DOMRADIO.DE: Warum findet das Internationale Bischofstreffen im Heiligen Land in diesem Jahr in Jordanien statt?
Weihbischof Udo Bentz (Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz): Weil Jordanien ein Teil des Heiligen Landes ist. Es ist vielleicht nicht ganz so im Vordergrund, dass jenseits des Jordans, wie wir das oft auch im Neuen Testament hören, Heiliges Land ist. Wir waren an der Taufstelle, an der Johannes Jesus getauft hat, auf dem Berg Nebo, wo Mose in das gelobte Land schauen konnte. Also jenseits des Jordans ist auch Heiliges Land, und wir setzen uns jedes Jahr verschiedene Themenschwerpunkte. Das letzte Mal war das Internationale Bischofstreffen 2016 in Jordanien. Und dieses Jahr war dann deutlich: Ja, wir wollen auch wieder jenseits des Jordans auf die Situation schauen.
DOMRADIO.DE: Sie wollen sich dort vor Ort über die Rolle und die Bedeutung christlichen Lebens in Jordanien informieren. Was haben Sie bisher erlebt?
Bentz: Wir erleben natürlich auch hier, wie in der gesamten Region, dass Christen in einer extremen Minderheit sind - drei bis vier Prozent auch hier in Jordanien. Aber wir haben hier in Jordanien auch erfahren können, dass Christen in einer etwas anderen gesellschaftlichen und politischen Rahmensituation sind. Christen werden von der Regierung anerkannt und auch geschätzt. Und so können wir, glaube ich, auch sagen: Jordanien ist mit Blick auf die Präsenz der Christen im Heiligen Land so etwas wie ein Stabilitätsanker für diese Region. Das wirkt sich auch auf das Selbstbewusstsein der Christen und der Kirche hier in dieser Region aus.
DOMRADIO.DE: Im Zentrum dieses internationalen Bischofstreffens steht die Arbeit für Geflüchtete. Im Norden von Jordanien ist weltweit eines der größten Flüchtlingslager - Zaatari nahe der syrischen Grenze. Seit über elf Jahren besteht dieses riesige Lager. Dort leben mehr als 80.000 Menschen. Ist das auch ein Ort, den Sie besuchen werden jetzt auf Ihrer Reise?
Bentz: Nein, wir werden nicht ganz in den Norden des Landes kommen. Wir haben im Großraum Amman unsere Flüchtlingsprojekte besucht. Die Situation geflüchteter Menschen in Jordanien ist tatsächlich sehr komplex. Es gibt syrische Flüchtlinge, die einen anderen Rechtsstatus haben als zum Beispiel Flüchtlinge aus dem Irak. Die irakischen Flüchtlinge leben hier eigentlich in der Illegalität, haben keinen gesicherten Rechtsstatus. Syrische Flüchtlinge haben einen gewissen Rechtsstatus, gewisse Ansprüche auf Unterstützung. Deshalb fokussiert sich hier Kirche und Caritas auch besonders auf die Unterstützung irakischer Flüchtlinge.
Wir haben verschiedene Projekte besucht: ein Flüchtlingsprojekt für irakische Frauen, ein Projekt eines italienisches Restaurants für irakische Männer, das unter der Leitung eines italienischen Priesters steht, Frauen, die mit Stoffen hier aus der Region Kleidung schneidern und darüber auch qualifiziert werden. Solche Projekte sind Bausteine, um auf die wirklich prekäre Situation vieler irakischer Flüchtlinge zu reagieren. Ein unverzichtbarer Beitrag, auch für die gesamte Gesellschaft.
DOMRADIO.DE: Sie haben vorhin die Regierung von Jordanien angesprochen, die wichtig sei. Jetzt gibt es ja in Israel auch eine neue Regierung, die wahrscheinlich nicht besonders feinfühlig mit der Konfliktsituation in der Region umgehen wird. Inwieweit spielen denn Erwartungen und Besorgnisse in dieser Hinsicht bei Ihrem Bischofstreffen eine Rolle?
Bentz: Wir hatten gestern Abend einen gemeinsamen Abend mit diplomatischen Vertretern und Politikern. Da war dieses Thema natürlich auch sehr zentral. Wir spüren hier in unseren Begegnungen, in unseren Gesprächen, dass wirklich sehr sorgenvoll von Jordanien aus auf die politische Situation in Israel geschaut wird, dass man derzeit sehr genau beobachtet, wie sich das entwickelt.
DOMRADIO.DE: Was heißt das denn konkret? Was erwarten Sie von der neuen israelischen Regierung?
Bentz: Es gab noch nie eine so weit rechte Regierung, wie es sie jetzt gegeben hat. Wir sehen extrem säkulare wie auch religiöse, nationale und sogar rassistische Kräfte in der neuen Regierung. Das bereitet uns ganz große Sorge. Das teilen wir auch mit den international kritischen Stimmen, die es derzeit an dieser Situation gibt.
