Wie gut ist das Gotteslob nach 10 Jahren angenommen worden?

Vertraut und doch noch neu

An diesem ersten Adventswochenende jährt sich die Einführung des neuen Gebets- und Gesangbuches "Gotteslob" zum zehnten Mal. Wie hat es sich seit 2013 bewährt und wie schwierig war es, ein neues Gotteslob zu entwickeln? Eine Bilanz.

Schon seit 10 Jahren im Dienst: das Gebet- und Gesangbuch Gotteslob / © phaustov (shutterstock)
Schon seit 10 Jahren im Dienst: das Gebet- und Gesangbuch Gotteslob / © phaustov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zum Ersten Adventssonntag 2013 wurde das neue Gotteslob in den Gemeinden eingeführt - nicht in allen Bistümern, aber doch in vielen. Jetzt, zehn Jahre später, wie gut oder weniger gut ist das neue Gesangbuch angenommen worden?

Prof. Richard Mailänder (Kölner Erzdiözesankirchenmusikdirektor und Leiter der Arbeitsgruppe I "Strophische Lieder" im Rahmen der Erstellung des neuen Gebet- und Gesangbuchs Gotteslob): Das ist zweifellos subjektiv, ich erhalte natürlich auch nicht alle Rückmeldungen. Aber in der Summe scheint es sehr gut angenommen worden zu sein.

Gesangbücher in der Kirche / © Elisabeth Rahe (KNA)
Gesangbücher in der Kirche / © Elisabeth Rahe ( KNA )

Sowohl die Besprechungen in den Zeitschriften der damaligen Zeit wie auch Reaktionen aus den Gemeinden zeigen, dass eine gute Auswahl getroffen worden ist. Zweifellos bleiben immer Wünsche offen. Aber auffallend ist zum Beispiel, dass ich vielfach höre, dass man für Erstkommunionfeiern, Firmungen und so weiter keine Extrahefte mehr machen muss, sondern man kann vieles aus dem Gotteslob entnehmen. Das heißt, bei solchen Gottesdiensten kann man allein mit dem Buch auskommen.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich über zehn Jahre intensiv mit der Erstellung des neuen Gesangbuches auseinandergesetzt. Was ist denn für Sie heute der Hauptunterschied zwischen dem Gotteslob von 1975 und dem Nachfolger von 2013?

Mailänder: Zunächst mal ist der Gebetsteil stark überarbeitet worden. Da stecken aber nicht die Emotionen der Gläubigen drin. Die Emotionen sind in der Regel in den Gesängen, insbesondere in den Liedern, mit denen ich ja viel mehr zu tun hatte.

Richard Mailänder

"Wir sind im Vergleich zum früheren Gotteslob deutlich internationaler geworden."

Wir sind im Vergleich zum früheren Gotteslob deutlich internationaler geworden. Wir haben mehr verschiedenartige Texte, wir haben zahlreiche Melodien aus dem englischen, skandinavischen, amerikanischen, kanadischen Raum übernommen, auch aus Osteuropa. Es sind zahlreiche neue Autoren darin enthalten, auch neue Themen sind dabei, wie zum Beispiel das Schlusskapitel "Die himmlische Stadt" und andere Themen, die vorher nicht im Gotteslob von 1975 enthalten waren.

DOMRADIO.DE: Das sind eben emotionale Dinge, wie Sie das gerade schon gesagt haben. Die Liedauswahl ist sicher schwierig gewesen. Wie kompliziert war es denn? Wurde dann auch in der Arbeitsgruppe hart gerungen um einige Lieder?

Erzdiözesankirchenmusikdirektor Richard Mailänder / © Beatrice Tomasetti (DR)
Erzdiözesankirchenmusikdirektor Richard Mailänder / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Mailänder: Oja! Das war in der Tat ziemlich spannend. Wir waren acht Mitglieder, vier Österreicher, vier Deutsche. Und es könnte sein, dass ein oder zwei Mitglieder dann bei einer Sitzung gefehlt haben. Wir haben über Lieder entschieden und dann wurde in der nächsten Sitzung nachgefragt: Wo ist das Lied geblieben? Und dann ging es von vorne los.

Es gab manche Lieder, bei denen wir sechs, sieben Mal darüber sprechen mussten, bis wir uns endlich geeinigt hatten, ob sie hineinkommen oder nicht. Außerdem: Wir hatten eine erste Auswahl getroffen von Liedern, die in das neue Buch hinein sollten - das waren über 550.

