unternehmen. Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Vorstoß und mahnten zur strikten Sorge um die Menschenrechte.
Digitales Portal für Familienleistungen geplant
Familien sollen sich nach dem Willen von Union und SPD künftig einfach im Netz über staatliche Leistungen informieren können. Im am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag heißt es dazu, es solle ein übergreifendes digitales Portal für alle Familienleistungen eingerichtet werden. Familien sollen unbürokratisch erfahren, welche Leistungen ihnen konkret zustehen und wie sie diese bekommen. Dabei sollen laut Vertrag auch Möglichkeiten der KI genutzt werden.

Die Ampel-Regierung hatte sich die Einführung einer Kindergrundsicherung auf ihre Fahnen geschrieben. Konkret sollten Familienleistungen gebündelt und erhöht werden. Auch sollte ein digitales Portal eingerichtet werden. Das Vorhaben scheiterte aber an absehbar hohen Kosten.
Familienvätern oder -müttern droht laut Koalitionsvertrag eine Strafe, wenn sie den Unterhalt für gemeinsame Kinder an den Partner nicht zahlen. So können diese mit einem Führerscheinentzug rechnen. Auch die Pfändungsfreigrenzen für Unterhaltsschuldner sollen überprüft werden.
Verpflichtendes Dienstjahr kommt nicht
Union und SPD wollen kein verpflichtendes Dienstjahr einführen. Stattdessen sei ein zunächst freiwilliger Wehrdienst geplant, kündigte Unionschef Friedrich Merz (CDU) an. Noch in diesem Jahr sollen die Voraussetzungen für die Musterungen geschaffen werden. In dem Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert."
Vorbild dafür sei Schweden, wo jährlich 18-Jährige angeschrieben und ein Teil von ihnen gemustert wird. So soll die Bereitschaft erhöht werden, dass Männer und Frauen sich für den einjährigen Wehrdienst entscheiden. Der bisherige und möglicherweise auch zukünftige Verteidigungsminister, Boris Pistorius (SPD), hatte sich bereits in der Vergangenheit für dieses Modell ausgesprochen.
Zugleich möchte eine schwarz-rote Koalition die Freiwilligendienste und das Freiwillige Soziale Jahr stärken. Dazu heißt es in dem Papier: "Wir wollen es Jugendlichen ermöglichen, sich unabhängig vom Geldbeutel der Eltern für einen Freiwilligendienst zu entscheiden." Dafür sollen mehr Stellen geschaffen und mehr Finanzmittel für ein höheres Taschengeld zur Verfügung gestellt werden.
16 statt 15 - Union und SPD wollen Ministerien neu zuschneiden
CDU, CSU und SPD planen einige Änderungen beim Zuschnitt der Bundesministerien. Deren Zahl erhöht sich dabei von 15 auf 16, wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht.
Unter anderem soll das bisherige Bildungs- und Forschungsministerium zu einem Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt - geführt von der CSU - umgebaut werden. Der Bereich Bildung und Schule soll demnach zum Familienministerium wandern. Dieses wird damit zum CDU-geführten Ministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Aus dem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird das Ministerium für Wirtschaft und Energie - ebenfalls von der CDU geführt. Dafür wird der Bereich Klimaschutz dem Umweltministerium zugeschlagen, das somit für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit zuständig sein und von der SPD geleitet wird. Der dort bisher angesiedelte Verbraucherschutz wandert stattdessen zum Justizministerium - ebenfalls unter SPD-Führung.
Entgegen vielen Gerüchten und Debatten im Vorfeld wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wie bisher erhalten bleiben und weiter von der SPD geführt. Das bisherige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird um den Bereich Heimat erweitert und von der CSU geführt.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird aufgeteilt auf zwei Ministerien - eines für Verkehr und eines für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, beide unter CDU-Leitung.
Sechsmal CDU, siebenmal SPD, dreimal CSU
Unverändert vom Titel her bleiben das Auswärtige Amt (CDU) sowie das Innen- (CSU) und das Verteidigungsministerium (SPD). Dasselbe gilt für die Ministerien für Gesundheit (CDU), Finanzen (SPD), Arbeit und Soziales (SPD), Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (SPD).
Insgesamt wird die CDU sechs Ministerien führen, dazu kommt der Chef des Bundeskanzleramtes im Range eines Bundesministers. An die SPD gehen sieben Ministerien, an die CSU drei.
Parteien müssen noch zustimmen
Die Parteien müssen das Verhandlungsergebnis noch bestätigen. Bei der SPD sollen die Mitglieder über die mögliche Koalition entscheiden, bei der CDU ist ein sogenannter Kleiner Parteitag geplant und bei der CSU reicht ein Beschluss des Parteivorstands.