Am Ende tanzten alle durch das Langhaus Richtung Westportal. Unter den rhythmischen Klängen eines südafrikanischen Songs verließen die Teilnehmer der 15. Lambeth-Konferenz die Kathedrale von Canterbury; beschwingt und leicht, denn sie waren ausgesandt in eine Welt, in der sie keine Angst haben müssen - wie Anglikaner-Primas Justin Welby vorher von der altehrwürdigen Kanzel herab klar machte.
Bischöfe und Bischöfinnen aus 165 Ländern vertreten
Nach zwölf intensiven Programmtagen voller Debatten zu aktuellen Problemen der Welt und der eigenen Kirche, voll Gebet, Bibelarbeit und fröhlichen Feierns ging mit dem Gottesdienst am Sonntag die meist alle zehn Jahre stattfindende Welt-Bischofsversammlung der Anglikanischen Gemeinschaft zu Ende. Dazu waren gut 650 Bischöfe und Bischöfinnen aus 165 Ländern sowie 480 ihrer Ehegatten nach Canterbury gereist. Zum Gottesdienst in der 1.400 Jahre alten Kathedrale fand sich eine lila-bunte Gesellschaft ein, deren Farben einmal mehr von Teilnehmenden aus Afrika, Asien und Lateinamerika geprägt waren. Denn die Mehrheit der rund 77 bis 85 Millionen Anglikaner lebt in den Ländern des Südens.
Vielfältiger Abschlussgottesdienst
Geleitet wurde die Feier von Welby als Erzbischof von Canterbury sowie von Erzbischof Thabo Makgoba aus Südafrika, am Altar standen neben ihnen Erzbischöfin Linda Nicholls aus Kanada, die Lesungen, Fürbitten und liturgischen Texte wurden unter anderem in Japanisch, Französisch, Spanisch und einer im südlichen Afrika gesprochenen Sprache vorgetragen, die Musik changierte zwischen klassischen Chor- und Orgelsätzen bis hin zu fetzigen Rhythmen, die eine aus Teilnehmern der Lambeth-Konferenz zusammengestellte Combo darbot.
Anders als beim Eröffnungsgottesdienst vor einer Woche war die Atmosphäre weniger von zeremonieller Feierlichkeit und großen Gesten als von einer frohen Gelöstheit geprägt - nach Tagen konzentrierter Arbeit und gelegentlicher Anspannung. Die Erleichterung, dass "alles gut ging", war auch Konferenzgastgeber und Hausherr Welby anzumerken.
Bischof Welby predigt für Überwindung von Grenzen
Lächelnd erklomm er zur Predigt die uralte Kanzel, wie immer ausgerüstet mit seinem Tablet-Computer.
Seine Botschaft: Die Christen sollen an der Seite der Schwächsten stehen; für eine Welt, in der Armut und Verteilungsungerechtigkeit, Verfolgung aufgrund von Religion oder Sexualität überwunden werden müssen. Konfessionellen Differenzen müsse dafür ein Ende bereitet werden. "Das Reich Gottes reißt die Grenzen der verschiedenen Denominationen nieder", warb Welby einmal mehr um den gemeinsamen Einsatz der christlichen Kirchen.
Der Erzbischof zitierte dazu, was Kurienkardinal Luis Tagle, einer von zwei hohen Gästen aus dem Vatikan, am Vortag erzählt hatte: Der frühere Erzbischof von Manila berichtete von einem Jungen, dessen T-Shirt er einmal bei einem Jugendcamp signiert hatte. Der Junge lege dies jeden Abend unter sein Kopfkissen, weil er seinen Vater, einen Migrantenarbeiter, seit Jahren nicht gesehen habe; so wisse er aber, dass er eine Familie hat: die Kirche. Und dass sein Vater doch irgendwie bei ihm sei.
Welby teilt persönliches Schicksal
Hier schilderte Welby eine eigene, sehr persönliche Familienerfahrung. 2016 stellte sich heraus, dass nicht der Ehemann seiner Mutter, sondern ein anderer sein Vater war. Eine durchaus verstörende Erkenntnis, die obendrein Folgen für sein Amt hätte haben können. "Kann ich als Illegitimer überhaupt Erzbischof von Canterbury sein, oder ist dann alles, was ich in diesem Amt getan habe, ungültig?", habe er sich gefragt. Zum Glück sei bereits 1952 das kanonische Recht der Kirche von England entsprechend geändert worden, "sonst wären nicht mal die Toten, die ich beerdigt habe, begraben", fügt Welby hinzu. Letztlich habe er bei allem die Gewissheit erhalten, "dass Gott mich wirklich kennt", wer auch immer laut seiner DNA sein Vater sei.
Ermutigende Schlussworte
Seiner großen Gemeinde aus 165 Ländern rief er am Ende zu: "Wenn Ihr jetzt zurück in Eure Heimat reist, habt keine Angst. Gott kommt zu uns, wir müssen ihn nicht suchen." Und: "Gebt die gute Nachricht an die weiter, die in Angst leben."
Nach dem fröhlichen Auszug aus der Kathedrale werden draußen noch jede Menge Gruppenfotos und Selfies gemacht. Denn wahrscheinlich wird man sich erst zur nächsten Lambeth-Konferenz in zehn Jahren wiedersehen.