Konkret geht es um die Filmvorführung "Tokyo Reels Film Festival" des Künstlerkollektivs "Subversive Film".
Das zur Aufarbeitung von Antisemitismusvorwürfen rund um die documenta eingesetzte Gremium forderte in einer am Wochenende veröffentlichten Erklärung, die Collage aus mehreren Filmen bei der documenta nicht mehr zu zeigen. Die Künstlergruppe legitimiere mit Kommentaren zum Film "Israelhass und die Glorifizierung von Terrorismus", heißt es in der Erklärung.
Zentralrat der Juden fordert Ende der Vorführung
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte, die Filmvorführung zu beenden. Präsident Josef Schuster betonte am Montag: "Diese documenta hat dem Ansehen Deutschlands geschadet." Er forderte die politisch Verantwortlichen auf, beim Thema Antisemitismus Haltung zu zeigen.
Weiter kritisierte er Kuratoren und Künstler der documenta, die mit jüngsten Äußerungen gezeigt hätten, dass sie "wissenschaftliche Befunde nur respektieren, wenn sie in ihr Weltbild passen". Eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Israelhass werde weiterhin verweigert.
Der hessische Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker forderte die künstlerische Leitung der documenta auf, die Empfehlung der Experten anzunehmen. Ansonsten würde die documenta-Leitung "bewusst Antisemitismus zulassen und dessen Verbreitung aktiv befördern".
Documenta will der Empfehlung nicht nachkommen
Die documenta will der Empfehlung der Experten jedoch nicht folgen. So teilte die documenta-Pressestelle am Montag auf Anfrage mit, die Geschäftsleitung und die Kuratoren hätten die "Einschätzung des Expert*innengremiums zur Kenntnis genommen". Die künstlerische Leitung, das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa, habe entschieden, der Empfehlung nicht nachzukommen.
In einem auf Samstag datierten, aber nicht namentlich unterzeichneten offenen Brief an die documenta-Gesellschafter, den Aufsichtsrat und Kulturstaatsministerin Claudia Roth kritisieren documenta-Künstler die Erklärung des Expertengremiums scharf. Sie schreiben von einer "überschrittenen Linie" in Richtung Zensur. Weiter beklagen sie "Chaos, Feindseligkeit, Rassismus und Zensur" im Zuge der documenta, ebenso Verleumdung, Drohungen und Demütigungen.
Gremium hat Werke der Kunstschau geprüft
Die documenta steht seit Beginn wegen Antisemitismusvorwürfen in der Kritik. Das Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung mit sieben Personen war im August von den documenta-Gesellschaftern - der Stadt Kassel und dem Land Hessen - eingesetzt worden. Es soll eigenen Angaben zufolge Werke der Kunstschau auf Antisemitismus prüfen, den Umgang der documenta mit antisemitischen Vorfällen untersuchen und Vorschläge zur Prävention erarbeiten.
"Antisemitischen und antizionistischen Versatzstücke"
In der nun veröffentlichten Erklärung des Gremiums heißt es, bei den kritisierten Filmen handele es sich um pro-palästinensisches Propagandamaterial aus den 1960er bis 1980er Jahren mit "antisemitischen und antizionistischen Versatzstücken". Begleitende Kommentare der Künstlergruppe seien "hoch problematisch", weil das Filmmaterial nicht kritisch reflektiert, sondern als objektiver Tatsachenbericht ausgegeben werde. In ihrer "potenziell aufhetzenden Wirkung" stellten die Filme eine größere Gefahr dar als das nach öffentlicher Empörung bereits entfernte Großkunstwerk "People's Justice".