DOMRADIO.DE: Sie kochen und fasten selbst nach den Vorgaben der Hildegard von Bingen. Was fasziniert Sie so an dieser berühmten Ordensfrau aus dem Mittelalter?
Brigitte Pregenzer (Gründerin der Hildegardakademie in Dornbirn in Österreich): Es ist einerseits die Biografie. Die Biographie der Hildegard zeigt eine Frau, die ihren Weg gegangen ist - in ihrer Überzeugung, aber auch klug. Sie hat sich für ihre Ansichten eingesetzt, hat es aber auf eine Art und Weise gemacht, wo sie nicht in den offensichtlichen Kampf gegangen ist. Sie hat sehr wohl irdisch gefordert und hat aber auch diesen göttlichen Segen in Anspruch genommen, wenn man das so formulieren möchte.
Das ist das eine und das hat sie bis ins hohe Alter gemacht. Sie wurde 81 und hat es im Alter von 80 noch auf sich genommen, dass ihr Kloster mit dem Bann belegt wurde, weil sie überzeugt war, dass der Mensch, den sie da begraben hat, es verdient hatte, auf Klostererde zu liegen.
Das andere ist ihre Vielseitigkeit, ihre Zugewandtheit zur Lebensfreude. Für sie war Lebensfreude ein Motor für ein erfülltes Leben. Sie hat auch den Begriff der Frohmache geprägt. Das gibt es eigentlich nur in der Hildegardküche.
Die moderne Ernährungswissenschaft bestätigt es jetzt eigentlich, dass sie mit allem Recht hatte. So sind zum Beispiel Flosamen ein Frohmacher. Wir kennen den Flosamen, den nehmen wir zum Fasten, um die Darmtätigkeit anzuregen. Wir kennen die Gewürze wie Bohnenkraut oder Basilikum oder Galgant, was ganz typisch ist. Das sind Frohmacher-Gewürze.
DOMRADIO.DE: Eine Fastenkur nach Hildegard von Bingen ist keine Diät im klassischen Sinn, sondern viel mehr, weil sie auch eine spirituelle Dimension hat. Inwiefern?
Pregenzer: Genau. Also ich kann jetzt natürlich sagen: Ich mache jetzt Hildegard-Saft-Fasten und alles andere interessiert mich nicht. Aber es wird einfach Tage oder Phasen geben, wo alte Kränkungen auftauchen oder eigene Schwächen oder kleine Unwahrheiten, wo man sich herumgeschummelt hat.
Und wenn man das nach Hildegard mit den Begleitmaßnahmen macht, das heißt mit der Morgenmeditation, mit den Bewegungseinheiten und eben mit ihren Gewürzen, dann werden wir in diese seelischen Bereiche vordringen.
Es geht nicht um die Kilos. Die Kilos purzeln von selber und das ist natürlich wunderbar, wenn man da zwei, drei Kilos verliert. Aber wir werden merken, es geht um innere Prozesse und dadurch werden wir seelisch wieder ein Stückchen heiler. Es geht ums heil werden.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn in der Fastenwoche nach Hildegard gar nichts zu essen?
Pregenzer: Nein, es gibt und wir sollen sogar essen. Das sogenannte Saft-Fasten würde ich jetzt wirklich nicht empfehlen. Ich begleite meine Gruppen und da gibt es morgens Dinkelbrot. Wer nicht gerne kocht, isst einfach dreimal am Tag so viel Dinkelbrot, bis er satt ist oder alternativ dazu mittags und abends Dinkelgrieß-Suppe, die durchaus gewürzt ist mit frischen Krätuern. Es darf schmecken, es soll schmecken. Und wir essen immer bis zu dem Punkt, wo wir das Gefühl haben: Jetzt bin ich satt. Es geht auch ums Beobachten. Warum esse ich immer? Warum immer noch einen Nachschlag? Warum so zwischendurch?
Wichtig sind auch diese kleinen Fastenzeiten zwischen den Mahlzeiten. Das man sich da eben auch im Alltag dran hält, weil es für unseren Verdauungstrakt sehr anstrengend ist, wenn er immer wieder in Aktion treten muss. Wir essen und wenn jemand die ganze Fastenzeit machen möchte, also alle sechs Wochen, dann gibt es die Möglichkeit, auf Dinkel-Obst-Gemüse-Fasten umzusteigen, also vegetarisch. Das eignet sich besonders für Menschen, die mit Fasten schlechte Erfahrungen gemacht haben oder sich so reduziert fühlen. Mit Dinkel-Obst-Gemüse habe ich unendliche Möglichkeiten.
Und was entscheidend und wichtig ist beim Hildegard-Fasten: Normalerweise dauert so eine Fasten-Phase zehn Tage, das heißt zwei Tage abfasten, sechs Tage echtes Fasten mit Brot und Suppe und dann zwei Tage wieder aufbauen. Und in dieser Zeit nehmen wir den Birnbrei. Das ist das Ausleitungsmittel zur Darmreinigung. Der reguliert über den Darm unseren Stoffwechsel und führt sanft ab. Es kommt dann eben nicht zu so rasanten Ergebnissen. Üblicherweise hat man dieses Salzwasser zum Abführen, das machen wir nicht. Das ist viel zu anstrengend.
DOMRADIO.DE: Sie geben in Ihrem Buch, das Sie jetzt als Begleiter herausgegeben haben, für so eine Hildegard-Woche auch Zitate der Heiligen an die Hand. Haben Sie da ein schönes, kurzes Beispiel?
Pregenzer: Das ist so schwierig, weil es so viele schöne Zitate sind. Aber sehr zum Fasten passend finde ich: "Wer sich erlaubter Dinge zu sehr enthält, setzt sich der Gefahr aus, anderer Tugenden überdrüssig zu werden. Denn durch zu viel Enthaltsamkeit nimmt die Begehrlichkeit zu und nicht ab. Und das ist weder gottgemäß noch Gott zuliebe."
Das finde ich jetzt sehr schön, weil beim Fasten darf ich satt werden mit meiner Suppe und mich nicht kasteien oder in das Gefühl von Hunger gehen. Denn dann bin ich im Gefühl vom Mangel und dann komme ich eben nicht an meine seelischen Befindlichkeiten.
Das Interview führte Hilde Regeniter