DOMRADIO.DE: Die Karnevalssession 20/21 könnte komplett ausfallen, was war da Ihre erste Reaktion?
Willibert Pauels (Diakon und Büttenredner): Meine erste Reaktion war: Die können reden, aber ob das Erfolg hat? Das ist die große Frage. Jens Spahn (Bundesgesundheitsminister/CDU, Anm. d. Red) kann natürlich den Karneval nicht absagen. Der Chef des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, hat so schön gesagt: "Man kann einen Weihnachtsmarkt absagen, aber nicht Weihnachten".
Dem Rheinländer ist Karneval mindestens so wichtig wie Weihnachten. Aber trotzdem. Jeder weiß natürlich, was Jens Spahn meint. Und da hat er natürlich auch nicht Unrecht. Wer kann sich einen schunkelnden Saal vorstellen, während Corona immer noch quasi mit im Saal sitzt? Das geht gar nicht. Auf Abstand kann man nicht schunkeln. Unmöglich.
DOMRADIO.DE: Der Straßenkarneval wurde schon mal abgesagt, während des Golfkriegs 1991. In einer Art von Anarchie wurde trotzdem gefeiert. Wird es auf so ein Szenario hinauslaufen, zum Beispiel am 11.11.?
Pauels: Das ist die große Frage. Damals, bei dem abgesagten Karneval im Golfkrieg, befand sich der Brandherd am Golf. Jetzt ist aber für jeden, der seinen Verstand nicht abgegeben hat, der Brandherd nicht am Golf, sondern mitten unter uns. Ich fürchte wirklich, dass, selbst wenn eine offizielle Absage des Straßen- und Kneipenkarnevals stattfindet, sich trotzdem spontan die Menschen den Karneval nicht nehmen lassen. Das ist unmöglich.
Ein Kommentator in der Zeitung hat es auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt: "Im Rheinland kommt das Ignorieren des Rosenmontags dem Fehlen eines Sonnenaufgangs gleich". Das ist unvorstellbar. Nur: Wie soll man das dann kontrollieren? Man müsste ja im Grunde genommen eine ganze Stadt absperren.
Beim Oktoberfest musste man nur die Theresienwiese absperren, und alles war klar. Aber beim Karneval müsste man eine ganze Stadt absperren. Das geht ja gar nicht. Und da muss man gucken, was kommt. Deshalb ist meine große Hoffnung tatsächlich, dass der Warnschuss von Jens Spahn noch viel zu früh war. Ich habe die große Hoffnung, dass noch ein großer Fortschritt stattfindet und dass es doch noch gelingt, dieses wunderbare Fest, was von der Nähe lebt, feiern zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
DOMRADIO.DE: Was ist mit dem Sitzungskarneval? Auf Abstand, ohne Mitsingen und mit kontaktlosem Trockenschunkeln, kann der so stattfinden?
Pauels: Da gibt es natürlich Pläne, aber das ist ein juristisches Problem. Es ist ja nicht nur die Absage einer Freude, sondern da hängen riesige Geldsummen dran. Das muss man einfach wissen. Und wenn etwas offiziell verboten ist, gibt das Rechtssicherheit. Wenn aber alles im Ungefähren gelassen wird, was ist dann beispielsweise mit den schon angemieteten Sälen? Was ist mit den schon vertraglich festgelegten Künstlern, mit den Zeltverleihern und so weiter?
Bei einem klaren Verbot einer Regierung, einer Landesregierung, haben die juristische Sicherheit. Dann kann das eingeklagt werden beziehungsweise man kann dann einen Ersatz einfordern. Das ist ja auch die andere Seite.
Ich bin mal gespannt. Ich weiß natürlich auch nicht, wie es weitergeht und kann nur hoffen, dass Karneval möglich ist. Es gibt Pläne zum Beispiel auch für die LanxessArena. Das ist die größte Halle in Köln. Da könnten tatsächlich mit Abstand 2.300 Leute feiern. Aber ist das Karneval, wenn ich nicht auf Nähe gehen kann?
DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn diese Ungewissheit für die Künstler?
Pauels: Wenn man davon leben muss, dann wird es wirklich katastrophal - auch für die Agenturen und so weiter. Da hängen ganze Wirtschaftszweige dran. Ich, durch mein festes Gehalt in der Kirche, kann den Karneval auch lassen. Aber all meine lieben Kollegen und auch die Karnevalsagenturen, die davon leben, können es eben nicht mal so lassen. Und dann gibt es wirklich katastrophale Zustände.
Das Interview führte Katharina Geiger.