DOMRADIO.DE: Hatten Sie ein ruhiges Wochenende, weil Sie keine Heilige Messe feiern konnten?
Ansgar Puff (Weihbischof im Erzbistum Köln): Ja, das war sehr überraschend und auch ein bisschen komisch. Ich buche das unter "Terminfasten". Als ich Pfarrer war, hatten wir mal die verrückte Idee im Pastoralteam, in der Fastenzeit eine Woche alle Termine abzusagen, um deutlich zu machen, dass man mal ein bisschen runterkommen muss. Es gab damals einen riesen Aufstand, und alle sagten "das geht auf gar keinen Fall", und jetzt kann man "terminfasten". Das Erstaunliche dabei ist - viele Sachen, die sich so als total wichtig darstellen, sind vielleicht gar nicht so wichtig.
DOMRADIO.DE: Was aber trotzdem für uns als Christen wichtig ist, ist der Gottesdienst, die Messe, die wir aktuell so nicht feiern können. Macht es das Ihnen als Priester, Weihbischof schwerer, Ihren Aufgaben nachzukommen?
Puff: Die Eucharistiefeier ist nach wie vor für uns absolut wichtig, und darum bin ich sehr dankbar, dass man jetzt über DOMRADIO.DE und andere Kanäle die Messe wenigstens so mitfeiern kann. Ich bin erstaunt, wie viel technisches Know how schon im Bistum vorhanden ist. Die Jugendkirche CRUX zum Beispiel hat gestern die Sonntagsmesse gestreamt.
Die Bonner haben ihre normale 12-Uhr-Messe mit Fastenpredigt über die Internetseite gestreamt. Selbst kleine Dörfer im Vorgebirge, die ein paar fitte Jugendliche haben, haben einen Gottesdienst gestreamt. Es scheint so zu sein, dass man auf andere Weise dem Gottesdienst beiwohnen kann.
DOMRADIO.DE: Die Berührung ist in der Seelsorge ja ein ganz wichtiger Punkt. Die Handauflegung, die Krankensalbung spielt im Christentum eine große Rolle. Alles das kann man ja im Moment nicht machen. Wie gehen Sie damit um?
Puff: Ich glaube, das fast Wichtigere ist noch, die Herzen zu berühren. Das kann man auch mit Sprache tun. Auch durch kleine Zeichen. Es berührt einen sehr, wenn man da in den Nachrichten sieht, dass da junge Familien oder Jugendliche einfach den Senioren in der Nachbarschaft anbieten, für sie einaufen zu gehen.
Das ist nicht so sehr die körperliche Berührung, die jetzt im Moment möglich ist. Aber dass man das Herz berührt und dass man die Solidarität untereinander lebt und vor allem auf den Egoismus verzichtet, das ist das Entscheidende, dass man wirklich miteinander und aus Sorge füreinander lebt.
DOMRADIO.DE: Das ist ja im Prinzip das, was wir unter Nächstenliebe verstehen. Hätten Sie das von der Gesellschaft erwartet?
Puff: Ich glaube schon, dass in der Gesellschaft dieser Gedanke des "Füreinander Daseins" tief verankert ist, aber in Extremsituationen kippen kann. Aus der Geschichte wissen wir, dass in Extremsituationen der Egoismus dann doch ziemlich schnell rauskommt. Das sehen wir auch bei diesen verrückten Hamsterkäufen, die völlig unsinnig sind. Aber da bewährt sich dann, ob einer wirklich bis in die Tiefe hinein Christ ist oder nicht. Da geht es nämlich immer um die Frage, wer kommt zuerst - du oder ich?
DOMRADIO.DE: Nichtsdestotrotz ist für Kranke in Kliniken, für alte Menschen in Seniorenheimen auch die körperliche Berührung wichtig. Und die fehlt jetzt...
Puff: Ja, aber bei allen Vorschriften, die jetzt vom Land oder der Stadt erlassen wurden, ist immer das Gespräch ausgenommen worden. Das heißt, alle Priester können nach wie vor Krankenbesuche machen. Es gibt nach wie vor die Möglichkeit, die Krankensalbung zu spenden. Also die persönlichen Kontakte aus seelsorglichen Gründen sind nicht eingeschränkt.
DOMRADIO.DE: Es sind jetzt die ersten Tage, in denen wir mit der Ausnahmesituation umgehen, und keiner weiß so wirklich, wie das jetzt weitergehen wird. Wie gehen Sie damit um? Man muss sich ja jetzt auf eine längere Zeit einstellen, ohne Gottesdienste, ohne körperliche Berührung.
Puff: Ja, wir wissen noch nicht genau, wie das weitergeht. Aber das ist jetzt mal eine richtige, tiefe geistliche Übung, dass man im Heute lebt. Wir sind ja immer so auf die Zukunft ausgerichtet. Ich glaube, wir lernen jetzt, dass wir heute leben und dass uns die Zukunft nicht gehört.
Als Christen sagen wir aber, wir haben eine Zukunft, die in Gottes Hand liegt, und jeden Tag bekommen wir die aus Gottes Hand. Dieses Gebet "Gib uns täglich unser Brot" kriegt jetzt mal eine neue Dimension. Das heißt nämlich eigentlich "Heute", heute lebe ich, morgen wirst du für mich sorgen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.