Dass er dieses Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, erfuhr Ales Bjaljazki offenbar erst Wochen nach Bekanntgabe in Oslo. Seit Juli 2021 hält das belarussische Regime den Menschenrechtler in einem Gefängnis in der Hauptstadt Minsk fest – bislang ohne jeden Prozess.
Auszeichnungen für Organisationen aus Russland und Ukraine
Erst seine Frau Natalja Pintschuk berichtete ihm davon, als sie ihn erstmals dort besuchen durfte: "Die Nachricht kam sehr unerwartet für ihn. Er war glücklich und konnte es nicht fassen", sagte sie. An diesem Samstag nahm Pintschuk im Rathaus von Oslo den Friedensnobelpreis für ihren Mann entgegen.
In Anwesenheit des norwegischen Königs Harald V. bekamen auch zwei Organisationen die hohe Auszeichnung: die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das Zentrum für Bürgerfreiheiten in Kiew.
Bis zu 12 Jahre Gefängnis drohen
Als die belarussiche Regierung 1996 Massenproteste der demokratischen Opposition niederschlug, verschrieb sich Bjaljazki der Unterstützung politisch Verfolgter und gründete das Minsker Menschenrechtszentrum Wjasna (Frühling). Gemeinsam mit seinen Mitstreitern beriet er seither Festgenommene und ihre Angehörigen. Zudem engagiert er sich gegen die Todesstrafe, die in Belarus immer noch vollstreckt wird.
Die Behörden haben das Büro von Wjasna inzwischen geschlossen. Sechs Mitarbeiter sitzen aktuell in Untersuchungshaft. Ihnen wird unter anderem Steuerhinterziehung und Bargeldschmuggel vorgeworfen. Bjaljazki (60) drohen bis zu zwölf Jahre Gefängnis. Die Verteidigung von Demokratieaktivisten wollte er zunächst nicht zum Beruf machen: Nach dem Studium der Literaturwissenschaft promovierte er 1989 mit einer Arbeit zu "Nation und Literatur".
Haftbedingungen sind unklar
Kein Wunder also, dass Bjaljazki eine belarussische Literaturgeschichte des Strafvollzugs schrieb, als ihn das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko bereits von August 2011 bis Juni 2014 ins Gefängnis steckte. Er befasste sich mit Poeten, die schon vor ihm in Minsk hinter Gittern saßen.
Über seine aktuellen Haftbedingungen darf Bjaljazki laut seiner Frau nichts äußern. "Seine Briefe sind steril, denn für ein oder zwei Worte extra kann der Zensor den Brief einfach in den Papierkorb werfen", so Pintschuk. Ihr Mann halte sich trotz allem wacker; aber sein Gesundheitszustand verschlechtere sich offenbar. "Es ist schwer zu sagen, ob die Gefangenen an die frische Luft gebracht werden."
Nur einmal habe er in einem Brief davon berichtet. Im August wurde bekannt, dass Bjaljazki in einem "Sonderkorridor" im Keller festgehalten werde.
Besuch von Vatikanbotschafter
In den 90er Jahren beteiligte sich der Katholik an der Herausgabe Dutzender religiöser Publikationen und übersetzte liturgische Bücher in die Landessprache. Die Zeitschriften "Christlicher Gedanke" und "Glaube" baute Bjaljazki mit auf. Er machte sich dafür stark, dass Gotteshäuser den Kirchen zurückgegeben und christliche Feiertage eingeführt werden. Eine Zeit lang leitete er einen Pfarrausschuss in Minsk.
2012 wurde Bjaljazki vom damaligen Vatikanbotschafter Claudio Gugerotti in der Strafkolonie besucht und im Auftrag von Papst Benedikt XVI. gesegnet. Der Menschenrechtsaktivist notierte dazu in seinen "Gefängnisheften", Gugerotti habe ihn gefragt, was er dem Papst mitteilen solle. "Sagen Sie ihm, dass dies das größte Ereignis in meinem Leben ist. Aufmerksamkeit und Sorge des Papstes um uns", habe er geantwortet. "Hoffen wir, dass seine Fürbitten für die politischen Gefangenen in Belarus Früchte tragen."
Verhältnis zum Papst unklar
Wie der heutige Papst Franziskus zu Bjaljazki steht, lässt sich hingegen nicht klar sagen. Durch den Sondergesandten Gugerotti ließ er Lukaschenko im Dezember 2020 seine Besorgnis über die Lage in dem Land mitteilen. Seither kritisiert der Vatikan die Unterdrückung von Demokratie- und Menschenrechtlern aber kaum in der Öffentlichkeit – laut Wjasna gibt es aktuell 1.438 politische Gefangene.
Kein Wort auch zur dauerhaften Zwangsschließung der sogenannten Roten Kirche, obwohl der katholische Sakralbau zu den Wahrzeichen Minsks zählt. Der aktuelle Papstbotschafter in Belarus, Erzbischof Ante Jozic, ist laut Menschenrechtlern zwar bereit, politische Gefangene zu besuchen. "Aber unter der Bedingung, dass es nicht öffentlich wird", sagt die belarussische Theologin Natallia Vasilevich von der Organisation "Christian Vision for Belarus". Auch mindestens ein Weihbischof kooperiere mit ihnen, aber ebenfalls geheim, weil er dafür bestraft werden könnte.
Wenig Hoffnung auf Besserung
Viele Katholiken in Belarus fühlen sich von Franziskus im Stich gelassen. Er gratulierte Bjaljazki offenbar nicht zum Friedensnobelpreis – was ein Papst wohl ohnehin eher nicht tut. Angesichts der Repressalien übermittelte auch kein Bischof in Belarus Glückwünsche zu der hohen Auszeichnung; staatliche Medien ignorieren sie.
Bjaljazkis Ehefrau bezweifelt, dass das Regime ihren Mann wegen des Preises besser behandeln wird. Durch Bekanntgabe der Anklage Ende November hätten die Behörden klargemacht, dass sich nichts ändere. Dennoch solle die Preisverleihung allen Hoffnung geben, die in Gefängnissen festgehalten werden, meint sie: "Diese Auszeichnung ist ein Zeichen dafür, dass die Belarussen nicht vergessen wurden."