KNA: Frau Ames, die internationale Geberkonferenz für den Kongo am vergangenen Freitag in Genf endete nach Ansicht vieler Beobachter mit einem eher ernüchternden Ergebnis. Teilen Sie diese Einschätzung?
Gesine Ames (Afrikawissenschaftlerin und Koordinatorin vom Ökumenischen Netz Zentralafrika in Berlin): Die nackten Zahlen legen das zumindest nahe. Mit rund 528 Millionen US-Dollar kam nicht einmal ein Viertel der ursprünglich veranschlagten Summe für die humanitäre Hilfe zusammen. Aber trotzdem ging von dem Treffen ein wichtiges Signal aus.
KNA: Welches?
Ames: Vertreter aus Europa, den USA und Afrika scheinen erkannt zu haben, dass der Kongo in einer dramatischen humanitären Krise steckt und sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen - nachdem die Vereinten Nationen noch im vergangenen Jahr die Mittel drastisch gekürzt hatten.
KNA: Inzwischen sind 13 Millionen Kongolesen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das ist fast jeder sechste Einwohner des Landes - da dürften die Zusagen aus Genf schnell aufgebraucht sein.
Ames: Deswegen hoffe ich auch, dass es Optionen gibt, diese Hilfen aufzustocken. Aber Geld allein wird die Probleme nicht lösen.
KNA: Sondern?
Ames: Die Staatengemeinschaft muss ihren Druck auf die Regierung von Joseph Kabila erhöhen. Das hat sie in Genf leider versäumt.
KNA: Kabila und seine Getreuen haben die Geberkonferenz boykottiert - und sie als Eingriff in die nationale Souveränität bezeichnet.
Ames: Die Regierung verhält sich unglaublich zynisch und arrogant. Man muss wissen, dass die Initiative zu der Geberkonferenz von dem kongolesischen Politiker und Ex-Premierminister Samy Badibanga ausging. Wie man daraus einen Eingriff in die nationale Souveränität konstruieren kann, ist mir völlig unbegreiflich. Zum anderen operiert die Regierung mit Zahlen, die 20 mal unter Statistiken liegen, die unabhängige Experten zur humanitären Lage im Kongo vorgelegt haben. Krisen und Konflikte tut man als einzelne terroristische Akte ab.
KNA: Wieviel Rückhalt hat Kabila noch in der Bevölkerung?
Ames: Wie lange das gut geht, vermag derzeit niemand zu sagen. Das Land steht am Abgrund, doch die Regierung weigert sich, jede Verantwortung zu übernehmen und erhöht stattdessen den Druck auf Oppositionelle und Vertreter der Zivilgesellschaft.
KNA: Welche Rolle spielt die katholische Kirche, die im Kongo als moralische Instanz gilt?
Ames: Auch sie leidet unter staatlichen Schikanen und Verfolgung. Erst Anfang des Monats sorgte der Mord an einem Geistlichen in der Unruhe-Provinz Nord-Kivu für Schlagzeilen. Wer dahinter steckt, wird vermutlich wie so oft nicht aufgeklärt. Führende Vertreter des Komitees katholischer Laien im Kongo CLC ...
KNA: ..., die in den vergangenen Monaten immer wieder Protestmärsche gegen Kabila organisierten, ...
Ames: ... sind untergetaucht und leben versteckt an unbekannten Orten.
KNA: Die Kirche ist bisher als Mittlerin aufgetreten. Müsste sie einen robusteren Kurs einschlagen?
Ames: Wenn man noch irgendeine Aussicht auf Verständigung haben will, sollte man die Tür wenigstens einen Spaltbreit offen lassen. Für einen echten Strategiewechsel fehlt ohnehin der Spielraum. Wichtig ist, dass die Kirche weiter ihre Stimme erheben kann und wenigstens die schlimmsten Missstände anprangert. Als ein ermutigendes Zeichen bewerten Beobachter, dass auch die größte protestantische Kirche im Land, die Eglise du Christ au Congo, den Aufruf zur Geberkonferenz unterstützt hat. Je mehr Institutionen auf die Not der Menschen aufmerksam machen, desto besser ist das.
KNA: Ende dieses Jahres sollen die bereits zweimal aufgeschobenen Wahlen für die Nachfolge von Kabila stattfinden. Ein bizarrer Streit zeichnet sich um die Wahlmaschinen ab, die bei dem Urnengang zum Einsatz kommen sollen.
Ames: Ein Symbol für den ganzen Wahlprozess, den die Regierung immer wieder verzögert und behindert.
KNA: Wo genau liegt das Problem?
Ames: Die nationale Wahlkommission CENI überlegt, solche Geräte von einem südkoreanischen Hersteller anzuschaffen - angeblich, um einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu sichern. Aber es ist völlig unklar, ob die Maschinen rechtzeitig geliefert werden und ob sie in einem Land wie dem Kongo mit schwacher technischer Infrastruktur überhaupt zum Einsatz kommen können.
KNA: Wie wäre es mit einem Test?
Ames: Vor einigen Wochen wurden einige Geräte im Parlament in der Hauptstadt Kinshasa vorgestellt. Da haben sie nicht funktioniert. Im Kongo ist "Wahlmaschine" schon jetzt das Unwort des Jahres.
Das Interview führte Joachim Heinz.