DOMRADIO.DE: Wer war denn heute Morgen außer Ihnen alles mit bei dem Treffen der "Vaticanisti", also der im Vatikan akkreditierten Journalisten, und dem Papst dabei?
Ludwig Ring-Eifel (Korrespondent der Katholischen Nachrichtenagentur in Rom / KNA): Die Gruppe der "Vaticanisti" ist ein ziemlich internationaler Haufen. Da waren Leute aus den USA, aus Frankreich, aus Lateinamerika, aus Portugal oder aus Polen. Also wirklich im wahrsten Sinne des Wortes aus aller Herren Länder.
Es durften aber nur 150 von den insgesamt etwa 600 bis 700 Akkreditierten mit, weil das sonst von den räumlichen Verhältnissen etwas schwierig geworden wäre.
Wir waren in der sogenannten "Sala Clementina". Das ist einer dieser wunderschönen, ausgemalten Audienzräume im Apostolischen Palast, wo sonst die "höherrangigen Gäste" empfangen werden. Das ist schon eine besondere Atmosphäre.
DOMRADIO.DE: Es ist ungewöhnlich, dass der Papst speziell Journalisten einlädt. Warum hat er das gemacht? Was meinen Sie?
Ring-Eifel: Es hat einen ganz banalen Grund. Wir Vatikanjournalisten haben schon seit einigen Jahrzehnten eine Vereinigung, die sogenannte AIGAV. Das ist die Vereinigung der am Vatikan akkreditierten Journalisten.
Wir haben einen sehr rührigen Vorsitzenden aus Frankreich, der für die französische, katholische Zeitung "La Croix" arbeitet. Der hat immer wieder gebohrt und versucht, einen solchen Termin hinzukriegen. Jetzt ist es ihm endlich gelungen.
Ich glaube, es hat aber auch damit zu tun, dass der Papst im Moment innerkirchlich in der Debatte steht. Der Konflikt um manche seiner Entscheidungen ist ja in den letzten Wochen doch ziemlich ausgeufert.
Da kam es ihm, glaube ich, ganz gelegen, den Journalisten sagen zu können, wie er sich die Berichterstattung über Konflikte in der Kirche eigentlich wünscht. Es war auch ganz interessant zu hören, was er dazu zu sagen hatte.
DOMRADIO.DE: Das hört sich ein bisschen so an, als wünschte er sich, Zensur betreiben zu können, was er natürlich nicht kann. War es so? Hat er Bitten geäußert?
Ring-Eifel: Nein. Die Idee von Zensur liegt diesem Papst sehr fern. Es geht ihm immer um eine offene Debatte. Er hat nur darum gebeten, dass man als Journalist oder "Vaticanist" nicht in den Kategorien berichten sollte, wie es Sensationsmedien tun: Also nicht immer nur Schwarz-Weiß berichten oder Skandale hochjazzen, sondern sich auf das Wesentliche konzentrieren, mit Umsicht berichten, sich an der Wahrheit orientieren und nicht polarisieren. Das war seine Wunschliste. Mit Zensur hat das nichts zu tun.
Es war aber sicher nicht das, was sich jeder Journalist oder jede Journalistin von ihrer Arbeit so vorstellt. Denn wir leben ja auch ein bisschen davon, dass wir die Dinge zuspitzen.
DOMRADIO.DE: Wobei Sie dem Vatikan grundsätzlich erst einmal wohlgesonnen sind. Aber es gibt auch andere Medien.
Ring-Eifel: Ja, es waren ja nicht nur kirchennahe Medien wie die KNA dort, sondern auch die großen Nachrichtenagenturen Reuters, AP, dpa oder das Wall Street Journal, also Medien, die mit Kirche so gesehen nichts am Hut haben.
Sie finden die Kirche aber als Thema sehr interessant, sie finden diesen Papst sehr interessant und berichten häufig auch sehr scharf über die innerkirchlichen Konflikte und Skandale.
DOMRADIO.DE: War es denn ein Vortrag des Papstes oder gab es ein Gespräch, einen Dialog?
Ring-Eifel: Das war eine kleine Enttäuschung. Wir hatten eine kleine Fragenliste eingereicht. Die wurde aber nicht bearbeitet, weil der Papst gesundheitlich doch recht angeschlagen war. Er hatte wieder mit Atemnot zu kämpfen, er ist immer noch nicht ganz aus seiner Dauererkältung raus.
Der Termin hat ihn sichtlich und hörbar angestrengt. Er hat trotzdem seine ganze lange Rede vorgetragen und auch noch das ein oder andere hinzugefügt. Aber für Fragen war dann einfach nicht mehr die Zeit und auch nicht mehr die Energie da.
Er hat dann immerhin jedem von uns 150 Anwesenden noch mal persönlich die Hand gegeben. Jeder hat mit ihm ein paar Worte gewechselt. Das allein hat schon 20 Minuten gedauert. Das war für ihn in seiner jetzigen Verfassung ein sehr anstrengender Termin.
DOMRADIO.DE: Was nehmen Sie denn persönlich von diesem ungewöhnlichen Treffen mit dem Papst mit?
Ring-Eifel: Es war ein ambivalentes Gefühl, das er uns zeigen wollte, wie nah er uns und unserer Arbeit ist. Er hat an einer Stelle in seiner Rede die Journalisten als Freunde angesprochen, also auf Italienisch von "Amici" geredet. Diese Stelle hat er dann aber interessanterweise weggelassen, weil ihm das vermutlich selber zu nah war.
Wir müssen als Journalisten, selbst wenn wir kirchennah sind, ja eine innere und sachliche Distanz zu diesem Papst wahren. Wenn das zu eng und zu freundschaftlich wird, tut das der Sache nicht gut. Das war für mich auch ein schwieriger Moment.
Man hat natürlich mit so einem alten, gesundheitlich angeschlagenen Papst auch eine gewisse Nähe, vielleicht sogar ein bisschen Mitleid. Und dann sagt er "betet für mich". Da eine berufliche kühle Distanz zu wahren, fällt dann schon schwer und man hat gemerkt, dass diese Situation auch viele Kollegen emotional durchaus angepackt hat.
Das Interview führte Bernd Hamer.