DOMRADIO.DE: Was haben Sie gedacht, als Sie das Dokument aus Rom gesehen haben?
Anders Kardinal Arborelius (Bischof von Stockholm): Es ist ganz deutlich, dass der Papst die Evangelisierung und die Armen in den Mittelpunkt stellt. Man muss bedenken, dass es hier mehr um eine pastorale Umkehr geht. Die Gemeinden sind da, um die frohe Botschaft weiterzugeben. Das ist mehr ein geistlicher als ein organisatorischer Prozess. Und das, denke ich, ist sehr wichtig in unseren Umständen, in unserer säkularisierten Gesellschaft, dass die Gemeinden wirklich mehr missionarisch, mehr evangelisierend arbeiten. Und nicht nur für die kleine Gruppe, die ja schon aktiv in den Gemeinden tätig ist.
DOMRADIO.DE: Deutschland stellt ein anderes Thema in den Fokus: Bei uns geht es hauptsächlich um die Fragen der Laien in der Gemeindeleitung und der Zusammenlegung von Pfarreien. Wie sieht das bei Ihnen aus? Warum ist das bei Ihnen nicht so ein großes Thema?
Arborelius: In Schweden sind ja die Umstände ganz anders. Wir haben, muss man sagen, relativ viele Priester. Wir haben eher wenige Laien, die hauptamtlich in den Gemeinden arbeiten. Dagegen haben wir sehr viele ehrenamtliche Laien, die mit dem Priester zusammenarbeiten. Die Arbeit wird also von einem Priester und vielen ehrenamtlichen Laien getragen. Das ist natürlich ein bisschen anders als bei Ihnen in Deutschland, wo sehr viele Laien hauptamtlich eingesetzt werden. Das ist vielleicht der größte Unterschied, würde ich sagen.
DOMRADIO.DE: Aber dann würde man doch denken, dass die Anliegen der Ehrenamtler als Laien auch eine Rolle spielen?
Arborelius: Wir haben nicht diesen Gegensatz zwischen Priestern und Laien. Wir sind sehr froh, dass sich so viele Laien engagieren. Das hängt auch vom Priester ab, aber die Aufgaben in den Gemeinden werden meistens sehr gut verteilt. Und für uns ist das kein großes Problem, dass die Laien nicht die Leitung übernehmen können, sie können oft sehr selbstständig arbeiten in ihrem Fach, Katechese oder karitative Arbeit.
Aber wir denken, dass dieser Aufruf vom Papst wirklich einer zu geistlicher Umkehr ist. Das ist ja sehr deutlich, dass er auch bei der Reform in der Kurie die Evangelisierung zentral gestellt hat. Und Organisation ist weniger wichtig als dieser geistliche Umkehrprozess, würde ich sagen.
DOMRADIO.DE: Was ziehen Sie denn jetzt für Konsequenzen in Ihrem Bistum aus dem Papier? Ist das etwas, das Ihre Arbeit beeinflussen wird?
Arborelius: Natürlich müssen wir nachdenken, wie wir die Gemeinden mehr evangelisieren können. Das ist natürlich die Evangelisierung nach innen, in die Gemeinden, also Erwachsenenkatechese und so weiter, das darf sich aber nicht nur auf die Sakramentsvorbereitung beziehen. Das andere ist die Evangelisierung nach außen, in die Gesellschaft hinein. Schweden ist ein sehr säkulares Land, bis jetzt war die lutherische Kirche überall präsent. Aber das ist nicht mehr so.
Es gibt also für uns eine wichtige Aufgabe, mehr missionarisch, mehr evangelisierend in der säkularen Gesellschaft Schwedens zu wirken. Für viele Gemeinden kann das schwierig sein. Die meisten Katholiken Schwedens kommen aus anderen Ländern, da ist man mitunter ein bisschen ängstlich, um öffentlich für den Glauben aufzutreten. Für uns ist es wohl eine Aufgabe, die Gläubigen davon zu überzeugen, dass sie sich mehr missionarisch einsetzen müssen.
DOMRADIO.DE: Nun sind Sie auch Mitglied der Kleruskongregation im Vatikan. Das ist ja die Kongregation, die dieses Papier veröffentlicht hat. Können Sie denn aus dieser Perspektive noch etwas dazu sagen, was Rom dazu bewegt hat? Haben Sie da einen Einblick?
Arborelius: Eigentlich nicht. Die Sitzung wurde abgesagt. Ich hatte bis jetzt keinen persönlichen Kontakt mit der Kongregation. Ich weiß eigentlich nicht, wie dieses Dokument fertiggestellt wurde.
Aber ich denke, dass vom Papst in der ganzen Kirche diese zwei Hauptpunkte hervorgehoben werden müssen, also Evangelisierung und die Option für die Armen. Und das ist auch in diesem Dokument sehr, sehr deutlich, dass die Kirche mehr von diesem geistigen Umkehrprozess geleitet wird. Und auch, dass die Armen mehr in die Mitte gestellt werden müssen.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.