Buch von Benediktiner zum Glauben in digitalen Zeiten

Wie ein Mönch im Netz nach dem Geist sucht

​Twitter-Mönch Maurus Runge blickt in seinem Buch "Weht der Geist durch Bits und Bytes?" auf den Glauben und die Kirche im Internet. Es gibt einiges zu entdecken - aber einiges sucht der Benediktiner vergeblich.

Autor/in:
Rainer Nolte
Symbolbild Soziale Medien und Kirche / © Puwadon Sang (shutterstock)
Symbolbild Soziale Medien und Kirche / © Puwadon Sang ( shutterstock )

Wenn ich lange genug an der Flasche reibe, dann wird der helfende Geist schon herauskommen. Auf das Internet übertragen hieße das: Den User nur genug mit Inhalten bombardieren, dann wird er schon zuhören. Aber so einfach ist es nicht, weiß der Benediktiner Maurus Runge. Erst recht nicht bei der Verkündigung der christlichen Botschaft. Der Mönch aus der Abtei Königsmünster in Meschede geht in seinem Buch der titelgebenden Frage nach: "Weht der Geist durch Bits und Bytes?"

Und wo ist der Geist im Netz zu finden? Zum einen überall, wo Hilfe für den Nächsten und soziales Engagement auftauchen, schildert Runge. An Hashtags wie #RefugeesWelcome, #PortesOuvertes oder #verbundenbleibentrotzcorona veranschaulicht er die digitale Nächstenliebe.

Beispiel: #RefugeesWelcome

Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge im Jahr 2015 wurde in den Sozialen Netzwerken teils unter #RefugeesWelcome koordiniert. Unter dem Hashtag habe "sich eine ergreifende Solidarität Bahn gebrochen", so der Mönch. Runge, mitleidender und -feiernder Fan des 1. FC Köln, erklärt seinen Lesern auch anhand von Beispielen aus dem Fußball-Leben, wo der Geist im Netz zappelt: Unter #PortesOuvertes (Offene Türen) boten 2015 Franzosen deutschen Fans ein Quartier an, die Unterschlupf suchten nach den terroristischen Anschlägen am Pariser Stadion, wo die Nationalmannschaften der beiden Länder gegeneinander spielten.

Runge stellt neben diesen gesellschaftlichen Aspekten auch ein im wahrsten Sinne des Wortes "geistliches" Projekt vor: Die #Twomplet - "ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen Twitter und Komplet zusammensetzt und diese beiden recht unterschiedlichen Welten, die moderne der Sozialen Medien und die traditionelle des kirchlichen Stundengebetes, zusammenbringt." Seit Januar 2014 gibt es das allabendliche virtuelle Zusammentreffen.

Drei handyfreie Stunden pro Tag

Trotz anfänglicher Skepsis laufe das ökumenische Projekt bis heute. "Wer an einem Abend den Twomplet-Account übernimmt, leitet das Gebet, das sich entweder am Aufbau der klassischen Komplet orientiert oder auch freier gestaltet werden kann", so Runge. Viele User würden sich pünktlich um 21.00 Uhr an ihrem Schreibtisch eine kleine Gebetsecke einrichten, eine Kerze anzünden, davon ein Foto machen und es auf Twitter posten.

Der Mönch, der sich selbst nach eigenen Angaben täglich drei handyfreie Stunden verordnet, ist der Überzeugung, dass sich die Menschen heute ihre "heiligen Orte" anderswo suchen als früher. "Warum sollte ich nicht im Kino oder vor dem Computerbildschirm beten können, weil mich etwas anrührt, das man durchaus mit der 'Atmosphäre einer Kirche' vergleichen kann?", fragt er. "Wenn der Geist Gottes weht, wo er will, wie es im Johannesevangelium heißt, dann kann er auch auf Twitter wirken." Mittlerweile habe es sogar die erste Hochzeit eines Paares gegeben, das sich durch die #Twomplet kennengelernt habe - "so wenig geisterfüllt kann die Initiative also nicht sein", schließt Runge seine Beweisführung ab.

Vertane Chancen?

Der Pater erklärt mit anschaulichen Beispielen die Wirkungsweise der Sozialen Medien - und blickt kritisch auf das kirchliche Engagement im Netz. Die Kirche müsse ihre angestammten Räume verlassen, "vom hohen Ross der Kanzel heruntersteigen und sich wirklich den Menschen aussetzen", betont er. "Auf Augenhöhe kommunizieren - das ist nicht nur ein Schlagwort, das wird hier zu einer Lebenshaltung, die im Netz überlebenswichtig ist, wenn ich mich nicht in ein selbstgewähltes Ghetto zurückziehen möchte".

So fragt sich der Autor, warum der Papst-Twitter-Account @pontifex mit den über 18 Millionen Followern nicht in den Austausch gehe. Klar sei, dass Franziskus nicht selber antworten könne, "aber warum kann so etwas nicht ein gut ausgestattetes Twitterteam tun, wie es jeder bekannte Politiker oder andere Prominente heute beschäftigt?" Hier würden Chancen vertan, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.

Zum Online-Angebot der Kirchen in der Corona-Zeit bilanziert Runge, dass manches eher gut gemeint als gut gemacht gewesen sei. Aber eine verbreitete Haltung in Social Media sei ihm positiv aufgefallen: "Einfach machen - eine Devise, die ich mir für unsere Kirche häufig auch wünschen würde. Das, was gut ist, wird bleiben."


Quelle:
KNA
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