KNA: Wie ticken Brautleute heute?
Prof. Dr. Rupert Scheule (Moraltheologe der Universität Regensburg): Vielleicht erst einmal ein paar Daten zu unseren Befragten. Im Schnitt waren sie 30 Jahre alt, drei Viertel von ihnen kamen vom Land oder aus einer Kleinstadt, vier von fünf hatten einen Vollzeitjob. In der Regel lebten sie vor ihrer kirchlichen Hochzeit schon sechs Jahre zusammen, davon gut drei Jahre im gemeinsamen Haushalt. Ein Viertel der Paare hatte schon ein oder sogar mehrere Kinder. 80 Prozent bezeichneten sich als religiös, fast alle waren katholisch, in die Kirche ging aber die Hälfte nie oder nur selten.
KNA: Welche Bedeutung hatte für diese Paare der Gang vor den Altar?
Scheule: Um an ihre Motive heranzukommen, mussten wir in einer zweiten, qualitativen Befragung tiefer schürfen. Dabei zeigte sich, dass es den "großen Schritt", von dem Papst Franziskus bei der Trauung spricht, nicht einmal mehr bei der katholischen Kernklientel gibt. Es ist nicht so, dass sich für sie mit diesem Tag das Leben schlagartig ändert.
Äußerlich betrachtet leben sie einfach weiter wie bisher. Und doch beginnt für sie damit irgendetwas Neues. Und zwar allein dadurch, dass sie öffentlich erklären, zusammen zu sein, und das feiern - auch in der Kirche.
KNA: Die katholische Kirche hält bis heute - gegen den allgemeinen Trend - fest, dass Ehe etwas für immer ist. Wird dieses Grundverständnis noch geteilt?
Scheule: Das wird nicht nur geteilt, sondern geradezu gesucht in der Kirche. Die Befragten sehen da einen großen Unterschied zum Standesamt. Was dort geschieht, ist - salopp ausgedrückt - die Nummer, aus der man wieder herauskommt mit ein bisschen Geld und einem guten Anwalt.
Das in der Kirche kann man eben nur einmal machen und wird als starkes Bekenntnis zum Partner betrachtet: Wenn ich Dich kirchlich heirate, dann meine ich es ernst, bis zum Tod. Dabei steht auch im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist. Aber erlebt wird das vor allem in der kirchlichen Trauung.
KNA: Wie zufrieden waren die Befragten mit der kirchlichen Ehevorbereitung?
Scheule: Die Eigenmotivation für den Kurs, häufig war es eine ganztägige Veranstaltung an einem Samstag, war eher gering. Den meisten wurde gesagt, sie müssten dort hin, sonst könnten sie nicht in der Kirche heiraten. Dann aber waren die allermeisten positiv angetan von dem, was ihnen geboten wurde, und gingen inspiriert aus den Kursen heraus. Da macht Kirche offenbar ziemlich viel richtig. Das bestätigte sich auch bei einer Nachfrage acht Wochen später.
KNA: Welche Themen haben die Teilnehmenden stark gemacht?
Scheule: Was für alle wichtig ist, das hat uns wenig überrascht, das sind Fragen rund um Beziehungsqualität und Kommunikation in der Ehe. Denn die Frage: "Werde ich es, so sehr ich will, auch schaffen, ein Leben lang mit diesem Partner treu und glücklich zusammen zu bleiben?" treibt nahezu alle um. Unwichtiger finden die Brautleute hingegen die Themen Geld, natürliche Familienplanung oder auch Sex in der Ehe. Nicht wenige haben ja auch schon Kinder.
KNA: Nach katholischem Verständnis ist die Ehe ein Sakrament, also Zeichen und Werkzeug des Heils, das Gott für alle Menschen will. Spielt das für die von Ihnen Befragten noch eine Rolle?
Scheule: Nur in einer sehr versteckten Weise. Das ist sicher die größte theologische und seelsorgerliche Baustelle. Gott wird von den Paaren als Treuehelfer in Anspruch genommen. Was fehlt, ist die Idee, dass Gott auch mich in Anspruch nehmen kann und meine Ehe, um als unendlich liebender Gott in Erscheinung zu treten.
KNA: Kirche und Theologie befragen das Fußvolk nicht sonderlich oft zu seinen Ansichten. Wie sollte die Kirche mit den Befunden Ihrer Studie umgehen?
Scheule: Sie beachten. Papst Franziskus hat ja einen Paradigmenwechsel herbeigeführt mit der weltweiten Umfrage vor der Familiensynode 2014. Da wurde erstmals richtig hingehört, was für die Menschen wichtig ist. Das kam von oberster Stelle, ich würde mir mehr davon wünschen. Methodisch geleitet hinhören auf das, was an Glaube, an Moral bei den Leuten da ist, versuchen, das ernst zu nehmen und daran anknüpfend weitere Hilfestellungen anzubieten.
Was ich nicht für gut hielte: Angebote nach dem Motto "What you get is what you see", um gegebenenfalls sehr schnell zu sagen: Du bist halt nicht der Richtige für das, was wir zu bieten haben.