WDR-Beitrag entfacht neue Exorzismus-Diskussion

Auf Teufel komm raus

Im Erzbistum Paderborn sind in den vergangenen acht Jahren drei Menschen von einem Seelsorger exorziert worden, weil sie "besessen" gewesen sein sollen. Mit der "Liturgie der Befreiung" werde "notleidenden Menschen" geholfen, die von den Ärzten nicht mehr behandelt werden könnten, sagte der Sprecher des Bistums, Engel. Die Vollmacht zum Vollzug des Exorzismus leitet die Kirche aus dem Neuen Testament ab. Vorbild sind die Dämonenaustreibungen Jesu.

 (DR)

Exorzismus sei keine Teufelsaustreibung, sondern verfolge die Absicht, das Böse aus dem Menschen auszutreiben, betonte der Sprecher des Bistums Paderborn. Als Kriterium für eine solche Form der "Besessenheit" gilt unter anderem, wenn ein Mensch in einer ihm unbekannten Sprache spricht oder parapsychologische Phänomene zu beobachten sind.

Der Exorzismus gilt in der katholischen Kirche als heiliges Zeichen. Die Kirche beruft sich dabei auf die in der Bibel geschilderten Dämonenaustreibungen Jesu. Der «Große Exorzismus» wurde 1614 im Auftrag des Trienter Konzils als liturgisches Buch herausgegeben.

Eine 1999 vom Vatikan überarbeitete Neufassung des Rituals sieht unter anderem vor, dass vorab Psychiater hinzugezogen werden sollen, um Erkrankungen wie etwa Zwangsneurosen medizinisch auszuschließen.
Unter Papst Benedikt XVI. und seinem Vorgänger Johannes Paul II. wurden und werden Exorzisten ausgebildet. Angaben zufolge will Papst Benedikt XVI. 3.000 neue Exorzisten ausbilden lassen.

Bayerische Bistümer bestreiten Beauftragung von Exorzisten
Nach einem Hörfunkbeitrag über Teufelsaustreibungen in Deutschland haben mehrere bayerische Bistümer dazu Stellung genommen. Sprecher der Diözesen München-Freising, Eichstätt und Würzburg erklärten, bei ihnen gebe es keine vom Bischof beauftragte Exorzisten. Der Sprecher des Bistums Eichstätt stellte fest, der in dem Beitrag genannte Ruhestandsgeistliche Otto Maurer habe keine bischöfliche Erlaubnis für einen Exorzismus. Sollte er einen solchen im vergangenen Jahr praktiziert haben, wäre dies ein Verstoß gegen das Kirchenrecht. Dem Kirchenrecht widerspreche auch, Beobachter bei einem Exorzismus zuzulassen.

Maurer habe 1997 vom damaligen Eichstätter Bischof Walter Mixa eine Erlaubnis zum Exorzismus erhalten, die aber vor zweieinhalb Jahren widerrufen worden sei. Diese Lizenz sei unter anderem an die Bedingung geknüpft gewesen, sich in jedem Einzelfall eng mit der Bistumsleitung abzustimmen und vor Annahme einer Besessenheit alle medizinischen und psychiatrischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Maurer habe diesbezüglich nie Kontakt mit der Bistumsleitung gehabt.

München arbeitet an neuer Regelung
Im Münchner Ordinariat hieß es, Erzbischof Reinhard Marx habe wegen des öffentlichen Interesses den Auftrag gegeben, eine diözesane Regelung zu erarbeiten.

Bisher kümmere sich in München ein Kreis von Priestern, Psychologen und Ärzten um Menschen, die sich besessen fühlten, sagte Ordinariatssprecherin Adelheid Utters-Adam. Sie klärten mit den Betroffenen gemeinsam, wie am besten geholfen werden könne. Nach einem solchen Prozess habe in den vergangenen Jahren kein großer Exorzismus stattgefunden. Die seelsorgliche Begleitung sei aber jeweils fortgesetzt worden.

Würzburg vertraut auf medizinische Fachkräfte
Im Bistum Würzburg hat es nach Auskunft der dortigen Pressestelle seit dem «Fall Klingenberg» vor 30 Jahren «einige wenige Anfragen», aber keinen kirchlich genehmigten Exorzismus mehr gegeben. Ohne Genehmigung durchgeführte Exorzismen seien der Diözesanleitung nicht bekannt. Bei Ernst zu nehmenden Anfragen würden «umgehend Fachkräfte aus dem medizinisch-psychologischen Bereich» herangezogen. Dies entspricht auch den weltweit gültigen vatikanischen Vorgaben.

Der Fall der nach etlichen Exorzismen gestorbenen Studentin Anneliese Michel aus Klingenberg hatte 1976 großes Aufsehen erregt. Zwei damit vom Bischof beauftragte Seelsorger wurden 1978 wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt; Bischof Josef Stangl trat daraufhin zurück. Die Verstorbene und ihre Familie hatten sich ärztlicher Hilfe verweigert und allein auf das kirchliche Ritual vertraut.

Gegen Filmklischees
Das Bistum Augsburg wandte sich gegen «spektakuläre Filmklischees». Mit diesen habe das kirchliche Exorzismus-Gebet nichts zu tun. Individuell gewünschte Befreiungsgebete wie der große Exorzismus seien sehr selten und würden sorgfältig geprüft. Zur Zahl der Fälle oder beauftragten Geistlichen machte das Augsburger Ordinariat unter Hinweis auf die seelsorgliche Verschwiegenheit keine weiteren Angaben.