Die Rede ist vom "Holocaust". Wenn am 27. Januar wieder weltweit der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht wird, ist das aus dem Griechischen stammende Wort mit dem Begriff "Holocaust-Gedenktag" allgegenwärtig.
Der Begriff, der sich aus "holos" (vollständig) und "kaustos" (verbrannt) zusammensetzt, ist schon Jahrtausende alt: In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments aus dem Jahr 250 vor Christus bezeichnet "Holocaust" Tieropfer, bei denen die Opfertiere vollständig verbrannt wurden. Ab dem Mittelalter wurde der Begriff auch für Hexenverbrennungen, Massaker, verlustreiche Naturkatastrophen und Massenmorde verwendet. Seit Mitte der 1950er Jahre wurde "Holocaust" in den USA allmählich zum Sammelbegriff für die NS-Judenvernichtung.
Die Fernsehserie
In den allgemeinen Sprachgebrauch ist "Holocaust" aber erst durch die gleichnamige Fernsehserie eingegangen, die im April 1978 zunächst im US-Fernsehen, im Januar 1979 dann auch in Deutschland und vielen anderen Ländern gezeigt wurde. Genau 40 Jahre später wiederholen mehrere Dritte Programme der ARD die US-amerikanische TV-Serie erneut. Der erste der vier Teile läuft am Montag um 22.00 Uhr im NDR und WDR sowie am Mittwoch im SWR.
Die Serie erwies sich als Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte, aber auch als Start der Aufarbeitung der Judenvernichtung im Nationalsozialismus. Eine solche Wirkung hatten sich die Verantwortlichen nicht träumen lassen. Es ging ihnen ums Geschäft: Anfang 1977 hatte der Sender ABC mit seinem Sklaven-Epos "Roots" alle Zuschauerrekorde gebrochen. Konkurrent NBC fahndete nach einem Stoff von ähnlicher Sprengkraft.
Verfolgung und Vernichtung
Millionen Zuschauer zeigten sich von "Holocaust" erschüttert – vor allem in Deutschland. Was Dokumentationen, historische Bücher, Ausstellungen und Theater nicht geschafft hatten, bewirkte eine teils rührselig erzählte Familiengeschichte. Sie markiere "den Beginn der Bereitschaft nun auch eines Massenpublikums, sich mit der NS-Vergangenheit überhaupt auseinanderzusetzen", erklärte der Politologe Peter Reichel.
Der Vierteiler von Marvin Chomsky, in dem Stars wie James Woods und Meryl Streep mitwirkten, erzählt das Schicksal der fiktiven jüdischen Arztfamilie Weiss und führt unterschiedliche Formen der Verfolgung und Vernichtung von Juden vor Augen. Parallel dazu wird die Geschichte des ebenfalls fiktiven Erik Dorf erzählt, der im NS-Regime Karriere macht und die Massenvernichtung organisiert.
Heftige interne Debatten
Die ARD verzichtete nach heftigen internen Debatten auf eine Ausstrahlung im Ersten Programm. Stattdessen wurde die Serie vom 21. bis 26. Januar 1979 in den Dritten Programmen gezeigt. Die Resonanz übertraf alle Erwartungen: Die Einschaltquote stieg beim letzten Teil auf 39 Prozent; zuletzt sahen rund 20 Millionen die Schrecken der Endlösung.
Es gab auch gewalttätigen Protest: Rechtsradikale zerstörten mit Sprengsätzen TV-Übertragungstechnik im Hunsrück und im Münsterland. Hunderttausende Bildschirme blieben dunkel, als das schlimmste Kapitel deutscher Geschichte gezeigt wurde.
"Schindlers Liste" und "Das Leben ist schön"
Es gab auch handwerkliche Kritik wegen ästhetischer Mängel. Alle Facetten der Nazi-Diktatur wurden an einer einzigen Familie sichtbar gemacht. Die melodramatischen Einschübe trugen überdies zur Verharmlosung der Massentötungen bei. Wegen der großen emotionalen Wirkung hatten die Kritiker jedoch einen schweren Stand.
"Holocaust" veränderte das deutsche Fernsehen. Die Vernichtung der Juden galt nun als filmerzählerisch vermittelbar. Auf dieser Basis konnten Werke wie Steven Spielbergs "Schindlers Liste" (1993) oder Roberto Benignis "Das Leben ist schön" (1997) aufbauen.
Auch der Begriff "Holocaust" stand in der Kritik: Insbesondere in der jüdischen Welt wird der Begriff "Schoah" bevorzugt. Er bezeichnet in der Bibel (Jes 10,3 EU) eine von Gott gesandte ausländische Bedrohung des Volkes Israel, übersetzt mit "große Katastrophe", "Untergang" oder "Zerstörung". 1940 erschien "Schoah" im Titel eines Jerusalemer Zeitungsartikels erstmals als Begriff für NS-Massenmorde an Juden in Polen.