Blättern im neuen Gotteslob / © Harald Oppitz (KNA)
Blättern im neuen Gotteslob / © Harald Oppitz ( KNA )

Da wurde uns dann von der Unterkommission der Bischofskonferenz beschieden, dass mehr als 300 Lieder insgesamt nicht gehen. Also mussten wir das Ganze auf 300 Lieder noch einmal zusammenkürzen, was sehr schmerzhaft war. Dann kamen trotzdem immer noch neue Lieder hinzu und wir mussten die Liedauswahl erneut ändern. Also: Es ist manches Lied ins neue Gotteslob gekommen, das zweifellos gut ist, aber auch manche Lieder, die wir gerne noch drin gehabt hätten, leider nicht. So war das!

DOMRADIO.DE: Sie sprechen die neuen Lieder an, die teilweise noch unbekannt waren. Deswegen gab es dann zur Einführung zahlreiche Initiativen, damit die Gemeinden die neuen Lieder auch wirklich lernen. Wie ist jetzt Ihr Eindruck? Singen die Gemeinden heute andere Lieder als noch vor zehn Jahren?

Mailänder: Ja, schon, aber die neuen Lieder sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Es gibt immer wieder Lieder, die sind noch recht unbekannt. Das habe ich gerade in einem Gottesdienst zu Allerseelen gemerkt. Da habe ich zwei der neueren Lieder ausgewählt und kaum jemand kannte die. Natürlich, Allerseelen ist nur einmal im Jahr und man singt die entsprechenden Lieder nicht so häufig. Die sind dann bislang unbekannt und dennoch gleichzeitig traumhaft schön, wenn man vom Tod und traumhaft jetzt in dem Zusammenhang sprechen darf.

DOMRADIO.DE: Jetzt, mit dem Abstand von zehn Jahren, wo würden Sie denn sagen, ist das Buch stark und wo sind Dinge, die Sie vielleicht heute anders machen würden?

Mailänder: Schon in der Entstehungsphase hätten wir im Nachhinein besser manches anders gemacht. Ich muss dazu sagen: Wir haben in der ersten Arbeitsphase Lieder ausgesucht und haben alle Fassungsdiskussionen herausgelassen. Erst als der Liederkanon halbwegs stand, haben wir die Fassungsdiskussion begonnen. Das war drei, vier Jahre später. Und da haben mir manchmal schon gesagt: Warum haben wir das Lied überhaupt reingenommen? Das kann sich also alles sehr schnell ändern.

Und jetzt ist das Buch zehn Jahre alt. Es gibt so eine Reihe Sachen, bei denen man sagen kann: Die Auswahl war vielleicht nicht so gut. Man hätte vielleicht doch noch andere Lieder aufnehmen sollen. Das ist aber auch ein gutes Zeichen, denn würde man diesen Prozess des permanent anderen Suchens nicht haben, wäre in der Kirche auch etwas tot.

DOMRADIO.DE: Was waren denn für Sie rückblickend die größten Herausforderungen bis das Buch dann 2013/2014 wirklich in den Gemeinden lag?

Mailänder: Eine große Herausforderung war, die Proportionen im Buch herzustellen. Wenn Sie den Weihnachtsfestkreis sehen, da gibt es unendlich viele Lieder, die wunderbar sind. Und trotzdem haben Sie nur begrenzten Platz.

Und Sie haben zum Beispiel die österliche Bußzeit, in der man grundsätzlich nicht so gerne singt. Aber auch dieser Zeitraum muss mit Liedern und Gesängen gefüllt werden. Das sind immerhin sieben Wochen. Da war es mühsam, Neues zu finden. Ich denke, wir haben einige gute neue Gesänge gefunden, ich hätte mir noch mehr vorstellen können. Und bei Weihnachten war die Hauptaufgabe zum Beispiel vieles heraus zu kürzen. Also, Proporz war eine wichtige Frage.

Dann eine zweite wichtige Frage war die Fassung der Lieder selbst. Es gibt eine Reihe Lieder, die emotional tief verankert sind. Wir stehen gerade kurz dem Advent: Im Advent ist es das Lied "Tauet Himmel". Da gibt es sieben verschiedene Textfassungen, ich glaube fünf verschiedene Melodiefassungen. In nahezu jeder Diözese ist dieses Lied emotional tief verankert. 

