Er erzählt im domradio.de-Interview von der Bedeutung des Buchstaben "P" bei der Reise.
domradio.de: Welchen Eindruck von der Situation der Christen im Nahen Osten haben Sie bislang bekommen?
Weihbischof Thomas Maria Renz (Bistum Rottenburg-Stuttgart): Die Christen sind eine kleine Minderheit hier in der Region und sie sitzen deshalb oft zwischen allen Stühlen. Wir haben das vor allem beim Besuch im Cremisan-Tal in Israel gemerkt, wo christliche Familien durch den geplanten Mauerbau zum Teil sehr persönlich in Mitleidenschaft gezogen und davon betroffen sind. Insofern ist unser jährlicher Besuch bei den Christen hier im Heiligen Land ganz wichtig, damit sie nicht den Eindruck bekommen, vergessen zu werden. Es gibt ja so viele aktuelle Krisen in der Welt, da kann so eine kleine Minderheit im Heiligen Land leicht in Vergessenheit geraten. Dem wollen wir entgegenwirken.
domradio.de: Sie haben das Westjordanland besucht. Da gab es Probleme bei der Einreise. Was war da los?
Weihbischof Renz: Wir haben in den letzten Jahren immer auch das Cremisan-Tal (im Westjordanland) besucht und dort mit den Christen gesprochen, die teilweise seit Jahrhunderten von dem Boden dort leben. Es gibt dort ganz viele alte Olivenbäume und Obstplantagen. Die Menschen leben dort von der Erde, die nun durch den Mauerbau zerissen werden soll. Es sind etwa 60 christliche Familien von dem Mauerbau betroffen. Wir wollten die Region besuchen und konnten nur ein Stück weit in die Gegend hineingehen. Wir wurden von Polizisten am Weitergehen gehindert. Sie haben uns deutlich gemacht, dass es nicht möglich ist, diese Gegend näher zu besichtigen. Da sind Vorarbeiten für den Mauerbau im Gange. Es sind schon jahrhundertealte Olivenbäume mit Baggern entfernt worden, um die Betonfundamente für die künftige Mauer herzustellen. Es war ein freundlicher, aber deutlicher Fingerzeig, dass wir nicht weitergehen konnten.
domradio.de: Was können Sie als Bischöfe denn tun, damit sich die Lage der Christen im Heiligen Land verbessert?
Weihbischof Renz: Wir können uns vor allem an ihre Seite stellen und unsere Solidarität bekunden. Es ist klar, dass wir nicht als Politiker, sondern als Bischöfe, ins Heilige Land reisen. Wir haben eine andere Funktion. Das internationale Bischofstreffen hat die Schwerpunkte "prayer" ("Gebet"), "pilgrimage" ("Wallfahrt"), "presence" ("Präsenz") und "pressure" ("Druck"). Das sind die vier "P". Wobei ich meine, dass die Präsenz das Erste ist. Dass die Weltkirche durch die vielen Bischöfe aus den vielen Ländern an der Seite der Menschen steht. "pilgrimage": Wir kommen als Pilger an die Stätten unseres Glaubens. "prayer": Wir kommen zusammen und beten mit und für die Christen im Heiligen Land. "pressure" heißt, dass wir versuchen, wenn wir nach Hause kommen, mit den Politikern in unseren Ländern zu sprechen. Wir haben uns zum Beispiel gegen den Mauerbau im Cremisan-Tal eingesetzt. Das hat politisch nicht zum Erfolg geführt. Aber wir können immer nur im Dialog und mit guten Argumenten versuchen, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Aber wir können es nicht verhindern, wenn die Machtverhältnisse anders sind, als wir uns das wünschen.
domradio.de: Sie informieren sich auf Ihrer Reise ja vor allem auch über das Schicksal christlicher Flüchtlinge, aus dem Irak zum Beispiel, die vom Islamischen Staat vertrieben worden sind. Haben Sie schon Eindrücke gewonnen, wie es denen geht?
Weihbischof Renz: Wir haben in diesem Jahr den Schwerpunkt auf die Christen in Jordanien gelegt und sind im Augenblick in Amman. Wir sind hier auch mit Flüchtlingen aus dem Irak zusammengetroffen und haben mit ihnen Gottesdienst gefeiert. Wir haben - sofern es die Sprachschwierigkeiten dennoch möglich gemacht haben - von ihrem Schicksal erfahren. Ich brauchte eine Dolmetscherin, da ich kein Arabisch spreche und die Flüchtlinge kein Deutsch oder Englisch. Aber ich habe in sehr viele traurige Gesichter geschaut. Ich habe auch selber Fotos gemacht und das Treffen abends beim Anschauen der Fotos nochmal Revue passieren lassen. Es waren sehr viele traurige Augen, in die ich geschaut habe. Die Menschen müssen Furchtbares mitgemacht haben. Viele leben seit anderthalb bis zwei Jahren in Jordanien und wissen nicht, wo sie langfristig bleiben können. Es gibt für sie weder ein Zurück, noch ein nach vorne. Sie haben keine Perspektive. Es war schon schwierig, diese Situation mit den Menschen auszuhalten und diese Frage nicht lösen zu können.
domradio.de: Was können wir in Deutschland für die Christen im Nahen Osten tun?
Weihbischof Renz: Wir tun in Deutschland schon sehr viel. Wir können stolz und dankbar sein, dass die katholische Kirche im Jahr 2015 rund 32 Millionen Euro für Flüchtlingsprojekte hier vor Ort aufgebracht hat, vor allem in Jordanien, im Libanon und im Nord-Irak. Es sind ganz viele Flüchtlingsprojekte von Caritas International, Misereor, missio, Malteser und dem Kindermissionswerk finanziert worden. Die Christen in Deutschland tun nicht nur sehr viel für die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland, sondern auch über ihre Spenden und die großen Hilforganisationen für die Flüchtlinge im Nahen Osten. Das Geld ist hier gut angelegt. Aber natürlich ist auch das Gebet wichtig. Die materielle Hilfe ist wichtig, aber auch die ideelle Hilfe - die Solidarität, die wir auch im gemeinsamen Glauben zum Ausdruck bringen.
Das Interview führte Mathias Peter.