Das sagte der "Welt"-Chefredakteur dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihn störten vor allem drei Dinge: "die Haltung, das Niveau und das Wiederkäuen von parteipolitischen Positionen". Predigten und kirchliche Stellungnahmen empfindet er nach eigenen Angaben als politisch einseitig: "Ich finde es problematisch, wenn die Evangelische Kirche in Deutschland und Rot-Grün zu einer unzertrennbaren Einheit fusionieren."
Debatte ausgelöst
Poschardt hatte an Heiligabend 2017 getwittert: "Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?" Im Kurznachrichtendienst und darüber hinaus löste dies unter dem Schlagwort "#PoschardtEvangelium" eine Debatte über die politische Nähe insbesondere der evangelischen Kirche zu SPD und Grünen aus.
Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?
— Ulf Poschardt (@ulfposh) 24. Dezember 2017
Poschardt hörte an Heiligabend in Berlin die Predigt des Pfarrers Steffen Reiche, der für die SPD früher Minister in Brandenburg war und im Bundestag saß. Dieser formulierte unter anderem eine scharfe Kritik an US-Präsident Donald Trump.
Reiche sei ein hervorragender Prediger, sagte Poschardt. Weihnachten habe er aber den Politiker gemerkt. "Ich will am Heiligen Abend nicht den Presseclub serviert bekommen", sagte er: "Es roch etwas danach, dass dieser Moment instrumentalisiert wird, um einen politischen Raum auszubreiten." Es gehe darum, "wie selbstverständlich manchmal das Politische und das Theologische zusammengeworfen werden".
Der "Welt"-Chefredakteur ist nach eigenen Worten in enger Verbundenheit mit der Kirche aufgewachsen. Sein Vater habe bei den Methodisten gepredigt. Die Entfremdung sei nach dem Studium gekommen.
Wunsch, dass die Kirche ihn wiedergewinnt
Bei jeder Taufe oder Hochzeit habe er sich über das geärgert, was dort "serviert" worden sei: "Klischees, ranzige Vorurteile, Dämonisierung von Macht und Erfolg, Verklärung des Opfers und Leids, Lustfeindlichkeit", sagte Poschardt:" Da wurde ich wütender und wütender."
Dennoch würde er sich wünschen, wenn ihn die Kirche wiedergewinnt. "Jeder Mensch, der christlich geprägt aufgewachsen ist und das freudvoll erlebt hat, hat eine Sehnsucht, in gewissen Momenten in die Kirche zu gehen", sagte der Journalist. Er sei dankbar für die von ihm angestoßene Debatte.