Schwester Hiltrud Gutjahr ist Ordensfrau in der Benediktinerinnenabtei Sankt Hildegard in Rüdesheim am Rhein. Seit vielen Jahren bietet sie den Kurs "Fasten und Meditieren mit der Heiligen Hildegard" an. Eine ganze Woche stellen sich die Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen der speziellen Fastenmethode, um "zur Freiheit und zur Freude" zu finden, wie Schwester Hiltrud betont. Im Gegensatz zu anderen Fastenformen der heutigen Zeit, wie das Buchinger- oder Säftefasten, geht es für sie beim Hildegardfasten nicht um körperliche Vorteile wie eine Gewichtsabnahme, sondern "um den Menschen. Der Mensch soll in sein Maß kommen und sich immer mehr erkennen."
Frühstück und Meditation
Jeder Fastentag im Benediktinerinnenkloster beginnt mit einem Gottesdienst. Die Teilnahme ist freiwillig, denn an den Fastenkursen nehmen nicht nur Christen teil: "Bei uns ist jeder willkommen. Es können auch Muslime oder evangelische Christen kommen", betont Sr. Hiltrud. Anschließend kommen alle zum Frühstück zusammen. Das startet mit einem Teelöffel Fenchelsamen, der auf nüchternen Magen gekaut wird. Dazu gibt es einen Fencheltee oder Dinkelkaffee und wer möchte, darf eine Scheibe Dinkelbrot essen.

Im Anschluss kommen alle zu einer Meditation zusammen, bei der ein Text von Hildegard von Bingen gelesen wird. Hierbei geht es aber vor allem um die Körperwahrnehmung. "Der Atem ist ganz wichtig und dann die Sehnsucht der Seele", erklärt Schwester Hiltrud.
Dinkelschrotsuppe und Leberwickel
Bis zur Mittagshore beschäftigt sich die Gruppe schließlich weiter mit Visionstexten der Heiligen Hildegard, also den Botschaften Gottes an Hildegard. "Der Geist braucht seine Nahrung, damit wir nicht ständig ans Essen denken", sagt Schwester Hiltrud. Nach der Mittagshore um 12.00 Uhr gibt es eine Dinkelschrotsuppe. "Da ist etwas Gemüse drin, natürlich ohne Fett und Fleisch. Spezielles Gemüse: Fenchel, Karotten, Sellerie, gewürzt natürlich mit Salz und mit den Gewürzen der Heiligen Hildegard: mit Galgant, Bertram, Kubebenpfeffer und Quendel", beschreibt sie. "Es geht beim Hildegardfasten nicht um Hungern. Im Gegenteil, es geht um eine richtige Ernährung."
Nach dem Mittagessen sollen die Fastenkursteilnehmer und Teilnehmerinnen einen Leberwickel anlegen, denn die Leber ist ein zentrales Organ, wenn es um die Entgiftung gehe, so die Schwester. Hiltrud. Nach einer Mittagsruhe gibt es dann die Möglichkeit für einen Spaziergang. Bewegung sei ein wichtiger Bestandteil des Fastens nach Hildegard von Bingen, da es auch den Kreislauf unterstütze. Um 15.30 Uhr kommen alle zu einem Fencheltee mit Zimt und Honig zusammen. Sie regen "den Kreislauf an, schmecken auch gut und heitern das Gemüt auf. Es geht auch darum, dass wir auch froh dabei sind", sagt Schwester Hiltrud.
Nach der Vesper um 17.30 Uhr gibt es um 18.00 Uhr wieder eine Dinkelgrießsuppe und für diejenigen, die möchten, auch eine Dinkelbrotscheibe. Neben Fencheltee können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zum Abend auch warmen Apfelsaft trinken. Danach kommen alle wieder zu einer Meditation zusammen.
Die richtige Vorbereitung
Ganz ohne Vorbereitung kann niemand in die Fastenwoche starten. "Wichtig ist, dass vor dem Fasten und nach dem Fasten keine Fleisch- und Käsespeisen genommen werden. Zwei, drei Tage vor dem Fasten wenig Fett und nichts Gebratenes, Rohes nur als Salat, und dann ist es wichtig, keinen Bohnenkaffee, keinen Schwarztee zu trinken. Wir bereiten quasi den Darm vor", erklärt Schwester Hiltrud. Am Ende der Fastenwoche gibt es natürlich ein Fastenbrechen, bei dem die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wieder langsam an das Essen herangeführt werden.
Der Mensch als Geschöpf Gottes
Schwester Hiltrud betont immer wieder, dass es beim Fasten nicht um das Hungern, sondern um das richtige Maß gehe und auch um die richtige Selbstwahrnehmung: "Mir ist es sowieso ein Herzensanliegen, dass die Menschen wiedererkennen, wer sie sind. Wer bin ich? Geschöpf Gottes. Und als Geschöpf Gottes bin ich von Natur aus mit Gott verbunden, allein durch die Luft, den Atem. Und wir sind von der Gegenwart Gottes umhüllt" Durch das Fasten soll diese Verbindung des Menschen als "Leib-Seele-Einheit" wieder spürbar werden. Das führe schließlich zu Lebenskraft und Lebensfreude und für viele auch zu einer verstärkten Selbstwahrnehmung als Geschöpf Gottes.
Wer in das Fasten der Hildegard von Bingen mal reinschnuppern möchte, kann auch erstmal einen Tag nach den Vorgaben ausprobieren. Viel effektiver sei jedoch eine geführte Fastenwoche, in der man sich voll und ganz auf sich konzentrieren könne, so Schwester Hiltrud.