DOMRADIO.DE: Was ist konkret mit christlichem Nationalismus gemeint?
Klaus Prömpers (Journalist und USA-Experte): Dazu laufen über mehrere Jahre Untersuchung. Das Phänomen kennen wir aus den USA, sehen es aber auch in anderen Ländern. Dahinter stehen verschiedene Bewegungen, die die Trennung von Kirche und Staat, wie sie die US-Verfassung vorsieht, korrigieren wollen. Korrigieren im Sinne eines gottgeweihten Staates, der den christlichen Geboten folgt.
In den USA kommt noch ein Nebenaspekt dazu. Dort wünscht man sich eine homogene, weiße, englischsprachige und gottesfürchtige Gesellschaft, die patriarchalisch organisiert ist. Konkret sichtbar wird das bei Fragen zu den Themen Abtreibung, Migration, der sexuellen Orientierung oder Identität, der Schusswaffengesetzgebung oder dem Thema Armut.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt christlicher Nationalismus in den Vereinigten Staaten?
Prömpers: Die Umfragen zeigen, dass der christliche Nationalismus zugenommen hat. Demnach finden drei von zehn US-Bürger das Konzept gut. Das ist ein Anstieg im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung vor einem Jahr. Besonders groß sind die Zugewinne unter spanischsprachigen Menschen und den weißen Angehörigen evangelikaler Gemeinschaften.
Beispielsweise wurde gefragt, ob die Vereinigten Staaten ein Gottesstaat sein sollen und christliche Grundsätze das Fundament der Gesetzgebung sein sollen. Rund zehn Prozent der 22.000 Befragten stimmten dem voll zu und immerhin weitere zwanzig Prozent sympathisierten mit der Idee.
DOMRADIO.DE: Wo innerhalb der Vereinigten Staaten ist der christliche Nationalismus besonders weit verbreitet?
Prömpers: Der findet sich vor allem sehr stark im Mittleren Westen. Besonders in den Staaten Mississippi und North Dakota. Dort erreichen die Zustimmungswerte zum christlichen Nationalismus Höhen von bis zu 50 Prozent.
Die Anhänger äußerten in der Befragung auch sehr starke Zustimmung zu Donald Trump und den Republikanern, die den christlichen Nationalismus deswegen auch im Wahlkampf einsetzen. Zum Beispiel versprach Trump erst vergangene Woche erneut, dass die USA mit seiner Wahl wieder zu ihren christlichen Wurzeln zurückkehren würden.
DOMRADIO.DE: Gibt es auf die Umfrageergebnisse Reaktionen der Kirchen in den USA?
Prömpers: Nein, es gibt keine unmittelbare Erklärung der US-Bischofskonferenz etwa. Aber es ergibt sich ein Bild, wenn man Erklärungen der Bischöfe zu verschiedenen anderen Themen liest. Zum Beispiel zur Migration oder zum Schusswaffengebrauch. Die US-Bischöfe vertreten dort eine ganz andere Meinung als die "christlichen" Nationalisten.
Einzig gemeinsames Thema ist das unbedingte Nein zur Abtreibung, das die Bischofskonferenz im Herbst des vergangenen Jahres erklärt hat und das sie als Marschrichtung für die Wahlen im November dieses Jahr ausgegeben hat. Allerdings verweisen die US-Bischöfe auch auf andere wichtige Fragen, die ein Christ bei seiner Wahlentscheidung berücksichtigen sollte.
Insgesamt gibt es also eine Vielstimmigkeit, weil nicht alle Katholiken oder Protestanten automatisch christliche Nationalisten wären.
DOMRADIO.DE: Wie stehen die US-Christen zur Migrationsfrage?
Prömpers: Im Grunde gespalten. Es gibt etliche Christen, egal welcher Konfession, die die derzeitige Situation untragbar finden. Demnach kämen zu viele Menschen ins Land. Auf der anderen Seite kümmern sich sehr viele Menschen und auch die Bischöfe engagiert um die Einwanderer und wollen den Menschen helfen.
Zum einen vor Ort in den USA, da die schon im Land sind und amerikanische Staatsbürger werden können. Aber auch in deren Heimatländern in Lateinamerika, indem der Gewalt ein Ende gesetzt wird und gegen die Drogenbanden und -kartelle vorgegangen wird, die teilweise statt der Regierung die Herrschaft ausüben.
Das Interview führte Dagmar Peters.