Wie eine Beratungsstelle Sexarbeitenden hilft

Sorge um Sicherheit von Prostituierten

Um Übergriffe auf Sexarbeitende zu vermeiden, soll Prostitution im geordneten Rahmen stattfinden. Doch seit Corona melden sich immer weniger Prostituierte an. Das spürt auch das kirchliche Hilfsprojekt "Rahab" in Köln.

Autor/in:
Madita Steiner
Symbolbild Prostitution / © Kaspars Grinvalds (shutterstock)
Symbolbild Prostitution / © Kaspars Grinvalds ( shutterstock )

Prostituierte leben gefährlich. In Köln etwa kam es schon zu Übergriffen und sogar zwei Morden. Um die Sicherheit der betroffenen Frauen zu erhöhen, startete der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) das Projekt "Rahab". 

Seit mehr als 20 Jahren betreuen die Mitarbeitenden der "Fachberatungsstelle für Sexarbeiter:innen" den geschützten Straßenstrich an der Geestemünder Straße. Allerdings berichtet die Einrichtung, dass seit der Corona-Pandemie immer weniger Frauen das Hilfsangebot nutzen. Eine Vermutung: Prostitution findet mehr in der Illegalität statt.

Früher habe die Prostitution in Köln viel am Bahnhof stattgefunden, später in anderen Stadtteilen, sagt Anne Rossenbach vom SkF. "Die Frauen fühlten sich beobachtet und gehetzt." In Zusammenarbeit mit der Stadt sei deshalb das Konzept eines betreuten Straßenstrichs entstanden. 

Dort würden die häufig suchtkranken Prostituierten in bereitgestellten Boxen ihre Dienstleistung erbringen. Das sichtgeschützte Gelände dürfen nur sie selbst betreten sowie Freier, Sozialarbeiter, Ordnungsamt und Polizei.

Helfer gehen von mehr illegalen Angeboten aus

Bei einem Erstgespräch vor Aufnahme der Arbeit sprechen die SkF-Mitarbeitenden mit den Frauen über deren Motivation, das Beratungsangebot und technische Vorrichtungen wie das Alarmsystem in den Boxen, sagt "Rahab"-Leiterin Andrea Albert. 

Im Notfall können die Prostituierten einen Knopf drücken und sich in eine angrenzende Scheune flüchten. Im vergangenen Jahr half der Notfall-Knopf demnach siebenmal aus kritischen Situationen. Häufig gehe es dabei um finanzielle Streitigkeiten, so Albert.

"Auf den anderen Kölner Straßenstrichen, in Clubs und Bordellen arbeitet Rahab aufsuchend", erläutert die Leiterin. Die Mitarbeitenden machen mit Flyern auf ihr Angebot aufmerksam. "Die Arbeit braucht Geduld und viel Präsenz", sagt Albert. 

Seit Corona gibt es nun eine noch größere Herausforderung, weil seitdem die sogenannte Anbahnung zunehmend im Internet und privat stattfinde. Die Mitarbeitenden von "Rahab" bieten deshalb den Frauen auch über diese Wege ihre Beratung bei Fragen im Alltag, zur Arbeit und beim Ausstieg an.

Auf eine Verlagerung in die Illegalität verweisen nach Einschätzung von Albert zudem leicht sinkende Beratungszahlen. 2022 hätten 503 Personen das Angebot genutzt. Im Folgejahr sei die Zahl um zehn Prozent gesunken.

Debatte über ein Sexkaufverbot hält an

Dabei soll Sexarbeit mit dem 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz im legalen Rahmen stattfinden. Damals wurde Prostitution als Sittenwidrigkeit abgeschafft. 2017 kam das Prostituiertenschutzgesetz hinzu. Danach müssen sich Prostituierte anmelden und Beratungsgespräche etwa über ihre gesundheitliche Lage wahrnehmen. 

Zählte das Statistische Bundesamt im Vor-Corona-Jahr 2019 noch 40.400 angemeldete Sexarbeitende, sank die Zahl Ende 2023 um rund ein Viertel auf 30.600. Im Gegenzug könnte die Zahl der illegal Tätigen angewachsen sein. Eine Studie des Erotikportals "Erobella" geht von insgesamt 88.800 Prostituierten im Jahr 2023 aus, andere Schätzungen reichen bis zu 400.000.

Viele Politiker sehen in der Entwicklung ein zu hohes Risiko für Ausbeutung und Menschenhandel. Sie diskutieren nun, in Deutschland das sogenannte Nordische Modell einzuführen. Es will Prostitution eindämmen, indem es den Kauf von Sex verbietet. Dabei werden die Freier bestraft und nicht die Sexarbeitenden. 

Zudem werden Ausstiegsangebote geschaffen und bereits Schüler zum Thema aufgeklärt. Auch auf einen aktuellen Vorstoß der Union mit dem Ziel, Prostituierte besser zu schützen, reagierten Verbände und Fachleute am Montag mit geteiltem Echo.

"Jedes Angebot schafft Nachfrage"

In vielen anderen Ländern wurde ein solches Sexkaufverbot bereits eingeführt: zunächst in Schweden, Norwegen und Island, weswegen auch vom Nordischen Modell gesprochen wird. Es gilt zudem in Frankreich, Israel und Irland. Das Europäische Parlament empfahl das Modell jüngst seinen Mitgliedsländern. 

Auch die Traumatherapeutin Ingeborg Kraus ist dafür: "Zu sagen: Prostitution ist freiwillig und verursacht keine Schäden, gehört für mich in die gleiche Kategorie wie zu sagen: Es gibt keinen Klimawandel". Für die Sozialethikerin Elke Mack geht von der liberalen Gesetzgebung ein verheerendes Signal aus: "Jedes legale Angebot schafft sich seine Nachfrage."

Der SkF hat dagegen Vorbehalte gegen das Nordische Modell. Sexarbeit gebe es auch aus freien Stücken; sie hänge nicht automatisch mit Zwang, Ausbeutung und psychischen Problemen zusammen, sagt Rossenbach. Beraterin Albert beobachtet eine vielfältige Motivation der Prostituierten. 

Die einen nutzten Sexarbeit als Möglichkeit, ohne qualifizierte Ausbildung ihren Lebensunterhalt zu sichern. Andere verdienten sich etwas dazu. Das Nordische Modell würde dazu führen, dass Prostituierte weiter in die Illegalität getrieben werden, mehr Gewalt und Ausbeutung erleben und für Hilfen nicht mehr erreichbar seien. Über solche Erfahrungen berichteten jedenfalls Prostituierte aus Ländern, in denen das Nordische Modell gilt.

Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)

Die Gründung des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. Köln geht zurück auf die Initiative zweier Frauen, Agnes Neuhaus in Dortmund und Marie Le Hanne Reichensperger in Köln, die sich unabhängig voneinander um 1899/1900 herum entschlossen, Frauen und Mädchen in Not Hilfe zu leisten.

Sozial-caritatives Leben entsprach zwar durchaus den gesellschaftlichen Moralvorstellungen und dem Frauenbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts, allerdings nicht in der Form, wie es dann von den Frauen dieses Vereins gelebt wurde.

Sozialdienst Katholischer Frauen (DR)
Sozialdienst Katholischer Frauen / ( DR )
Quelle:
KNA