Wir befürchten, dass die Friedenslösung für diese Region in eine noch unerreichbarere Ferne rückt. Das spüren wir auch in den Gesprächen hier auf jordanischer Seite. Diese Provokationen, die es immer wieder gibt, sind ein Spiel mit dem Feuer. Das können wir nicht gutheißen, das muss ein Ende haben. Auch der Papst hatte auf diese Situation ja sehr sorgenvoll geschaut und hat das in seinem Neujahrsempfang mit dem diplomatischen Chor noch einmal eigens erwähnt - dass die Berufung Jerusalems als Ort des Friedens für uns als Christen die erste und die oberste Priorität hat und dass wir als Kirchen versuchen müssen, alles in der Kraft Stehende zu tun, dass wir dazu einen Beitrag leisten können. Aber dieses Spiel mit dem Feuer, das wir derzeit wahrnehmen, erfüllt uns mit großer Sorge.
DOMRADIO.DE: Findet denn die katholische Kirche Gehör in den Ohren von Benjamin Netanjahu?
Bentz: Ich glaube, die Vertreter der verschiedenen christlichen Kirchen im Heiligen Land spüren und wissen bei aller Begrenztheit ihrer Einflussmöglichkeiten, dass es ganz notwendig ist, mit einer Stimme zu sprechen. Nur gemeinsam sind wir stark. Das ist in diesen Gesprächen sehr deutlich geworden. Eine gemeinsame Stimme der Christen, die muss sozusagen ausgesprochen werden, damit sie gehört wird. Welche Resonanz, welche Wirkung und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, das haben wir nicht in unserer Hand. Aber dass wir die Stimme erheben, das ist unsere Verantwortung.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt bei Ihrer Reise das Pilgern?
Bentz: Wir verstehen die Holy Land Coordination tatsächlich in erster Linie als eine Pilgerreise. Wir selbst verstehen uns als Pilger, die unterwegs sind. Und das Thema Pilgern im Heiligen Land in Jordanien war wirklich auch ein sehr wesentliches Thema. Die Kirche hier im Land will die heiligen Stätten ausbauen, unterstützen und wirklich als christliche Begegnungsorte stark machen. Das deckt sich auch mit den Interessen des Staates. Gestern haben wir auch mit Vertretern des Tourismusministeriums gesprochen, die sagen, für uns sind diese heiligen Stätten nicht einfach nur ein touristischer ökonomischer Faktor. Es geht, das ist bei allen Gesprächspartnern deutlich geworden, nicht um ein "frommes Disneyland" für Touristen. Es geht wirklich um Begegnungsstätten, um eine lebendige Präsenz des Glaubens an den biblischen Stätten, die dieses Land hier zu bieten hat. Das zu unterstützen und die Kirche vor Ort zu stärken, das sehen wir alle - also die verschiedenen Vertreter aus den verschiedenen Bischofskonferenzen - als eine wesentliche Aufgabe, die wir sozusagen mit nach Hause nehmen.
DOMRADIO.DE: Mit was für einem Gefühl werden Sie nach Deutschland zurück?
Bentz: Mit einem guten Gefühl der Ermutigung, weil ich diese positive Grundstimmung der Kirche hier im Land als etwas sehr Wunderbares erlebt habe. Wir hatten einen fantastischen Abend mit engagierten jungen Erwachsenen, die Zeugnis gegeben haben von einem lebendigen, frohen Glauben, die aber gleichzeitig auch gesagt haben: Wir als Christen sehen auch unsere Verantwortung für diese Gesellschaft hier. Unsere Präsenz ist wirklich auch ein Beitrag, dass diese Gesellschaft eine gute Zukunft hat. Dazu wollen wir als Christen, als Kirche beitragen.
Diese positive Grundstimmung darf natürlich auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es enorme schwierige wirtschaftliche Herausforderungen gibt. Aber die junge Generation, egal welcher Religionszugehörigkeit, hat eines gemeinsam. Sie fragen: Wie können wir eine gute wirtschaftliche Zukunft für uns in diesem Land haben? Das ist keine spezielle Frage hier in Jordanien, keine spezielle Frage der Religionszugehörigkeit.
Also: Ein gutes Selbstbewusstsein, eine gute Zuversichtlichkeit war der Grundtenor unserer Begegnung mit der Kirche hier. Das ermutigt mich auch, gerade wenn ich auf die schwierigen Herausforderungen in der gesamten Region schaue. Jordanien als Stabilitätsanker für Christen in der Region ist für mich eines der wesentlichen Stichworte, die ich mitnehme.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.