Weiter Debatte um Pflege-Einsatz von Langzeitarbeitslosen - Merkel findet Vorschlag "großartig"

Mit 160 Stunden Ausbildung fit für Betreuung?

Der geplante Einsatz von Langzeitarbeitslosen bei der Betreuung altersverwirrter Menschen sorgt weiter für Diskussionen. Wohlfahrtsverbände kritisieren vor allem die vorgesehene Ausbildungsdauer von 160 Stunden für die künftigen Pflegekräfte als zu kurz. Die Details zur Schulung und zu den Einstellungsbedingungen regelt eine Richtlinie, auf die sich die gesetzlichen Krankenkassen am Dienstag in Berlin einigten.

 (DR)

Der Ausbildungsumfang sei völlig unzureichend, sagte die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Heidi Merk. Für Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse in der Pflege brauche es «mehr als einen Schnellkurs». Die Dauer der Ausbildung müsse auf mindestens 800 bis 900 Stunden aufgestockt werden.

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sprach von einem «fahrlässigen» Vorhaben. «Alte Menschen, die an einer demenziellen Veränderung leiden, sind schwer krank und brauchen dringend fachkundige Betreuung», sagte Gabriele Osing vom ASB. Sie von Arbeitkräften betreuen zu lassen, die nur deshalb in einer Pflegeeinrichtung tätig seien, weil sie zuvor lange erwerbslos waren, wirke sich negativ auf die Pflegequalität aus.

Der hessen-nassauische Diakoniechef Wolfgang Gern bezeichnete die Pläne als «fragwürdig» und «Schnellschuss von politischer Seite». Eine solche Maßnahme werde weder den Arbeitslosen noch den Kranken gerecht. Eine sechswöchige Kurzausbildung reiche nicht aus, um Demenzkranke unterstützen zu können.

Der Direktor des Caritas-Verbandes Oldenburg, Gerhard Tepe, mahnte, der Umgang mit Dementen sei eine anspruchsvolle Aufgabe. «Das kann ich nicht mal eben im Drei-Tage-Crashkurs lernen.» Auch der evangelische Pflegefachverband DEVAP forderte, auf die Eignung der Langzeitarbeitslosen zu achten. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe verlangte, die Ausbildung dürfe nicht weniger als 200 Stunden umfassen.

Merkel findet Einsatz von Arbeitslosen als Pflegekräfte «großartig»
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den umstrittenen Einsatz von Arbeitslosen als Pflegekräfte für Demenzkranke als «großartiges Projekt» bezeichnet. Es gebe eine hohe Zahl von Pflegebedürftigen und viele Arbeitslose, so dass es großartig sei, zwei Bereiche mit großem Bedarf erstmals miteinander zu verbinden, gab der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch in Berlin im Anschluss an die Kabinettssitzung die Kanzlerin wieder.

Die Bundesagentur für Arbeit will mehrere tausend Langzeitarbeitslose in Pflegeheime vermitteln. Als Qualifizierung der Betreuungskräfte sind in der Krankenkassen-Richtlinie zwei Theoriekurse mit einem Gesamtumfang von 160 Stunden sowie ein zweiwöchiges Betreuungspraktikum vorgesehen. Zuvor sollen die Bewerber ein fünftägiges Orientierungspraktikum absolvieren, in dem ihre berufliche Eignung geprüft wird. Ein Mal im Jahr sollen die Pflegeassistenten fortgebildet werden. Die Richtlinie muss noch vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden.

In enger Abstimmung mit den Pflegeteams der Heime sollten die neuen Pflegeassistenten die Lebensqualität von Heimbewohnern verbessern, die dement seien, psychisch krank oder geistig behindert, heißt es im Beschluss der gesetzlichen Krankenkassen. In der Richtlinie wird auch ein Katalog von Anforderungen an die Betreuungskräfte aufgestellt.
Sie sollen soziale Kompetenz, Kreativität, Teamfähigkeit sowie eine positive Haltung gegenüber kranken, behinderten und alten Menschen mitbringen.