DOMRADIO.DE: Der Münchner Christkindlmarkt wird wegen der angespannten Corona-Lage komplett abgesagt, richtige Entscheidung?
Rainer Maria Schießler (Münchner Stadtpfarrer): Richtig oder falsch, ich möchte keinen politischen Verantwortlichen sagen, ob es jetzt richtig oder falsch ist. Aber alles muss man von verschiedenen Seiten her betrachten und diskutieren. Wir haben ja auch schon andere Modelle gesehen.
Es gibt in München die berühmte Auer Dult, die dreimal im Jahr stattfindet. Das hat funktioniert. Die Fahrgeschäfte, die Buden waren weiter auseinander. Es gab einen separaten Eingang, separaten Ausgang, man ist immer in eine Fließrichtung gegangen.
Wir haben die ganze Fußgängerzone, die wir letztes Jahr eigentlich schon bestücken wollten, die man dafür benutzen könnte. Man muss gar nicht so eng stehen.
Dann wäre vielleicht daran zu denken, dass man auf Alkoholausschank, Glühwein und überhaupt verzichtet und wirklich nur die Buden aufbaut, wo man was kaufen kann. So wie diese Christkindlmärkte immer schon gedacht waren: Die Händler bringen Waren, die man dann besorgen und an Weihnachten verschenken kann.
Es wäre vielleicht mehr Kreativität möglich gewesen, war mein erster Gedanke. Aber natürlich, wir sind alle der Situation verpflichtet. Wir haben eine wahnsinnig hohe Inzidenz in München und wir haben halt leider nicht nur verständnisvolle Mitbürger, also muss man irgendwelche Vorkehrungen treffen. Leider.
DOMRADIO.DE: Begründung ist ja, dass so ein Konzept mit Einlasskontrollen für den Münchner Christkindlmarkt zum Beispiel nicht funktioniert.
Schießler: Ich sage immer wieder: Wer konstruktiv ist, der sucht Lösungen. Und wer nicht will, der hat Gründe. Wer weiß, was gehen würde. Doofes Beispiel: Wenn die Münchner Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof stattfindet, das ist ein Steinwurf hinterm Marienplatz, dann ist auch alles abgesperrt, da geht es wunderbar. Da funktioniert es ja auch.
Warum sollte es jetzt beim Christkindlmarkt nicht gehen?
DOMRADIO.DE: Es trifft vor allem die Standbetreiber, aber für die soll es ja auch finanzielle Unterstützung geben.
Schießler: Ja, das ist ja das Mindeste, oder? Ich meine, das sind Leute, die davon leben. Ich habe es die Tage erlebt, ich war kurz in der Stadt drin. Da hat man gesehen, wie sie ihre Buden aufgebaut haben. Da war überhaupt kein Gedanke, dass man das absagt.
Mit welcher Leidenschaft und Freude die das machen, das war nie mein Job, ich würde nie vier Wochen in so einer Bude stehen, aber die leben das. Ich kenne das aus meiner Wiesn-Zeit. Das ist eine eigene Mentalität. Für die ist das schon ein herber Schlag.
DOMRADIO.DE: Aber private Weihnachtsmärkte mit begrenzter Besucherzahl, die soll es geben dürfen. Kann der eine oder andere vielleicht da noch unterschlüpfen mit einem kleinen Stand?
Schießler: Ja, ich hoffe schon, dass da vielleicht noch ein Plätzchen frei ist. Aber die Privaten, die sind ja anders organisiert. Wir haben es selber bei unserem Martinszug gemerkt. Als Pfarrei konnten wir ihn nicht veranstalten, weil wir keine Kontrolle haben, wie viele Leute kommen.
Ein Kindergarten kann natürlich seinen privaten Martinszug machen und so ist es hier auch. Vielleicht ist dieser Gang zu den privaten Veranstaltungen eine kleine Rettung vor allem für die, die keine großen Reserven haben,
DOMRADIO.DE: Ist das für Sie eine tröstliche Alternative oder ist es eigentlich keine?
Schießler: Es ist eine Alternative. Aber ich wünsche mir natürlich viel mehr - und vor allem, dass wir endlich an das Ende dieser quälenden Zeit kommen. Und dafür setze ich mich ein. Dafür bete ich und dafür rede ich und versuche zu überzeugen und mitzunehmen. Und vielleicht bringt es was.
Das Interview führte Dagmar Peters.