Theologe: Triage nach Alter nur im Extremfall

Wenn der Zeitdruck es nicht erlaube

​Eine Triage allein nach Alter, Vorerkrankungen oder klinischem Allgemeinzustand ist nach Ansicht des Brixener Moraltheologen Martin Lintner nur im Ausnahmefall ethisch zu legitimieren. Alles andere wäre ein "utilitaristischer Dammbruch" an der Würde des Menschen.

Die Hand einer Pflegerin liegt auf dem Handrücken eines Patienten auf der Intensivstation im Cura Krankenhaus Bad Honnef. / ©  Harald Oppitz (KNA)
Die Hand einer Pflegerin liegt auf dem Handrücken eines Patienten auf der Intensivstation im Cura Krankenhaus Bad Honnef. / © Harald Oppitz ( KNA )

Das gelte etwa, wenn der Zeitdruck es nicht erlaube, die wesentlichen Aspekte wie Dringlichkeit und Erfolgsaussicht von intensivmedizinischen Therapien sowie Überlebenschancen angemessen zu überprüfen, schreibt Lintner am Mittwoch in einem Gastbeitrag für das Internetportal "katholisch.de." "Alles andere würde ich für einen 'utilitaristischen Dammbruch' in einem an der Würde und dem Wohl jedes einzelnen Patienten verpflichteten Gesundheitswesen halten."

Dringlichkeit und Erfolgsaussicht

Bei der Triage geht es um die Entscheidung, welcher Patient weiterbehandelt wird, wenn die Ressourcen nicht mehr für alle Notfälle ausreichen. Das gilt in der Corona-Krise etwa für die Zuteilung von Beatmungsplätzen, die nur begrenzt vorhanden sind. Nach den Worten Lintners müsse im Normalfall das Gerechtigkeitsprinzip sowie eine möglichst individualisierte Erstellung einer Prognose gelten. Etwaige Ungleichbehandlungen müssten durch medizinische Kriterien wie Dringlichkeit und Erfolgsaussicht begründet werden. "Eine Diskriminierung bestimmter Alters- und Patientengruppen ist zu vermeiden", so der Moraltheologe.

Ein moralisches Dilemma im Fall von Triage könne aber die Frage darstellen, ob die intensivmedizinische Behandlung eines Patienten mit infauster Prognose - bei der also mit dem Tod zu rechnen ist - abgebrochen werden darf, um einen anderen Patienten mit einer günstigeren Prognose zu behandeln. Dabei hänge die Entscheidung nicht nur davon ab, "was medizinisch besonders dringlich ist, sondern auch davon, bei wem sie therapeutisch nützlicher beziehungsweise erfolgsversprechender sind". Wichtig sei jedoch, "dass Patienten, bei denen unter diesen besonderen Umständen eine intensivmedizinische Behandlung nicht fortgeführt oder nicht begonnen wird, möglichst gut palliativ und seelsorgerisch betreut werden", so Lintner.