Weihbischof Jaschke zum Abschied von Helmut Schmidt

"Staatsakt klingt so förmlich"

Mit einem Staatsakt im Hamburger Michel haben die Spitzen des Staates und politische Weggefährten dem verstorbenen Altbundeskanzler die letzte Ehre erwiesen. Auch Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke war dabei.

Bundespräsident Gauck und Susanne Schmidt hinter dem Sarg von Helmut Schmidt / © Carsten Rehder (dpa)
Bundespräsident Gauck und Susanne Schmidt hinter dem Sarg von Helmut Schmidt / © Carsten Rehder ( dpa )

domradio.de: Sie waren befreundet mit Helmut Schmidt, haben zur Freitagsgesellschaft gehört. Für Sie, Weihbischof Jaschke, kam die Todesnachricht gar nicht so überraschend, oder?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Wir hatten das letzte Treffen der Freitagsgesellschaft am Anfang dieses Jahres noch und da sagte Helmut Schmidt schon, ja, das war es dann, ich kann nicht mehr. Man hat doch gemerkt, dass er das nicht mehr schaffte. Wir haben uns im Sommer noch einmal zu einer großen Hafenrundfahrt getroffen, das hat er noch gut mitgemacht, aber dann sind doch recht schnell die nächsten Schritte gefolgt, dass Helmut Schmidt nicht mehr konnte. Er musste ins Krankenhaus und ist dann zum Glück zu Hause ganz friedlich gestorben.

domradio.de: An seinem Tod vor rund zwei Wochen hat es viel Anteilnahme gegeben, wie haben Sie das in Hamburg erlebt?

Jaschke: Man hat den Eindruck, dass die Hamburger Helmut als einen Sohn ihrer Stadt erfahren haben und ihm in dieser herzlichen Gemeinschaft, die seine Stadt ausmachte, Hamburg ist ja nicht übertrieben groß, sich mit ihm verbunden wussten. Er ist einer von uns, der kleine Junge aus Barmbek, dem Arbeiterviertel und dann war er der große Helfer, der Retter in der Flut, der als Polizeisenator gewirkt hat. Dann war er der große Staatsmann und Bundeskanzler, aber er blieb immer eine Autorität zu der man vertrauen hatte, die man gerne mochte, nicht abgehoben, volkstümlich.

domradio.de: Von diesem großen Mann hat die Welt und Hamburg nun Abschied genommen mit einem Staatsakt, Sie sind auch dabei gewesen, wie ist das abgelaufen?

Jaschke: Staatsakt klingt so förmlich, in Hamburg muss alles Große im Michel stattfinden, weil der Michel auch wirklich der Ort ist, an dem Hamburger ein Stück ihrer Identität erfahren. Der Michel, der deutsche Michel, ich sage immer auch die deutsche Michaela, das Zuhause in dieser Kirche. Es war eine Feier mit zwei Teilen begleitet von toller Musik, schwerpunktmäßig natürlich Bach und der erste Teil war ein geistlicher Teil, eine gute halbe Stunde hat er gedauert mit Schriftwort, mit Gebet, mit einer Predigt, mit dem Vaterunser und dem Segen. Das war sehr einladend, gewinnend und in keiner Weise aufgesetzt. Natürlich sind alle aufgestanden zum Vaterunser, zum Segen sind alle aufgestanden und als dann nach dem Segen die Musik neueinsetzte trat der Bürgermeister ans Lesepult und hat sein Wort gesagt, nach dem Bürgermeister kam Henry Kissinger, der alte Freund, auch bewegend, was er gesagt hat. Ich dachte immer, ich sterbe vor Helmut, aber nun ist Helmut vor mir gestorben. Er hat ihn gewürdigt einmal als den Freund, obwohl beide nie "Du" zueinander gesagt haben, aber sie hatten doch einen sehr klaren Blick und auch die Erfahrung von Verantwortung, die sie tragen in der Politik.

domradio.de: Der ehemalige US-Außenminister Kissinger hat über Helmut Schmidt gesagt, er sei eine Art Weltgewissen gewesen.

Jaschke: Das war er auch, weil er nicht nur moralische Appelle so einfach in den Raum gesendet hat, sondern in seinem praktischen Handeln, eine verantwortliche und auch moralische Entscheidung getroffen hat. Er hat sich nicht erpressen lassen von der RAF und Schleyer wurde ermordet von der RAF. Das hat ihn natürlich belastet, aber Schmidt wusste als Staatsmann, der Staat darf sich nicht erpressen lassen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke (dpa)
Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke / ( dpa )
Quelle:
DR