DOMRADIO.DE: Eine Reise in die Ukraine ist im Moment nicht ungefährlich. Warum war es Ihnen wichtig diese Reise zu unternehmen?
Bischof Bertram Meier (Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Augsburg): Es stimmt, dass die Reise nicht ungefährlich war. Aber ich halte mich da ganz an ein Motto von Papst Johannes Paul II., der oft gesagt hat: "Wer glaubt, hat keine Angst." Deshalb habe ich mich ins Flugzeug und nachher in den Zug gesetzt, um in die Ukraine zu fahren.
Mir ist es ganz, ganz wichtig, mit Menschen zusammenzutreffen, die diesen Krieg erleben und erleiden müssen, aber nicht so sehr, um selber Rezepte zu liefern - die habe ich nicht - sondern die Solidarität der Kirche in Deutschland zum Ausdruck zu bringen, auch Zeichen des Gebetes zu setzen und auf die Zukunft hin in Aussicht zu stellen, dass wir sie nicht alleine lassen, wenn es um den Wiederaufbau geht.
DOMRADIO.DE: Wo hat Sie die Reise hin geführt und welche Eindrücke von den Begegnungen nehmen Sie mit nach Hause?
Meier: Zunächst ging es darum, auch Orte anzuschauen, in denen der Krieg Spuren hinterlassen hat. Wir waren also vorher in Lviv, Lemberg, dann waren wir in Kiew und ganz besonders in Butscha und Irpin. Und da waren wir sprachlos, weil wir gemerkt haben, dass hier der Krieg gewütet hat, dass nicht nur Häuser zerstört worden sind, sondern dass tatsächlich dies keine Fake-News waren, sondern dass unschuldige Zivilisten getötet worden sind, in Massengräbern verscharrt worden sind.
Das ist das eine, was bei uns in der ganzen Delegation tiefen Eindruck gemacht hat: Sprachlosigkeit, Trauer, aber auch das Gebet für die Verstorbenen. Und das zweite sind Begegnungen, die uns ganz besonders mit Vertretern anderer Kirchen zusammenführen. Zunächst mal merken wir, dass Katholischsein bedeutet, römisch-katholisch, aber gleichzeitig griechisch-katholisch, die auch hier in der Ukraine die Mehrheit sind. Und dann auch das Thema Ökumene: Wir werden auch morgen noch zwei hohe Vertreter der jeweiligen orthodoxen Kirche aufsuchen. Ich bin auch schon gespannt, was die uns zu sagen haben. Ich bin aber hier als Bischof weniger der Belehrende, sozuagen nicht der deutsche Professor, sondern ein Lernender und Hörender.
DOMRADIO.DE: Wie können die katholische Kirche, der Papst oder die Vertreter der orthodoxen Kirche den Weg zum Frieden ebnen? Gerade Franziskus wird ja manchmal vorgehalten, er setze sich zu wenig ein.
Meier: Dem Papst Untätigkeit vorzuwerfen, trifft sein Anliegen nicht. Bei fast jeder Generalaudienz und beim Angelus-Gebet am Sonntagmittag prangert Papst Franziskus die kriegerischen Auseinandersetzungen an, und er spricht auch von Aggression. Er muss Brückenbauer sein. Deshalb tut er sich schwer, sich öffentlich auf eine Seite zu schlagen. Denn offene Gespräche sind oft das Gegenteil von öffentlichen Gesprächen.
Was die Ökumene anbelangt: Ich denke, die Kirchen haben hier in der Ukraine eine ganz, ganz wichtige Funktion; nämlich je mehr sie zusammenstehen, umso mehr können sie eine Botschaft hinterlassen, sowohl innerhalb des katholischen Bereichs - griechisch-katholische und römisch-katholische - aber auch hin zur Orthodoxie. Es ist, glaube ich, ganz wichtig, immer wieder daran zu denken, dass selbst in der Situation des Krieges dürfen Gedanken des Friedens nicht außen vor bleiben.
DOMRADIO.DE: Was werden Sie im Nachgang der Reise sich besonders vornehmen? Wie wollen Sie weiterhelfen?
Meier: Das erste, was ich noch intensivieren möchte, ist das Gebet für den Frieden in der Ukraine. Dann bin ich auch fest gewillt, meine Beziehungen, die ich hier knüpfen durfte, aber die ich auch zu ukrainischen Pfarrern, Gemeinden, Christen habe, weiter auszubauen; sowohl auf Ebene der Bischofskonferenz als auch als Bischof von Augsburg. Wir sind eng mit der ukrainischen Exarchie verbunden. Das dritte ist, soweit es die Finanzen erlauben, dass ich auch das eine oder andere Projekt anstoße, dass wir finanziell unterstützen können.