DOMRADIO.DE: Herr Kardinal, haben Sie eigentlich noch Zeit so kurz vor Weihnachten?
Woelki: Gegenwärtig ist es alles sehr gefüllt. Es steht eine Reihe von Besuchen an. An Alte und Kranke ist in diesen Stunden besonders zu denken und natürlich auch an die Vorbereitung der Gottesdienste, die ich in unserem Dom feiere. Da müssen die Predigten und die Liturgie vorbereitet werden. Und natürlich muss auch das eigene Herz auf Weihnachten vorbereitet werden.
DOMRADIO.DE: Gibt es irgendwann auch einmal Momente, in denen Sie trotz der ganzen offiziellen Aufgaben mal ein bisschen zur Ruhe kommen können? Können Sie auch mal im Kreis Ihrer Lieben andocken?
Woelki: Ich versuche schon, mir solche Ruhe-Zeiten ganz bewusst in den Tag einzuplanen, indem ich mich in meine Kapelle zurückziehe oder anderweitig Zeit der Betrachtung für das Gebet finde. Das ist der eine Aspekt.
Und aus familiärer Sicht kommen meine Mutter, meine Geschwister und meine Neffen am ersten Feiertag nach den Gottesdiensten zu Besuch. Dann sitzen wir wie jedes Jahr bei Kaffee und Kuchen sowie beim Abendessen zusammen und erzählen dann über all das, was in den vergangenen Wochen und Monaten die Einzelnen bewegt hat.
DOMRADIO.DE: Kriegt denn ein Kardinal eigentlich viele Geschenke?
Woelki: Ja, ich bekomme Geschenke. Der Ausdruck "viel" ist ja immer relativ. Es sind aber in der Tat sehr viele Menschen, die in diesen Tagen auch an einen Bischof denken, der eigentlich ohne Familie ist. Sie bringen dadurch auch zum Ausdruck, dass sie an einen denken, dass sie für einen beten und dass sie auch auf diese Weise den Dienst des Bischofs mittragen und unterstützen.
Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Über vieles, was dort geschrieben und gesagt wird, bin ich sehr froh und glücklich, weil es mich selber stärkt und ermutigt.
DOMRADIO.DE: Geht dieser Zuspruch manchmal auch durch den Magen? Gibt es auch Geschenke, die selbst gebacken sind?
Woelki: (lacht) Die gibt es in der Tat auch. Da gibt es jede Menge Plätzchen und auch schon mal den einen oder anderen Kuchen. Ich stifte den auch schon mal für meine Geschwister und für meine Familie.
Und je nachdem, wie viel es dann ist, trage ich auch immer dafür Sorge, dass die einen oder anderen Menschen, die auf der Straße leben, dann ein Stück Kuchen oder Plätzchen abbekommen.
DOMRADIO.DE: Gibt es irgendwas, was ganz oben auf Ihrem Wunschzettel steht?
Woelki: Ganz oben auf dem Wunschzettel steht für mich natürlich unser "Pastoraler Zukunftsweg" im Erzbistum Köln. Der ist für mich im Wesentlichen ein Prozess einer Neu-Evangelisierung. Es ist eigentlich mein größter Wunsch zu Weihnachten, dass dieser Weg und dieser Prozess gelingen möge. Das heißt, dass wir das versuchen umzusetzen, was der Papst uns in seinem Schreiben in diesem Jahr an Peter und Paul mit auf den Weg gegeben hat, nämlich den Primat der Evangelisierung umzusetzen.
Es muss darum gehen, dass wir Christus tiefer kennenlernen und dass wir ihn so in unser Leben hineinholen, dass er die bestimmende Wirklichkeit unseres Lebens und Alltags und auch unseres gemeindlichen Lebens wird.
Es muss darum gehen, dass wir so von ihm berührt und angesprochen sind, dass wir die Erfahrung, die wir mit ihm machen, weitergeben wollen, weitersagen wollen, weil wir davon überzeugt sind, dass Christus, der Sohn Gottes, der Weihnachten auf die Welt kommt, tatsächlich Retter und Erlöser ist.
Und es muss weiter darum gehen, dass wir diese Botschaft auch zu den Menschen tragen müssen und bringen wollen, die von ihm noch nichts gehört haben oder die sich von ihm - aus welchen Gründen auch immer - verabschiedet haben. An den Gründen sind wir als Kirche auch mit Schuld gewesen. Wir müssen versuchen, auch diesen Menschen wieder eine neue Erfahrung mit Christus, seinem Evangelium und der Kirche zu ermöglichen. Das, glaube ich, ist das Gebot und die Herausforderung unserer Zeit.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.