Am späten Karnevalssamstag klingelt bei Muriel Kasper das Telefon. Am anderen Ende: eine Kölner Tierklinik, die für eine kleine Chihuahua-Hündin eine lebensrettende Blutspende benötigt. Die 53-Jährige zögert nicht lange und fährt mit ihrem vierjährigen Bernhardiner Teddy in der Nacht zu der Klinik.
Für Teddy war es eine Premiere, für Kasper schon das zweite Mal, dass eines ihrer Tiere einem anderen in einer akuten Notlage das Leben gerettet hat. Seit 2018 – damals noch mit ihrer Bernhardinerhündin Madonna – geht die Lehrerin regelmäßig in eine Tierklinik, damit über die dortige Blutbank für Hunde anderen Tieren bei großem Blutverlust schnell geholfen werden kann. Die Rheinländerin ist zudem als potenzielle Spenderin beim gemeinnützigen Verein "weissepfoten" registriert. In einem Notfall wie an jenem Karnevalswochenende wird dort umgehend ein Spender aus der Nähe gesucht.
Derzeit sind dort 2.575 Tiere registriert, erklärt Achim Holz, der Vorsitzende des Vereins. Etwa 700 davon hätten bislang ihr Blut für Artgenossen gegeben. "Es ist noch nicht vorgekommen, dass wir keinen Spender gefunden haben", freut sich Holz. In der Datenbank sind potenzielle Spender mit Postleitzahl und Telefonnummer gelistet. "Wir schauen dann immer: Wer wohnt am nächsten dran, damit die Spender keinen weiten Weg haben. Aber manchmal fahren sie auch mal 100 Kilometer." Im Idealfall finde die Bluttransfusion binnen zwei Stunden statt.
Länderübergreifende Solidarität
Pro Woche erreichten den Verein fünf bis sieben Nachfragen, sagt Holz, der selbst seine fünf Herdenschutzhunde bei Bedarf zur Blutspende bringt. Die größte Spendenbereitschaft gebe es im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen und in Berlin, weniger in den neuen Bundesländern. Aber auch Menschen in den Niederlanden, Belgien, Österreich, Frankreich und der Schweiz haben sich im Notfall angeboten, anderen Tieren und ihren Haltern zu helfen.
Vor genau 20 Jahren hat Holz diese erste länderübergreifende Blutspenderdatenbank für Hunde ins Leben gerufen - nach einer dramatischen Hilfsaktion via Facebook. Damals benötigte der Hund einer Bekannten nach einem Zeckenbiss eine lebensrettende Bluttransfusion. Am Ende waren drei Spender gefunden - und die Idee zu der Datenbank geboren, "so etwas gab es ja noch nicht".
Dabei kann es immer wieder zu tiermedizinischen Notfällen kommen – durch Vergiftungen, plötzlich auftretende Anämie, hohen Blutverlust nach Autounfällen oder Beißereien. Dann gilt es, für das Tier das passende Blut zu finden.
Jeder Hund kann mal Blut brauchen
"Die meisten Hundehalter beschäftigen sich erst mit dem Thema, wenn der eigene Hund betroffen ist", weiß die Berliner Tiermedizinerin Barbara Kohn. Dabei könne jeder Hund einmal eine Blutspende benötigen. "Wir sind darauf angewiesen, dass Halter mit ihrem gesunden Hund zur Blutspende kommen, damit wir im Notfall Blutkonserven vorrätig haben", sagt die Geschäftsführende Direktorin der Klein- und Heimtierklinik der Freien Universität Berlin. "Wir sind eine der wenigen Einrichtungen, die eine Blutbank haben."
Gerade in der sommerlichen Urlaubszeit gibt es auch bei Hunde-Notfällen Engpässe bei der Blutspende, wie Muriel Kasper von den Besuchen in ihrer Tierklinik weiß. "Die meisten freiwilligen Spender sind dann im Urlaub. Und in dieser Zeit entlaufen auf Rastplätzen auch Hunde, die mitunter angefahren werden."
Für Kasper ist es eine Selbstverständlichkeit, anderen Hunden und ihren Haltern mit der Blutspende zu helfen. "Das Geniale ist, dass sie im absoluten Notfall sogar Blut für eine Katze spenden können." Ihre Madonna sei bei der Prozedur in der Klinik immer entspannt gewesen, "die hat gepennt beim Spenden". Im Gegenzug wurde das Blut der Hündin zuvor in einem großen Blutbild kostenlos untersucht, außerdem habe es eine Tüte mit Leckerchen gegeben. "Weil die Kliniken den Haltern für die Blutspende kein Geld geben dürfen, bekommen die Tierbesitzer meist auch einen Gutschein für Hunde-Physiotherapie oder -Massage."
120 Artgenossen gerettet
Inzwischen hat die Hundehalterin auf dem Portal "dogorama" eine eigene Gruppe gegründet, um ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und weitere Blutspendehunde zu finden. Regelmäßig stellt sie dort vierbeinige "Helden der Blutspende" vor - etwa den englischen Labrador Stumpy, der in seinem Leben mit 30 Spenden rund 120 Artgenossen das Leben gerettet hat.
Ihren Teddy dafür zur Verfügung zu stellen, ist für Kasper keine Frage. "Warum soll ich das nicht machen? Jeder Hund kann einmal dringend Blut benötigen. Und ich wäre auch enttäuscht, wenn mir bei Teddy im Notfall niemand helfen würde."