DOMRADIO.DE: An diesem Freitag haben Tausende Fans und die Familie Abschied von Franz Beckenbauer genommen. Als Katholik wurde er vor einigen Tagen schon kirchlich beerdigt. Nun gab es diese öffentliche Trauerfeier im Fußball-Stadion, in der Münchner Allianz-Arena. Viel Prominenz war da, es gab ein Gebet von Kardinal Marx am Ende, der sogar Grüße vom Papst ausrichtete. Eine Trauerfeier ausgerechnet in einem Fußballstadion – welchen Eindruck haben Sie von dieser Gedenkfeier?
Dr. Marius Linnenborn (Liturgiewissenschaftler und Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier): Die Gedenkfeier wirkte gut vorbereitet, man hat sich wohl viele Gedanken um die Gestaltung gemacht.
Ich hatte den Eindruck, dass die Menschen im Stadion sich gut mitgenommen fühlten, wahrscheinlich auch die Zuschauerinnen und Zuschauer über die Medien. Gemeinsame Erinnerungen der deutschen Fußballnation kamen in Worten und Bildern vor. Die Redner brachten auch Erinnerungen von persönlichen Begegnungen und freundschaftlicher Verbundenheit mit ein. So waren auch alle, die Franz Beckenbauer nur über das Fernsehen erlebt hatten, ganz nah an dem Verstorbenen dran.
DOMRADIO.DE: Bundespräsident und Bundeskanzler waren da, es gab Reden und Musik. War der Rahmen in einem Fußballstadion angemessen, konnten die Menschen tatsächlich in einer großen Gemeinschaft Abschied nehmen von Franz Beckenbauer?
Linnenborn: Es gibt ja immer wieder auch große Gottesdienste in Stadien, bei Katholikentagen, Weltjugendtagen und Papstbesuchen. In einem so großen Rahmen etwas anderes zu tun als ein Fußballspiel, ein anderes Sportereignis oder ein Popkonzert mitzuverfolgen, bringt natürlich besondere Herausforderungen mit sich.
Es scheint hier recht einfühlsam gelungen zu sein, in diesem großen Rahmen eine konzentrierte Feier zu gestalten. Soweit ich es am Fernsehen mitverfolgen konnte, waren die Menschen, die im Stadion an der Trauerfeier teilnahmen, bewegt und berührt. Dazu trugen sicher die persönlichen Erinnerungen der Redner – übrigens waren alle Akteure Männer – und die eingespielten Filmsequenzen bei und auch die Gesangsvorträge des Opernstars Jonas Kaufmann.
DOMRADIO.DE: Wie ähnlich oder unähnlich war diese Veranstaltung im Vergleich zu einer katholischen Totenmesse mit Beerdigung, was hat z. B. gefehlt?
Linnenborn: Es handelte sich ja hier um die weltliche Gedenkfeier, der Gottesdienst und die kirchliche Beisetzung fanden schon einige Tage vorher statt. Aber es gab tatsächlich einige Elemente, die einem Gottesdienst ähnelten, etwa der Einzug der sportlichen Weggefährten Beckenbauers, begleitet vom Gesang des Solisten.
Gemeinsamen Gesang, der selbstverständlich zu einem Gottesdienst gehört, gab es aber nicht – im Gegensatz zu Fußballspielen, bei denen ja oft auch Fangesänge angestimmt werden. Schließlich kann gemeinsames Singen eine große Gemeinschaft zusammenbinden wie kaum ein anderes gemeinsames Tun.
Die Verkündigung einer biblischen Schriftlesung, die ja zentral zu jedem christlichen Gottesdienst gehört, kam natürlich nicht vor. Gott wurde, wenn ich es richtig behalten habe, zuerst durch den bayerischen Ministerpräsidenten ins Spiel gebracht: "Gott schütze Franz".
Dass dann mit dem Gebet und Segen durch Kardinal Marx sogar auch ein explizit religiöses, ja liturgisches Element vorkam, hatte ich nicht erwartet, muss ich gestehen. Der Kardinal sprach das Gebet frei, mit eindrücklichen Worten, kam dabei aber auch ein bisschen aus dem Duktus der an Gott gerichteten Gebetssprache heraus. Das zeigt, wie anspruchsvoll freies liturgisches Beten ist. Mit dem abschließenden Segen band er es dann wieder liturgisch zusammen.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen haben den Bezug zur Kirche verloren, freie Trauerredner bieten Alternativen an. Haben Sie bei dieser säkularen Trauerfeier Elemente gesehen, die auch eine katholische Beerdigung aufwerten oder bereichern könnten?
Linnenborn: Diejenigen, die im Stadion sprachen, taten es aus persönlicher Verbundenheit und zumeist eigener emotionaler Betroffenheit. Das wird natürlich bei denen, die zur Leitung kirchlicher Beisetzungen beauftragt sind, zumeist nicht der Fall sein.
Häufig kennen sie die Verstorbenen gar nicht und sind auf die Erzählung der Angehörigen angewiesen. Dennoch müssen sie immer innerlich ganz dabei sein und nicht routiniert etwas abzuspulen, auch wenn natürlich die äußere Form vorgegeben ist.
Bei Gottesdiensten für Verstorbene ist aber der Rückblick auf das Leben des Verstorbenen ja auch gar nicht das Vorrangige. Im Zentrum steht die Verkündigung der Auferstehungshoffnung und der Blick auf das größere Leben, das uns im Glauben von Jesus Christus verheißen ist. Das schenkt uns in der Trauer Trost und Zuversicht und stärkt uns für den weiteren Weg, bei dem der verstorbene Mensch fehlt. Das ist gerade der Mehrwert, den ein christlicher Gottesdienst angesichts des Todes eines Menschen gegenüber einer freien Trauerfeier hat.
Die Verantwortlichen in München spürten offenbar, dass ohne die Worte von Kardinal Marx etwas gefehlt hätte. Vielleicht regt das an, über den Wert der christlichen Formen von Trauer und Begräbnis und über das persönliche wie gemeinschaftliche Beten für Verstorbene wieder einmal nachzudenken.
Das Interview führte Mathias Peter.