Wie können entweihte Kirchenräume umgestaltet werden?

Mehr als Leerstand und Verfall

Büchereien, Restaurants und sogar Kletterhallen - profanierte Kirchen können für alles mögliche genutzt werden. Die besondere Atmosphäre bleibt aber, findet die Kunsthistorikerin Stefanie Lieb. Das merken auch die Besucher.

Buchhandlung in einem früheren Kloster / © Alexander Brüggemann (KNA)
Buchhandlung in einem früheren Kloster / © Alexander Brüggemann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum nennt man das so und was genau macht man als Sakralraumtransformationsforscherin?

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )

Prof. Dr. Stefanie Lieb (Sakralraumtransformationsforscherin): Ich finde die Bezeichnung auch interessant. Ich bin eigentlich von Haus aus Kunsthistorikerin und bin jetzt seit zwei Jahren bei einem DFG-Forschungsprojekt, tatsächlich zu Sakralraumtransformation. Ich als Architekturhistorikerin würde das aber auch runterbrechen wollen auf Kirchen-Umnutzung. Also die Frage: Was passiert mit Kirchen, wenn sie nicht mehr nur rein für den Gottesdienst zur Verfügung stehen? Wenn sie profaniert werden? Was kann man damit machen?

DOMRADIO.DE: Es geht also um die Nutzungskonzepte für leer stehende oder teilweise leer stehende Kirchen. Gibt es denn schon so etwas wie ein Vorzeigebeispiel für eine gute neue Kirchenraumnutzung, also eine gelungene Sakralraumtransformation?

Lieb: Es gibt, um das einfach mal auf Köln zu beziehen, jetzt immer mehr wirklich gute, positive Beispiele, wo man zeigt, dass es eben nicht nur Leerstand und Verfall ist, sondern mit innovativen Ideen und vor allem mit der Zusammenarbeit aller Akteure. Das ist wichtig und da haben wir ein bisschen auch einen Schwerpunkt bei uns im Projekt. Darum sind wir auch interdisziplinär angelegt. Wir wollen eben alle Akteure versammeln und jeden Standpunkt zur Sprache kommen lassen und dann gucken, was man an gemeinsamen Initiativen machen kann.

Und ein gutes, ziemlich aktuelles Beispiel gibt es in Köln Sülz. Das ist eine ehemalige Waisenhaus-Kirche in einem Wohnviertel, was jetzt neu entstanden ist oder umgebaut worden ist. Diese Kirche von Gottfried Böhm aus den 50er Jahren, eigentlich so ein Betonbau, ist natürlich ein bisschen schwierig vom Material her, aber das wurde hervorragend umgebaut und ist jetzt eigentlich Zentrum in diesem neu entstandenen Wohnviertel. Also wenn man so Nachkriegskirchen geschickt umbaut und umnutzt, dann können die auch in so einem Wohnviertel wieder zum sozialen Zentrum werden.

DOMRADIO.DE: Das heißt, die Kirche wird jetzt genutzt als geselliger Raum, wo man sich trifft?

Restaurant in einer ehemaligen Kirche in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Restaurant in einer ehemaligen Kirche in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Lieb: Ja, ganz unten sind die Büros der Wohnungsbaugenossenschaft, die das ganze Viertel auch verwaltet. Aber oben ist jetzt ein multifunktionaler Event-Raum, den man mieten kann für alles mögliche. Aber es gibt sogar auch die Möglichkeit, ich sage mal pseudo-sakral, dort Hochzeiten zu feiern und so. Das ist durchaus noch möglich und die Beichtstühle sind da auch noch erhalten. Man erkennt eben noch, dass es ein sakraler Raum ist. Das ist uns auch ganz wichtig, auch im Forschungsprojekt. Wir suchen eben danach. Wir fragen: Wie sieht denn der sakrale Raum der Zukunft aus? Der vielleicht auch für die gesamte Gesellschaft eine Bedeutung hat? Denn die Sehnsucht nach so einem besonderen Raum ist ja durchaus vorhanden.

DOMRADIO.DE: Was begeistert Sie persönlich an dieser Sakralraumtransformation? An den Überlegungen, ehemalige Kirchenräume neu zu gestalten und den Menschen anders zugänglich zu machen?

Kletterhalle in der ehemaligen Kirche St. Peter in Mönchengladbach / © Roland Weihrauch (dpa)
Kletterhalle in der ehemaligen Kirche St. Peter in Mönchengladbach / © Roland Weihrauch ( dpa )

Lieb: Mich begeistert vor allem, dass diese Kirchenräume, egal aus welcher Epoche sie stammen, immer eine besondere Atmosphäre haben. Und diese spürt man auch noch, wenn die Kirche auch aufgegeben wurde, entwidmet wurde. Spannend für mich ist, wie mit dieser sakralen Atmosphäre weiter gearbeitet werden kann. Meine Erfahrungen bis jetzt sind, dass es für Architekten und Architektinnen inspirierend ist, aber tatsächlich auch für die Besucher, die spüren so was auch. Und wenn man diese Atmosphäre wieder zum Leben erwecken kann, eben durch moderne Einbauten und Umbauten, aber auch in Bezug auf die Historie, die da schon vorhanden ist - das ist ja mein Anliegen, auch als Denkmalpflegerin - dann finde ich das großartig, wenn das klappt.

DOMRADIO.DE: So entstehen ja auch neue Räume, die sonst nie so neu gebaut würden.

Lieb: Genau, die entstehen und es ist natürlich besonders schön, wenn diese Räume auch für die Öffentlichkeit vorhanden sind. Wenn es öffentliche Räume bleiben können oder auch werden.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Quelle:
DR