Rom kocht. In vielerlei Hinsicht. Seit Tagen steht das Thermometer bei über 30 Grad. Und während Römer und Touristen schwitzen, brodelt es auch an anderer Stelle: Braut sich im Vatikan etwas zusammen? Dieses Mal geht es nicht um Skandale mit oder ohne Finanzen, sondern um das ganz große Gerücht: Plant Papst Franziskus seinen Rücktritt? Geht es ihm gesundheitlich so schlecht, dass er sein Amt nicht mehr ausfüllen kann und will?
Während einige Insider sagen "da könnte etwas dran sein" und gern über Twitter und Co. Öl ins Feuer gießen, weisen andere Vatikanjournalisten das Gerücht als haltlos zurück. "Totaler Schwachsinn", erklärt ein langjähriger Korrespondent auf Nachfrage. Einer habe damit angefangen, und die andere folgten "wie Lemminge".
Doch die Frage bleibt: Woher kommt das Gerücht, und warum gerade jetzt? Mal davon abgesehen, dass der Papst Hörensagen und Gerüchte nicht ausstehen kann. Immer wieder appelliert er an Journalisten, ihre Informationen gut zu prüfen und stets die Wahrheit zu suchen. Nicht jede Nachricht müsse "revolutionär" sein.
Spekulieren auf die Revolution
Ein Rücktritt des Papstes aber gehört in diese Kategorie. Zumal der Vorgänger Benedikt XVI. 2013 in einer revolutionären Entscheidung zurücktrat und weiterhin - hochbetagt - innerhalb der Vatikanmauern lebt. Zwei emeritierte Päpste im Vatikan - das wäre sozusagen die Revolution der Revolution. Wenn das Spekulieren einmal begonnen hat, fällt es vielen offenbar schwer, wieder damit aufzuhören.
Da ist zunächst das sogenannte Sommerloch, in dem Journalisten oft händeringend nach Themen suchen. Da ist die Gesundheit des Papstes.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der 85-Jährige angeschlagen ist. Sein rechtes Knie schmerzt. So sehr, dass er die meisten Termine im Rollstuhl absolviert. Aus dem "launenhaften Knie", wie er es scherzhaft nannte, scheint ein Dauerzustand geworden zu sein. Und auch sonst wirkt er teils müder und weniger präsent als früher. Er kann den Menschen nicht mehr so nahe kommen, sie umarmen und herzen.
Was nicht fehlt, ist Tatendrang - im Gegenteil. Anfang Juli will Franziskus für sechs Tage in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan reisen; Ende Juli soll es nach Kanada gehen. Im September nach Kasachstan. Wie Rückzug und Resignation wirkt das nicht. Er wäre auch nicht der erste Papst, der im Rollstuhl reist; ganz zu schweigen von hochrangigen Politikern. Der Rollstuhl ist nichts anderes als ein Hilfsmittel. Für sehr viele Menschen.
Neue Kardinäle
Und woran entzündet sich das Gerücht noch? An Kardinälen. Nach langem Warten hat Franziskus Ende Juni neue Kardinäle ernannt. 21 an der Zahl, darunter 16 zum Stichtag jünger als 80 und damit stimmberechtigt bei der nächsten Papstwahl. Das ist per se nicht ungewöhnlich. Zumal durch Todesfälle - nicht wenige durch Corona - die Anzahl der päpstlichen Senatoren erheblich geschrumpft war. Doch wider Erwarten soll das sogenannte Konsistorium nicht am Hochfest Peter und Paul, dem klassischen Datum 29. Juni, sondern Ende August stattfinden. Warum?
Vielleicht liegt es schlicht an einem sehr vollen Papstprogramm im Juli. Die Afrika-Reise startet am 2. Juli, direkt nach Peter und Paul. Und nach zwei Jahren Pandemie wollen viele Kardinäle persönlich zum Konsistorium anreisen. Auch das braucht Vorplanung.
Kurienreform
Dann wäre da noch die abgeschlossene Kurienreform als Spekulationsobjekt. Überraschend veröffentlichte Franziskus am 19. März die zu Beginn seiner Amtszeit angekündigte Reform. Viele Elemente hatte er nach und nach bereits eingeführt; andere, etwa die Aufwertung von Laien, kamen neu hinzu. Bis heute, obwohl die Reform seit Pfingsten in Kraft ist, liegen keine Übersetzungen des Dokuments "Praedicate Evangelium" vor. Und das Ganze muss auch noch in eine neue offizielle Kurienordnung und in allen Behörden in eigene Statuten überführt werden.
Abgeschlossen ist das Reformprojekt also noch lange nicht. Nach dem Konsistorium will der Papst sein Werk den Kardinälen zwei Tage lang in Rom erläutert. Kernelement der Reform ist, dass die Kurie mehr im Dienst der Ortskirchen tätig werden soll. Das spielt vor allem bei der Weltsynode eine große Rolle. Diese ist dem Papst ungemein wichtig. Und läuft noch wenigstens bis Ende 2023.
Und für die Spekulanten gibt es ein weiteres Element: Der Besuch in L'Aquila. Der Papst fährt am 28. August, am Tag nach dem Konsistorium, in die Abruzzen-Stadt. Dort nimmt er an der traditionsreichen Ablass-Wallfahrt der "Perdonanza Celestiniana" teil. Die jährlich Ende August stattfindende Pilgerfahrt geht auf Coelestin V. zurück. Der wiederum war der erste Papst, der freiwillig zurücktrat. Und Benedikt XVI. soll - so munkeln einige - schon 2009 in L'Aquila seinen Amtsverzicht beschlossen haben. Er reiste nach dem schweren Erdbeben dorthin, besuchte das Grab von Coelestin V. und legte dort sein Pallium ab, eine Art Stola.
Auf solcher Basis also spekulieren nun einige Vatikanjournalisten, dass auch Franziskus in L'Aquila eine Entscheidung treffen könnte. Wirklich fest steht dabei eigentlich nur eines: Der Papst ist immer gut für Überraschungen.