Die Personalakten aus den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren seien unprofessionell geführt worden, sagte der Historiker von der Universität Münster am Dienstag dem Online-Portal kirche-und-leben.de. "Man hat gar nicht den Eindruck, dass das Personalakten sind, sondern das sind zum Teil eher Zusammenstellungen von Informationen über einzelne Priester", erklärte er. Viele Hinweise auf Missbrauch seien nicht abgelegt worden, um solche Dinge von den Priestern fern zu halten.
Seit Oktober untersuchen Großbölting und sein Team Missbrauchsfälle im Bistum Münster zwischen 1945 und 2018. Generalvikar Klaus Winterkamp hatte den Wissenschaftlern direkten Zugang zu allen Archiven sowie zu Personal- und Sachakten zugesichert.
Kaum Sensibilität für die Betroffenen
In seinen Untersuchungen habe er bislang eine Fürsorge des Bistums für die Beschuldigten und Täter festgestellt, sagte der Historiker. Die Personalkonferenz des Bistums habe es den Mitbrüdern ermöglichen wollen, weiter Priester zu sein. "Aber es gibt ganz wenig bis gar keine Sensibilität für die Betroffenen", erklärte Großbölting.
Das Forschungsprojekt, das auf zweieinhalb Jahre angelegt ist, wird von der Diözese mit rund 1,3 Millionen Euro finanziert. Das Bistum habe aber keine Eingriffsmöglichkeiten, erklärte der Studienleiter. Neben der Aktenauswertung sind auch Interviews mit Betroffenen geplant. Ein Beirat mit Vertretern von Universität, Bistum und Betroffenen soll auf die Einhaltung wissenschaftlicher und juristischer Standards achten.
Die deutschen Bischöfe hatten 2018 eine Studie zu sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche veröffentlicht. Sie verzeichnete im Bistum Münster mindestens 450 Betroffene und 138 beschuldigte Kleriker in den Jahren 1946 bis 2014.