Wie divers ist der Heiligenhimmel? Nicht divers genug, findet eine katholische Laieninitiative an der US-amerikanischen Ostküste. Drei historisch schwarze Pfarreien in Baltimore haben sich zusammengeschlossen mit dem klaren Ziel: Wir brauchen endlich schwarze Heilige!
Sie fordern Papst Franziskus auf zu handeln. Für die afroamerikanische katholische Gemeinschaft in den USA gibt es nämlich weder Selige noch Heilige. Immerhin: Für sechs Kandidaten und Kandidatinnen sind formal Seligsprechungsprozesse eröffnet.
Diese Lücke ist für die afroamerikanischen Katholiken umso schmerzlicher, als gerade Papst Johannes Paul II. (1978-2005) während seiner Amtszeit den Gläubigen auf der ganzen Welt regionale und je nach Stand oder Beruf passende Vorbilder anbieten wollte - und eine historisch große Zahl an Heiligen und Seligen kreiert hat.
Offener Brief
In einem Offenen Brief, der seit Ende vergangenen Jahres kursiert und nationale Aufmerksamkeit gefunden hat, bittet die Initiative, Pierre Toussaint (1766?-1853), Henriette DeLille (1813-1862), Augustus Tolton (1854-1897), Julia Greeley (1833?, 1848-1918), Mother Mary Lange (um 1789-1882) und Thea Bowman (1937-1990) direkt zu Heiligen zu erheben, in dem er sein "Santo subito"-Privileg anwendet. Die Initiative bezieht sich auf die ungewöhnlich schnellen Heiligsprechungsprozesse für Mutter Teresa (2016) und Johannes Paul II. (2014), die mit dem jeweiligen päpstlichen Einverständnis durchgeführt wurden.
Sie hebt in dem Brief hervor, dass afroamerikanische Katholiken der Kirche in Sklaverei, Rassentrennung (auch in der Kirche), Armut und der unter den schwarzen US-Amerikanern überproportionalen Masseninhaftierung die Treue hielten, obwohl sie als Mitglieder zweiter Klasse behandelt worden seien. Sie sähen daher in einer Heiligsprechung der sechs Genannten ein Zeichen von Wiedergutmachung und Heilung.
Zudem weisen sie darauf hin, dass der normale Weg zur Selig- oder Heiligsprechung für die afroamerikanische Gemeinschaft offensichtlich nicht funktioniere. Denn während elf weiße US-Amerikaner nun als Selige oder Heilige verehrt werden dürfen, hätten die afroamerikanischen Kandidaten zusammen 714 Jahre nach ihrem Tod warten müssen - bislang ohne Ergebnis. Kurz vor Weihnachten hat die Initiative die ersten 1.000 Unterstützungsbriefe nach Rom geschickt.
Kirche war tief in die Sklaverei verwickelt
Dass es bislang noch keine schwarzen Selige oder Heilige für die afroamerikanische Community in den USA gibt, betrachten sie als Zeichen eines andauernden strukturellen Rassismus in der katholischen Kirche der USA. Tatsächlich hieß es bereits Mitte der 90er Jahre, Pierre Toussaint oder Henriette Delille würden bald seliggesprochen; doch das war nicht der Fall.
Die Kirche war tief in die Sklaverei verwickelt; Priester, Bischöfe und Orden besaßen und handelten mit versklavten Menschen. Auch nach dem Ende der Sklaverei 1865 wurden Katholiken aus der afroamerikanischen Gemeinschaft nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in ihrer Kirche als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Eine erste Änderung trat mit dem Erstarken der Bürgerrechtsbewegung nach 1950 ein. 1958 positionierte sich die US-Bischofskonferenz erstmals deutlich, indem sie Rassismus verurteilte. 1979 folgte das Hirtenschreiben "Brothers and Sisters to us" (Für uns Brüder und Schwestern) und 40 Jahre später, 2019, wurde das Grundsatzschreiben "Open wide our hearts" (Öffnen wir unsere Herzen weit) veröffentlicht.
Die Zahl der Bischöfe afroamerikanischer Herkunft liegt bis heute im unteren zweistelligen Bereich. Am 4. April 2019, dem 51. Jahrestag der Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr., ernannte Papst Franziskus Wilton Gregory zum Erzbischof von Washington DC; im November 2020 machte er ihn zum Kardinal. Damit ist Gregory der erste afroamerikanische Kardinal der USA. Wann wird es den ersten schwarzen Seligen oder die erste schwarze Heilige geben?