Um deutliche Worte ist der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff noch nie verlegen gewesen, weder im Anprangern von sozialer Ungerechtigkeit noch in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit Rom in all den Jahren als Professor.
So artikuliert der fast 85-jährige auch am Sonntag glasklar sein Missfallen an der kirchlichen Kleidung von Kardinal Burke. Auf dem Kurznachrichten-Kanal "X" teilt er ein Foto, auf dem der streitbare Kardinal das üppige Gewand trägt und fragt: "Was hat dieser Kardinal mit all seinem Pomp mit Jesus zu tun, der in einer Krippe geboren wurde und am Kreuz starb?"
Lange Geschichte der "Cappa magna"
Ein Datum, wann Kardinal Burke die "Cappa Magna" auf dem Foto getragen hat, gibt der brasilianische Theologe nicht an, doch Raymond Leo Burke, der regelmäßig den Zeitgeist und diverse Modernisierungsbemühungen in der Katholischen Kirche mit scharfen Worten geißelt, ist schon mehrfach mit dem ausladenden Kleidungsstück gesehen worden.
So sorgte er schon 2019 mit dem wallenden Umhang samt Begleitung für Aufsehen. Vatikan-Experte Ulrich Nersinger erklärte damals gegenüber DOMRADIO.DE: "Es ist kein Alltagsgewand und kein Gewand, das man zu jedem Pontifikalamt trägt. Sondern es ist ein Gewand, dessen man sich zu ganz besonderen hohen Festen - im Grunde zu Ausnahme-Festen - bedienen soll."
Demnach ist der Gebrauch heutzutage stark reglementiert und wird kaum noch getragen. Die "Cappa magna" geht auf die "Capa choralis", also die Chorkleidung für die Kleriker beim Stundengebet in winterlichen Zeiten zurück und stammt in etwa aus dem Spätmittelalter. "Capa" oder "Cappa" lässt sich am ehesten mit Umgang übersetzen. Die Schleppe dieses Umhangs für Kardinäle war in Hoch-Zeiten mit zwölf Metern sehr "magna", wurde dann aber auf sechs Meter eingekürzt.
Seit 1984 ist der Hermelin-Kragen verboten – Kardinal Burke trägt ihn trotzdem, da er den Umhang zur Feier der sogenannten "Alten" Messe trägt, die noch aus der Zeit von vor dem Verbot stammt.
Mindestens einer muss beim Tragen helfen
Die lange Schleppe wird dann von mindestens einem Helfer gehalten, auf diversen Fotos sind meist mehrere Personen um Burke herum zu sehen, die den Kardinal beim Tragen der "Cappa magna" unterstützen.
Schon 2019 fand Ulrich Nersinger den ganzen Aufzug unangemessen: "Um ihn herum sind Chargen, die ihn bedienen, die es eigentlich auch nicht mehr gibt. Man kleidet einen 13-Jährigen dann in das Gewand eines römischen Patriziers, der den Kardinalshut voranträgt. Das empfinde ich nicht mehr als natürliches Tragen eines alten, ehrwürdigen Gewandes."
Besondere Seide für ein besonderes Kleidungsstück
Doch aus was besteht die "Cappa magna" genau und wird sie heute noch hergestellt? Thomas Schmitt von Schmitt-Paramente in Köln ist ein absoluter Experte im Bereich von jeglicher Art Kleidung im kirchlichen und liturgischen Kontext – er kennt die "Cappa magna" und erklärt, dass sie aus Moiré-Seide besteht, die eine besondere optische Struktur hat und äußerst selten ist.
Beispielsweise das Scheitelkäppchen der Kardinäle ist aus der Seide, das Zingulum, das als breites Band über der Soutane getragen wird, ebenfalls. Wenn neue Kardinäle vom Papst ernannt werden, kann die Seide für die neue Kleidung, die dann genäht werden muss, schon knapp werden, erzählt Thomas Schmitt.
Nur einmal sei er vor vielen Jahren angefragt worden, ob er eine "Cappa magna" herstellen könne. Ein Kardinal aus dem Ausland habe gefragt, der Paramenten-Experte lehnte allerdings ab. Er sieht es wie Leonardo Boff: "Um das Evangelium zu verkünden, braucht man keine "Cappa magna".
"Cappa magna" als Provokation?
Auch wenn Boff jahrzehntelang seine liebe Not mit dem Vatikan hatte, kennt man Franziskus' Hang zur Bescheidenheit und die Rede von der "verbeulten" Kirche, die an die Ränder gehen soll, so dürften sowohl der brasilianische Befreiungstheologe wie Thomas Schmitt in ihrer kritischen Haltung gegenüber der "Cappa magna" voll auf Papstlinie liegen – und Kardinal Burke, der als einer der schärfsten Kritiker des Argentiniers gilt, ganz sicher nicht.
Doch genau das könnte der us-amerikanische Kirchenmann damit ausdrücken wollen. Schon 2019 sagte Vatikan-Experte Nersinger zur "Cappa magna" von Kardinal Burke: "Das kann man eigentlich nur als Provokation empfinden. Und man merkt, da steckt vielleicht auch etwas anderes hinter, was eigentlich das Gewand selber nicht ausdrücken will."