Da können Sie nicht hingehen und eine Fassung schaffen - wir haben es probiert - die alle singen können. Das würde nicht akzeptiert. Also mussten wir auch lernen, dass bestimmte Sachen überhaupt nicht in den Stammteil kommen, das Lied "Fest soll mein Taufbund" ist auch so ein Beispiel.

DOMRADIO.DE: Was ist aus Ihrer Sicht doch besonders gut gelungen bei dem Gotteslob?

Mailänder: Ich denke, in den neuen Kapiteln sind zahlreiche neue Gesänge. Wir haben gute Proportionen, zum Beispiel haben wir jetzt ein Sommerlied drin, "Das Jahr steht auf der Höhe", das gab es bislang noch überhaupt nicht. Wir haben Erntedanklieder und wir haben Schöpfungslieder drin. Wir haben das Thema Frieden, wir haben das Thema Geschwisterlichkeit drin - es gibt also eine Menge neuer Themen, die jetzt abgedeckt sind, für die es vorher nichts im Gotteslob gab. Und ich glaube, das ist zum Beispiel ein großer Gewinn.

DOMRADIO.DE: Sie haben eine Sache angesprochen, die mir auch aufgefallen ist: Es gibt auch nach zehn Jahren immer wieder Lieder, die man neu entdeckt. Dann denkt man beim Gottesdienst: Och, das kenne ich ja noch gar nicht. Wie ist Ihr Eindruck? Muss es bald schon wieder ein neues Gotteslob geben? Oder sagen Sie, das kann ruhig noch so zehn, 20 Jahre mehr oder weniger so bleiben, wie es gerade ist?

Mailänder: Zunächst historisch gesehen: Wir haben Diözesangesangbücher seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, und in der Regel haben die eine Dauer von 30 bis 40 Jahren. Das heißt, man würde vielleicht in zehn Jahren, wenn es so weiterläuft, mit der Arbeit an einem neuen Buch beginnen. Andererseits gibt es natürlich Defizite im Gotteslob, die wir auch selbst festgestellt haben, zum Beispiel gibt es zu wenige  Ordinariumslieder; Halleluja-Rufe sind vielleicht auch zu wenige drin.

Richard Mailänder

"Es ist im Gotteslob sicher noch nicht alles ausgeschöpft, aber es gibt Lieblingslieder, die manche Leute vermissen."

Und wir überlegen im Erzbistum Köln noch einen kleinen Anhang zum Eigenteil zu machen, wo solche Defizite aufgegriffen werden. Und es gibt Gemeinden, die bereits neue, eigene Sammlungen zusammengestellt haben. Rechtlich ist das geklärt, dann ist das kein Problem. Die Ergänzungen liegen in Kirchen aus.

Es ist im Gotteslob sicher noch nicht alles ausgeschöpft, aber es gibt Lieblingslieder, die manche Leute vermissen, und die machen dann was Eigenes für ihre Gemeinde.

Ich denke, wenn es noch einmal ein neues Gesangbuch gibt, dann wird man in zehn Jahren spätestens zu erarbeiten beginnen. So wie die evangelische Kirche zurzeit vorgeht, die hat 1993 ihr Evangelisches Gesangbuch herausgebracht und arbeitet jetzt bereits an einem neuen Buch, das 2027 oder 2028 erscheinen soll.

Das Interview führte Mathias Peter.

Vor zehn Jahren kam das neue "Gotteslob"

Nach Papier- und Druckproblemen startete das neue Gebet- und Gesangbuch "Gotteslob" in einigen Diözesen am 1. Adventssonntag 2013. In den Gemeinden des Erzbistums Köln erfolgte die Einführung am 23. Februar 2014 etwas später.

Zusammen mit Beratern und rund 100 Experten aus den Bereichen Liturgie, Kirchenmusik, Pastoral, Bibelexegese, Dogmatik und Spiritualität hatten die Bischöfe das Konzept und die Inhalte für das neue Gebet- und Gesangbuch erarbeitetet. Es ersetzte die bisherige Fassung von 1975.

Im Gotteslob gibt es mehrere Vertonungen des "Kyrie eleison" (DR)
Im Gotteslob gibt es mehrere Vertonungen des "Kyrie eleison" / ( DR )

 

Quelle:
DR