Brandanschlag auf Synagoge in Ulm

"Widerwärtig"

Ein Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm hat Empörung und große Sorge ausgelöst. Die Regierungsspitze Baden-Württembergs nannte den Vorfall am jüdischen Ruhetag Schabbat "niederträchtig" und "widerwärtig".

Autor/in:
Leticia Witte
Vor der Synagoge in Ulm liegen am Holocaustdenkmal Blumen / © Stefan Puchner (dpa)
Vor der Synagoge in Ulm liegen am Holocaustdenkmal Blumen / © Stefan Puchner ( dpa )

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) bezeichnete es als schockierend, wie zunehmend hemmungslos jüdisches Leben in Deutschland attackiert werde. Auch Holocaust-Überlebende äußerten ihre tiefe Sorge. Medienberichten zufolge hielten am Samstagabend etwa 250 Menschen eine Mahnwache vor der Synagoge.

Ein Unbekannter hatte am selben Tag an dem Gebäude eine Flasche mit einer Flüssigkeit auf den Boden entleert und diese angezündet. Ein Zeuge verständigte Feuerwehr und Polizei, der Täter flüchtete. Die Feuerwehr löschte die Flammen wenige Minuten später. Verletzt wurde niemand, eine Fassade und eine Glasscheibe wurden verrußt.

Schutzmaßnahmen hochgefahren

Nach Angaben des Staatsministeriums unterstützt das Landeskriminalamt mit Spezialisten des Staatsschutzes die Ermittlungen. Zudem sei man im Gespräch mit der jüdischen Gemeinde sowie mit Gemeinden im Land. In Ulm seien Schutzmaßnahmen hochgefahren worden. Geprüft werde auch die "Gefährdungsbewertung" für die jüdischen Einrichtungen in Baden-Württemberg.

"Es ist absolut schockierend zu sehen, wie immer unverhohlener und hemmungsloser jüdisches Leben in Deutschland attackiert wird - ausgerechnet am heiligen Schabbat - und diese Angriffe nicht nur weiter zunehmen, sondern auch in immer kürzeren Abständen geschehen", betonten die Rabbiner Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin vom ORD-Vorstand.

"Das Gift des Antisemitismus"

Einzelfälle summierten sich zu einer Stimmung, die nicht zuletzt durch Verschwörungsmythen in der Corona-Pandemie, digitalen Hass sowie "die Präsenz falscher Narrative zum Nahost-Konflikt" spürbar antisemitischer und antiisraelischer geworden sei.

"Wenn wir alle nicht mit Hand, Kopf und Herz dagegen ankämpfen, droht das Gift des Antisemitismus unsere Gesellschaft zu zerfressen", so die Rabbiner. Das schnelle Eingreifen des Zeugen lasse hoffen, "dass bürgerliche Zivilcourage über die Dunkelheit des Antisemitismus siegt und jüdisches Leben in diesem Land schützt".

Heubner und Kretschmann zum Anschlag auf die Synagoge

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte am Samstag: "Mit jedem Anschlag auf jüdische Gebäude und jüdisches Leben wächst die Angst der Überlebenden des Holocaust, dass die Schlacht gegen den aktuellen Antisemitismus in Wirklichkeit längst verloren ist und sie ihren Kindern und Enkelkindern eine Welt hinterlassen, in der auch ein neues Auschwitz möglich sein kann." Er frage sich, ob die Menschen verstanden hätten, dass auch ihre Demokratie "im Strudel dieses antisemitischen Hasses" zerstört werde.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach in einer Mitteilung von einem "niederträchtigen Anschlag". Dieser zeige das "heimtückische Gesicht des Antisemitismus", dem klar und deutlich entgegengetreten werden müsse. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte, Brandsätze gegen Synagogen zu werfen, sei "widerwärtig". Wer versuche, eine Synagoge anzuzünden, den werde die "volle Härte des Rechtsstaates" treffen. Mitte Mai hatte das Land nach der Beschädigung eines Fensters der Mannheimer Synagoge erklärt, dass der Polizeischutz für jüdische Einrichtungen ausgeweitet werde.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema