Am frühen Abend liegt die Bab-Touma-Straße wie verlassen. Die Muslime bereiten sich auf das Fastenbrechen vor, die Christen feiern in den Kirchen die Heilige Messe, den Auftakt zu den Osterfeierlichkeiten.
In diesem Jahr fallen der muslimische Fastenmonat Ramadan und die christlichen Osterfeiern zusammen. Obwohl die Syrer mit nie gekannten wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und viele nicht wissen, was sie am folgenden Tag essen werden, sind keine Spannungen zu spüren.
Kirchen sind mit Lichtern geschmückt
Die Syrer begehen ihre religiösen Feiertage jeweils auf ihre Weise. Zum muslimischen Fastenbrechen finden sich die Armen in den Moscheen ein oder werden von Stiftungen und Hilfsorganisationen versorgt. Die syrischen Christen besuchen am Vorabend von Karfreitag nach der Messe traditionell sieben Kirchen in der Stadt. Fast alle Gotteshäuser haben ihre Tore weit geöffnet.
Auch die orthodoxen Kirchen, die Ostern eine Woche später feiern, sind mit Lichtern und christlichen Symbolen geschmückt. Holzkreuze wurden errichtet und kunstvoll mit gespannten Fäden verziert. "Zur Ehre von Jesus Christus, Rex Gloriae", ist auf eine einfache Pappe geschrieben, die an der Spitze eines hoch aufragenden Kreuzes befestigt ist: "Jesus Christus, der König des Ruhms".
Kirchenbesuch trotz widriger Umstände
Nach und nach füllen sich die Straßen. Die Messen sind vorbei, nun spazieren Familien, Freunde und Verwandte von einer Kirche zur anderen, um an die Orte zu erinnern, an denen Jesus Christus sich in der Woche vor seiner Kreuzigung aufhielt.
Erinnert wird an das Abendmahl mit den Jüngern, an sein Gebet im Garten Gethsemane, einem Olivenhain. Erinnert wird auch an die Hohepriester, die das Todesurteil forderten, an Pontius Pilatus und Herodes und schließlich an Golgatha, wo Christus gekreuzigt wurde.
Auch während des Kriegs haben die syrischen Christen nach Möglichkeit am Abend des Gründonnerstags die sieben Kirchen besucht - trotz widrigster Umstände. Der Hof der griechisch-katholischen Zeitoun-Kirche weist Spuren von Mörsergranaten auf und in der syrisch-orthodoxen Sankt-Georgs-Kirche hat niemand die beiden Bischöfe vergessen, die im April 2013 bei Aleppo entführt wurden. Gregorius Yohanna Ibrahim und Boulos Yazigi sollten über die Freilassung von zwei gleichfalls entführten Priestern verhandeln; bis heute kehrten sie nicht zurück.
Massive Wirtschaftskrise im Land
Jede Familie in Syrien hat Leid zu beklagen. Heute, wo die Waffen in den meisten Landesteilen schweigen, fordert eine massive Wirtschaftskrise – ausgelöst durch westliche Sanktionen und die Kriegsfolgen – hohen Tribut. Im Winter erfroren Obdachlose, nun verhungern Menschen, was es in Syrien seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht gab.
"Früher gehörte zu Ostern, dass die Eltern für sich und die Kinder neue Kleider kauften, um die Ostertage auch nach außen hin festlich zu begehen," sagt Joseph B.. Seit Jahren schon könne sich das niemand mehr leisten. Doch die frohe Osterbotschaft gebe ihm Hoffnung, sagt der armenische Christ, der auf dem Weg durch die sieben Kirchen immer wieder Freunde, Verwandte und Nachbarn begrüßt. Später in der Nacht wird er gemeinsam mit seiner Frau Hala noch einmal durch Kirchen spazieren. Die Begegnungen mit den vielen anderen Menschen gebe ihnen Kraft, sagt er.