Aus deutscher Sicht wirkt das Handeln des Papstes fast schon ein bisschen schizophren. Der deutsche Reformdialog Synodaler Weg wird gefühlt konstant aus dem Vatikan kritisiert und abgestraft, teilweise vom Papst höchstpersönlich. Gleichzeitig wendet sich Franziskus im Moment aber auch gegen die Kräfte, die in der Kirche Reformen kritisch sehen.
Der papstkritische Bischof Joseph Strickland aus Texas wurde erst Anfang des Monats von Franziskus aus seinem Amt entfernt. Nun der zweite Paukenschlag: Kardinal Raymond Leo Burke, einer der lautesten Papstkritiker innerhalb des Vatikans, verliert seine römische Wohnung und seine finanziellen Bezüge als Kardinal. Begründung: Seine Aussagen, die die Reformen des Papstes hinterfragen und kritisieren.
Lange Zeit galt Papst Franziskus als sehr nachsichtig gegenüber Kritikern. Unterschiedliche Meinungen schienen für ihn kein Problem zu sein, auch wenn sie aus der direkten Hierarchie im Vatikan kamen. Schaut man aber ein wenig hinter die Kulissen, dann hat Franziskus immer wieder durchgegriffen, wenn es um Kritiker ging.
Die Dubia
Bereits 2016, nachdem im Papstschreiben "Amoris laetitia" die Tür ein wenig für die Segnung wiedervereheirat-geschiedener Paare geöffnet wurde, wendeten sich vier konservative Kardinäle – die sogenannten "Dubia" – in einer Protestnote an den Papst, die dem Pontifex vorwarfen, nicht mehr das wahre katholische Lehramt zu vertreten. In der Kirchensprache Häresie. Ein harter Vorwurf von Kirchenmännern, die bei der Ernennung zum Kardinal geschworen haben den Papst bis aufs Blut zu verteidigen.
Damals gab es vom Papst aber keine große Reaktion und erst recht keine Maßregelung. Sie haben ihre Meinung und ich meine, schien damals die Ansicht des Papstes.
Zu den Kritikern zählte bereits damals – neben den deutschen Kardinälen Joachim Meisner und Walter Brandmüller – auch der amerikanische Kirchenrechtler Raymond Burke. 2008 hatte Papst Benedikt XVI. den Geistlichen aus Wisconsin in die Kurie geholt, um das höchste Kirchengericht zu leiten. Papst Franziskus war aber anscheinend von Anfang an kein Fan.
Bereits 2014 berief der Pontifex Burke wieder ab, erst ein Jahr nach seinem eigenen Amtsantritt. Dem zuvor gegangen waren kritische Anfragen von Burke, was die moraltheologischen Ansichten von Franziskus betraf.
Was macht Gerhard Ludwig Müller?
Ähnlich belief es sich mit dem deutschen Gerhard Ludwig Müller, den Benedikt XVI. noch 2012, in seinem letzten Amtsjahr zum Präfekten der Glaubenskongregation machte. Franziskus selbst ernannte ihn 2013 zum Kardinal.
Aber auch Müller fiel immer wieder durch kritische Anfragen auf und wurde, damals überraschend, 2017 nicht im Amt belassen, und damit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Seitdem zählen beide zu den lautesten Kritikern des Papstes, obwohl sie im Rang des Kardinals eigentlich zur Treue verpflichtet sind und ihre Ruhestandswohnungen direkt am Vatikan bewohnen.
Eigentlich ein Unding, findet der britische Vatikanexperte Christopher Lamb, der sich in seinem Buch "The Outsider" mit der innerkirchlichen Opposition gegen den Papst befasst hat. Im DOMRADIO.DE-Interview sagte er vor kurzem:
"Wenn man als Kardinal einen Papst der Häresie bezichtigt, ist das schon schwierig. Als Kardinal schwört man dem Papst uneingeschränkte Treue. Wenn man den Papst nicht mehr für den Papst hält, sollte man doch eigentlich auch seinen roten Hut abgeben, oder?"
Kritik an der Weltsynode - innen und außen
In den letzten Jahren sind beide Kardinäle, Burke und Müller, vor allem in Interviews und auf sozialen Medien mit ihrer Kritik am Papst laut geworden. Im Juli dieses Jahres hat sich Burke mit vier weiteren konservativen Kardinälen in einem weiteren "Dubia"-Schreiben an den Papst gewandt, diesmal ging es um das Wahlrecht von Laien bei der aktuellen Bischofssynode.
Am Schreiben beteiligt hat sich allerdings nicht Kardinal Müller, der im Vorhinein die Synode auch lautstark kritisiert hatte. Ein wenig überraschend wurde er sogar als Teilnehmer in die Synode berufen.
Warum? Im Saal könne er weniger Schaden anrichten als außerhalb, heißt es hinter vorgehaltener Hand aus römischen Kreisen. Franziskus hat also durchaus Geduld, was seine Kritiker angeht.
Konsequenzen für Strickland
Bei einem hatte die Geduld nun allerdings ein Ende. Der texanische Bischof Joseph Strickland gehört seit Jahren schon zu den schärfsten Kritikern von Franziskus und hat in den sozialen Medien die Legitimität seines Papstamtes in Frage gestellt. Obwohl er länger schon Stimmung gegen den Papst macht, hat er erst Anfang November die Konsequenzen zu spüren bekommen.
Nach einer apostolischen Visitation seines Bistums Tyler in Texas forderte ihn Franziskus zum Rücktritt auf. Strickland lehnte ab – fast schon unerhört für einen Bischof – und wurde deshalb vom Papst offiziell des Amtes enthoben. Ein fast einmaliger Schritt für einen Papst.
Strickland wird allerdings weiter seine Stimme laut machen, vermuten Experten. Sogar zur Herbstvollversammlung der US-Bischöfe in Baltimore ist er angereist, wenn auch die Türen der Beratungen für ihn verschlossen blieben.
"Märtyrer der Traditionalisten"
Die Kritik aus erzkonservativen Kreisen ist nun laut und heftig. Vatikanexperte Christopher Lamb spricht davon, dass versucht wird Strickland zum "Märtyrer der Traditionalisten" zu machen.
Ist Franziskus zu hart vorgegangen? Keineswegs, sagt Lamb: "Wenn sich Strickland unter anderen Päpsten so aufgeführt hätte, wäre er schon lange nicht mehr im Amt."
Eine klare Linie des Papstes gegenüber seinen Kritikern scheint also schwer auszumachen. Die einen werden abgestraft, die anderen sogar in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Das zeigt nur eins: Franziskus zeigt lange Toleranz – endlos ist die aber keineswegs.