Weihnachten im christlichen Istanbul

Der Wunsch nach Normalität

Bei den schlechten politischen Schlagzeilen 2016 stand die Türkei weit oben. Doch die Christen in Istanbul freuen sich derzeit vor allem auf Weihnachten. Die Feiern sollen wie immer stattfinden.

Autor/in:
Jürgen Gottschlich
Auch in der Türkei werden Bäume geschmückt. / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Auch in der Türkei werden Bäume geschmückt. / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Terrorangst, zunehmende Islamisierung und der Streit um eine Weihnachtsfeier an einer deutschen Schule in Istanbul - das alles lässt viele Christen in der Türkei verunsichert zurück. Kann man in diesem Jahr eigentlich überhaupt Weihnachten feiern? Für den Sprecher des griechischen Patriarchats, Pater Dositheos Anagnostopoulos, ist das keine Frage. "Bei uns findet alles ganz normal statt", sagt er. Er habe auch für keine andere christliche Gemeinde der Stadt von Einschränkungen gehört.

Die Istanbuler Griechen feiern traditionsgemäß am Morgen des 25. Dezember ihre Weihnachtsmesse in der Kirche des Patriarchats am Goldenen Horn. An dieser Liturgie wird sich auch 2016 nichts ändern, bekräftigt Dositheos. "Wir machen ja keine öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel, die irgendwie groß auffallen würden." Tatsächlich, so berichtet er, sei vor zwei Wochen sogar eine Abordnung der Polizei da gewesen, um ihre Hilfe anzubieten, falls es zu Drohungen oder gar Übergriffen kommen sollte. "Sie waren sehr freundlich", so der Geistliche.

Politiker nutzen Weihnachten

Außer der griechischen Gemeinde, die ihren historischen Sitz in Istanbul, dem antiken Konstantinopel, hat, feiern traditionell auch die Armenier, die Syrer und die verschiedenen katholischen und evangelischen Kirchen Weihnachten in der Stadt. Auch die deutsche katholische und evangelische Gemeinde laden zur Weihnachtsfeier an Heiligabend ein. 

In den vergangenen Jahren haben auch türkische Offizielle das Weihnachtsfest für sich entdeckt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan schickte eine Grußbotschaft, und in Beyoglu, dem zentralen Istanbuler Bezirk mit den meisten Kirchen, machte der Bürgermeister an Heiligabend eine Runde durch die Gemeinden und überbringt seine Weihnachtswünsche persönlich.

Ökumenische Messe im Herzen der Stadt

Das große, für alle Istanbuler sichtbare Weihnachtsfest findet in der katholischen Antonius-Basilika statt, die direkt an der zentralen Einkaufsmeile in der Istiklal Caddesi liegt. Die Kirche gehört dem Franziskanerorden und hat sich zum multikulturellen christlichen Mittelpunkt der Stadt entwickelt. Hier wird an Heiligabend ein ökumenischer Gottesdienst zelebriert, der in den vergangenen Jahren mehr und mehr Zuspruch fand.

Ein philippinischer Chor, ein afrikanischer Priester und Messdiener aus dem Irak zeigen die Vielfalt der Christen, die in der Metropole am Bosporus eine Heimat gefunden haben. Mit den Millionen Flüchtlingen, vor allem aus dem Irak, nimmt derzeit auch die Zahl der Christen in der Türkei wieder zu. In der Antonius-Basilika haben sie schon seit ein paar Jahren einen eigenen Raum, in dem sie ihre Gottesdienste feiern. Zu Weihnachten aber kommen alle zusammen. Auch viele Nichtchristen waren in den vergangenen Jahren zur Mette bei den Franziskanern. Die Kirche konnte gar nicht alle Besucher fassen; selbst der Kirchhof war überfüllt.

Schon jetzt ist dort eine große Krippe aufgebaut - die sich zu einer echten Besucherattraktion entwickelt hat. Zu Füßen einer Statue von Papst Johannes XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli, 1881-1963), der vor und im Zweiten Weltkrieg als Apostolischer Delegat in der Türkei wirkte und dort bis heute in guter Erinnerung ist, steht die klassische Figurengruppe aus Bethlehem. Sie wird als Fotomotiv ausgiebig genutzt. Alles ist beim heiligen Antonius bereits auf die große Feier am Samstag vorbereitet. Zwar steht ein Polizeiauto vor dem Kirchhof. Doch die festlich geschmückte Basilika ist für alle Besucher offen.


Quelle:
KNA