So überschatteten die Fragen nach Ausrichtung und Führung den "Kleinen Parteitag" und Grundsatzkonvent der Partei am vergangenen Wochenende in Berlin.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja versuchte bei der Auftakt-Pressekonferenz noch beharrlich jede Nachfrage mit dem Hinweis abzubügeln, der CDU gehe es um die Klärung eigener Positionen, nicht um die anderer Parteien.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Denselben Tenor stimmte Friedrich Merz in seiner Grundsatzrede vor dem Bundesausschuss im Berliner Konrad-Adenauer-Haus an.
Und um gleich das Fundament zu klären, erwähnte er zu Beginn mehrfach den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl. Vor genau 50 Jahren habe er die CDU aufgefordert aus eigener Kraft "die Wende in der deutschen Politik" zu erstreiten und nicht auf Schwächen der Regierungskoalition zu warten.
Merz kann sich zugutehalten, die Union als größte politische Kraft inzwischen "stabil auf Platz eins" in Umfragen zu halten. Und er kann auf Siege in den jüngsten Landtagswahlen verweisen.
Doch nach der Wahl ist vor der Wahl. Nun steht Hessen an und richtig virulent wird die Frage im kommenden Jahr wenn in Brandenburg, Sachsen und Thüringen der Urnengang ansteht.
Anbiederung funktioniert nicht
In seiner kämpferischen Rede ging der CDU-Chef nur kurz auf die AfD ein, und vermied es tunlichst, sie beim Namen zu nennen. Als er die Brandmauer auf Bundes- und Landesebene gegenüber "dieser Partei" und dem "rechtsnationalistischen Rand" bekräftigte, gab es anhaltenden Applaus.
Es geht also nicht um eine mögliche Zusammenarbeit, sondern um die richtige Strategie im Kampf gegen die AfD. Dass eine Anbiederungsstrategie das Gegenteil bewirkt, zeigte Hans-Georg Maaßen: Fünf von sechs Wahlkreisen in denen er Wahlkampf betrieb, wählten das Original, die AfD.
In welche Richtung geht es für die CDU?
Der Richtungsstreit bleibt aber weiter offen. Und er macht sich nicht zuletzt am Verhältnis zu Angela Merkel fest. Merz erwähnte sie in seiner Rede nur einmal fast beiläufig, wenn auch positiv. Sein Rezept, eine deutlichere Profilierung – dem Volk auf Maul schauen, ohne ihm populistisch nach dem Mund zu reden.
Das heißt für ihn auch Themen aufgreifen, mit denen die AfD offensichtlich punktet, vom Gendern bis zum Umgang mit Migranten. Dabei verheimlicht Merz nicht die innere Distanz zu Kanzlerschaft Merkel bei Themen wie dem Atomausstieg oder dem Umgang mit Flüchtlingen.
Wüst präsentiert sich als Alternative
Das bietet wiederum dem CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfahlen Hendrik Wüst Raum, sich als Alternative zu positionieren.
Just zum Auftakt des kleinen Parteitags präsentierte er in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" seine Sicht einer CDU der Modernität und Mitte, ganz in der Tradition "von Angela Merkel und Helmut Kohl".
Gerade der Begriff der Mitte, den Merkel-Kritiker als Synonym von Beliebigkeit lesen, soll die CDU für eine breite Volkspartei offenhalten. "Die Schönheit der reinen Lehre sollen andere genießen. Wir machen pragmatische Politik, um die Probleme der Zeit anzugehen", betonte Wüst.
"Der Interessenausgleich gehört so fest zur Identität der CDU wie unser christliches Menschenbild. Wir sind die, die am besten für den gesellschaftlichen Ausgleich sorgen können", so sein Credo.
Für Wüst ist die CDU als "heterogene Volkspartei" ein "Inkubator für politische Entscheidungen, die breite Akzeptanz finden können".
Dies habe ihr über Jahrzehnte hinweg ihre Regierungs- und Mehrheitsfähigkeit gesichert. Mit seinem Beitrag brachte sich der Vertreter der jüngeren Generation unter den CDU-Granden in den Augen vieler Berichterstatter als Kanzlerkandidat der Union ins Spiel.
Unterschiede zwischen Wüst und Bundes-CDU
Wie unterschiedlich hier die Akzente gesetzt werden, zeigte ein Vergleich zwischen den Aussagen von Wüst zur Familie und dem Antrag des Bundesvorstandes der CDU auf dem kleinen Parteitag.
Während der Antrag die Kernfamilien und Elternverantwortung in den Mittelpunkt stellte und Alleinerziehende zwei Mal erwähnte, hob Wüst ganz auf die Kinder ab und betonte fast ergänzend die Bedeutung der "Alleinerziehenden" als Kernklientel der CDU.
Für Wüst sind die Flügel der CDU auch nicht mehr durch konservativ-national, liberal und christsozial abgedeckt: "Bürgerliche Parteien in Europa waren und sind mit einem klaren Kurs der Mitte, der für Ausgleich steht und breite Gruppen auch aus liberalen, sozial eingestellten und ökologisch orientierten Wählermilieus anspricht, überaus erfolgreich."
Das gelte für die Union aus CDU und CSU in Deutschland und weit darüber hinaus.
Spagat einer Volkspartei
Damit sieht sich die CDU erneut in jenem Spagat, der für eine Partei, die sich heute noch als Volkspartei versteht, kaum vermeidbar ist zwischen unterschiedlichen Flügeln, Klientelen und Ansprüchen.
Vertreter dieser Gruppen waren am Tag danach zum Dialog über das neue Grundsatzprogramm eingeladen. Diesem kommt nicht zuletzt die Aufgabe zu, die unterschiedlichen Positionen zu integrieren.
Tatsächliche Integration funktioniert allerdings in der Partei über Personen. In diesem Sinne war wohl auch die Replik von Merz auf Wüsts FAZ-Beitrag zu verstehen: "Ich freue mich über die Veröffentlichungen von Namensbeiträgen (...). Ich hätte nur eine Bitte: Wenn dann noch auf andere verwiesen wird, die ähnlich gute Beiträge geschrieben haben, dann bringt uns das alle voran. Die Erneuerung der CDU ist ein anstrengender Prozess, aber auch ein lohnender".