Wie eine Kirche zum historischen Plenarsaal wurde

"Das Kreuz auf der Paulskirche darf nicht entfernt werden"

Am 18. Mai wird der 175. Jahrestag der ersten deutschen Nationalversammlung gefeiert. Doch wie wurde die einst evangelische Paulskirche zum Ort des Demokratiebeginns hierzulande? Und warum trägt sie noch immer ein Kreuz?

Autor/in:
Norbert Demuth
Frankfurter Paulskirche (KNA)
Frankfurter Paulskirche / ( KNA )

Die Frankfurter Paulskirche ist der historische Ort der deutschen Demokratiegeschichte – und ein Beispiel für ein seltenes Zusammenspiel von Kirche und Staat. Am 18. Mai 1848 trat dort erstmals die Nationalversammlung zusammen, das erste gesamtdeutsche Parlament. Damals war die Paulskirche noch eine "richtige" Kirche: Sie war ab 1789 errichtet, nach mehreren Bauunterbrechungen erst 40 Jahre später vollendet, 1833 als evangelisches Gotteshaus geweiht und nach dem Apostel Paulus benannt worden. Bis 1944 war sie die evangelische Hauptkirche der Stadt Frankfurt.

Warum ausgerechnet eine Kirche?

"Eigentlich ist es doch ganz erstaunlich, dass die evangelisch-lutherische Gemeinde Frankfurts einen so zentralen kirchlichen Raum für eine bedeutende politische Versammlung zur Verfügung stellte", sagte Margrit Frölich von der Evangelischen Akademie Frankfurt.

Doch warum eigentlich zog das erste freigewählte deutsche Parlament gerade in die Paulskirche ein? Die schlichte Antwort: weil es in Frankfurt keinen anderen geeigneten Tagungsort für die Deutsche Nationalversammlung gab. "Mit ihren über 2.000 Sitzplätzen bot die Paulskirche einfach den größten Raum", erläuterte Andrea Braunberger-Myers, die heutige Pfarrerin der Frankfurter Sankt Paulsgemeinde, die in der Alten Nikolaikirche ihre Gottesdienste feiert.

"Wiege der deutschen Demokratie"

Doch gab es nicht auch Bedenken der Kirchengemeinde, dass hier eine Gottesdienststätte zweckentfremdet werden könnte? Denn für die Nationalversammlung wurde der Altar mit einem Vorhang überdeckt – und die Orgel darüber mit dem Gemälde einer Germania. Dort, wo der Pfarrer immer den Segen gesprochen hatte, stand nun der Stuhl des Präsidenten der Nationalversammlung. Und die Kanzel wurde zur Rednertribüne, so Braunberger-Myers. Doch der damalige Gemeindevorstand habe historischen Quellen zufolge "sehr zügig" die Anfrage beschieden, den Kirchenraum des prominentesten Frankfurter Kirchengebäudes 1848 zur Verfügung zu stellen.

Die insgesamt 809 Abgeordneten, die in diesem kirchlichen Plenarsaal von Mai 1848 bis Mai 1849 debattierten und verhandelten, arbeiteten nachhaltig: Die erste Volksvertretung für ganz Deutschland verabschiedete eine Reichsverfassung mit "Grundrechten des Deutschen Volkes". Davon wurden die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949 geprägt. Die Paulskirche wurde zur "Wiege der deutschen Demokratie", wie der frühere US-Präsident John F. Kennedy im Juni 1963 bei seinem Frankfurt-Besuch sagte.

Wozu das Kreuz?

Nun steht der 175. Jahrestag der Nationalversammlung bevor. Mit mehr als 100 Veranstaltungen in Hessen wird seit Wochen daran erinnert. Am Donnerstag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt in der Paulskirche die Festrede halten. Anschließend wird das viertägige "Paulskirchenfest" eröffnet.

Ein Gotteshaus ist die Paulskirche zwar nicht mehr – doch warum befindet sich bis heute ein vergoldetes Kreuz auf ihrer Kuppel? Der Grund: Mit dem sogenannten Dotationsvertrag vom 12. Mai 1953 ging die Paulskirche offiziell in die Nutzung der Stadt Frankfurt über. In den Artikeln 3 und 4 des Vertrages heißt es: "Dem Gemeindeverband wird von der Stadt Frankfurt am Main die Zusicherung gegeben, dass nicht nur die historische, sondern auch die religiöse Tradition dieser Kirche gewahrt wird." Und: "Das Kreuz auf der Paulskirche darf nicht entfernt werden."

Kirche soll größere Bedeutung bekommen

Den letzten Sonntagsgottesdienst feierte die Gemeinde in der Paulskirche am 12. März 1944. Wenige Tage später brannte sie bei Bombenangriffen aus. In den Jahren danach wurde sie wieder aufgebaut. Bei ihrer Wiedereröffnung 1948 wurde die Paulskirche als politische Gedenkstätte eingeweiht. Im Erdgeschoss des elliptischen Rundbaus aus Rotsandstein kann man sich eine Dauerausstellung ansehen. Und oben, im Plenarsaal, wurden bislang meist besondere Festakte und Preisverleihungen zelebriert.

Künftig soll die Paulskirche zusammen mit einem in direkter Nähe geplanten "Haus der Demokratie" eine größere gesellschaftspolitische Bedeutung bekommen, wie eine Expertenkommission Ende April in einem an den Bundespräsidenten übergebenen Bericht vorschlug. Sie soll zu einer nationalen "Lernstätte der Demokratie" werden.

Quelle:
KNA