Wie die Flughafenseelsorge gestrandeten Urlaubern hilft

Im Chaos den Überblick behalten

Lange Wartezeiten, ausgefallene Flüge, zu wenig Personal. Seit Wochen herrscht Chaos an den Flughäfen. Große Urlaubsträume zerplatzen. Erste Hilfe leistet die Flughafenseelsorge, die ihr Personal extra für die Ferien aufgestockt hat.

Menschen stehen am Flughafen an der Sicherheitskontrolle Schlange / © Christoph Soeder (dpa)
Menschen stehen am Flughafen an der Sicherheitskontrolle Schlange / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Schon in der Woche vor den Schulferien in Nordrhein-Westfalen war es ganz schön voll am Düsseldorfer Flughafen. Wie haben Sie die Situation in dieser Woche erlebt? 

Ute Clevers (Flughafenseelsorge am Airport Düsseldorf): Alle hatten ein bisschen Respekt vor dem Ferienbeginn. Wir haben alle in den letzten Wochen die Berichte gesehen und gelesen und wussten, wie schwierig es ist. Wir haben als Flughafenseelsorge gesehen, dass die Schlangen manchmal so lang sind, dass selbst Passagiere, die alles richtig gemacht haben und vier Stunden vorher da waren, nicht die Garantie hatten, wegfliegen zu können. Das war vom Gefühl her sehr kribbelig.

Zuletzt habe ich aber gemerkt, dass die Firmen reagiert und zusätzliches Personal eingestellt haben. Es sind neue Servicekräfte hier – erkennbar an den gelben Westen – die gut vorbereitet sind, leiten können und erste Informationen an die Passagiere weitergeben können. Und schon wird dieser Aggressionspegel niedriger. Alle sind aufgeregt, aber nicht mehr so "angepitscht". Der Satz "Das werde ich bestimmt nicht schaffen" fällt im Moment nicht. Das macht es leichter, jemanden gut dorthin zu bringen, wo er hin will. 

Flughafenseelsorger Johannes Westerdick und Ute Clevers / © Moschheuser (Flughafenseelsorge Düsseldorf )

DOMRADIO.DE: Zu Ihnen kommen immer die Leute, die mit den Nerven am Ende sind. Was haben diese Menschen für Sorgen? Sind es tatsächlich die ausgefallenen oder verschobenen Flüge? 

Clevers: Mit einem verschobenen oder ausgefallenen Flug fällt vielleicht auch der Traum vom gesamten Jahresurlaub aus. Wir hatten hier eine Familie, die extra mit dem Zug angereist kam. Die sind frühzeitig losgefahren und hatten alles eingeplant. Dann musste der Zug auf der Strecke stoppen, weil Menschen über das Gleis gelaufen sind. Die Familie kam genau in dem Moment hier an, als der Flieger abgehoben ist.

Wenn man sich das ganze Jahr darauf freut und der Sohn seit drei Wochen nur noch von der Rutsche träumt, ist das schon bitter. Wie sage ich dem denn jetzt, dass wir wieder nach Hause fahren?

Das hört sich vielleicht erst mal "nur" so an, als falle der Urlaub halt aus. Aber damit ist unheimlich viel an Freude, Entspannung und Kraft tanken verbunden. Denn die zwei Jahre Corona haben uns alle sehr beschäftigt.

Und diese Hoffnung ist dann weg. Dieses Scheitern auszuhalten, ist für viele Menschen heftig. 

DOMRADIO.DE: Wie können Sie da helfen?

Clevers: Indem wir es einfach mit aushalten. In dem konkreten Fall habe ich mit dem Familienvater nach einer Finanzierungsmöglichkeit gesucht und habe ihn schließlich darin gestärkt seiner Familie zu sagen, dass es hier jetzt nicht weiter geht und man schauen muss, wie man sich die kommenden zwei Wochen zu Hause schön macht.

Ute Clevers

"Ich bin hier nicht zum Missionieren, sondern mein Auftrag ist, im Namen der Kirche für alle Menschen da zu sein."

DOMRADIO.DE: Kriegen die Leute mit, dass Sie was mit Kirche zu tun haben? 

Clevers: Ja, sie kriegen das mit. Spätestens wenn man nachhört bei den Familien, die nicht weiter kommen, stellen diese die Frage, wer wir denn überhaupt sind. Dann erzähle ich, dass wir von der Kirche sind. Zum Ende des Gespräches, geben wir gerne ein Segenswort mit oder wünschen alles Gute oder fragen dann auch noch mal: "Wie ist denn das so bei Ihnen? Haben Sie eine Beziehung zu Gott? Darf ich Ihnen das anbieten?"

Ich bin hier nicht zum Missionieren, sondern mein Auftrag ist, im Namen der Kirche für alle Menschen da zu sein. Dann biete ich das lieber an, als dass ich das einfach drüber stülpe. Ich habe schon den Eindruck, dass viele noch mal neu gucken und sagen: "Ach, das war jetzt gerade jemand von der Kirche, habe ich ganz anders erlebt bisher." Oder aber die Leute freuen sich, dass es wieder so erlebt wurde. Dabei kommt es immer auf das Leben der jeweiligen Menschen an. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, die Leute reagieren in der Regel eher positiv?

Clevers: Ja. Natürlich gibt es auch Leute, die vorbeikommen und einmal ihren gesamten Frust loswerden wollen. Das erleben wir aber selten und das ist dann auch unabhängig von einer Reise.

Es gibt auch ein, zwei Leute, die so im Laufe des Jahres vorbeikommen und sagen, ich möchte noch mal über meinen Glauben reden, ich hatte da eine gute oder eine schlechte Erfahrung. Mehr sind wir aber eigentlich für das niederschwellige Hilfesystem da. Auf den zweiten Blick sind wir eben auch Kirche. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie sich vom Flughafenseelsorgeteam mit Blick auf die Ferienzeit und das, was jetzt auf Sie zukommt, noch mal besonders vorbereitet? 

Clevers: Das haben wir genau wie alle anderen auch mit doppeltem Personal. Sonst sind wir mit ein bis zwei Personen in unseren 3-Stunden-Schichten. Nun sind wir mit zwei bis drei Leuten da.

Uns war auch aus der Erfahrung der letzten Jahre heraus klar, dass gegen 11 Uhr, 12 Uhr die Türen aufgehen, Familien da sind und viele Fragen im Hinterkopf haben: Ist die Spülmaschine wirklich aus? Ist der Hund gut versorgt? Dann stehen sie hier und sehen vor lauter Aufregung gar nicht mehr, wo sie hinmüssen. Dann hilft es schon sehr, wenn jemand freundlich guckt und sagt: "Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg."

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Flughafenseelsorge Düsseldorf

Die Flughafenseelsorge ist ökumenisch von der Evangelischen und der Katholischen Kirche Düsseldorf getragen. In den Seelsorgern finden die Menschen am Airport einen Notanlaufpunkt, sie bieten Unterstützung in seelischen Krisen, z.B. wenn ein Angehöriger während der Reise verstorben ist. Manchmal wird aber auch einfach nur praktische Orientierung benötigt. Das Team der Flughafenseelsorge bietet Halt und Orientierung, hört zu und schenkt den Passagieren Aufmerksamkeit, im manchmal sehr hektischen Flughafenalltag.

Passagierflugzeug am Flughafenvorfeld (shutterstock)
Quelle:
DR