Das haben wohl selbst die cleversten Strategen des Spielzeugherstellers Geobra Brandstätter im fränkischen Zirndorf nicht erwartet: Ihr Martin Luther ist mit weltweit mehr als einer Million verkaufter Exemplare die erfolgreichste Playmobil-Einzelfigur aller Zeiten. Dabei gibt es sie gar nicht im Spielzeugladen - und original ist sie auch nicht, eher schon Stückwerk.
Vampirumhang als Talar
Der evangelisch-lutherische Erlanger Pfarrer Christian Düfel gewährte am Freitag in München Einblick in den Produktionsprozess. Als Projektkoordinator für die Luther-Dekade in Bayern war er federführend an der Entwicklung bei Playmobil beteiligt. Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) hatte schon vor Jahren beschlossen, die 7,5 Zentimeter große Figur als "Reformationsbotschafter" einzusetzen und sie selbst zusammen mit dem städtischen Nürnberger Tourismusbüro zu vertreiben.
Dabei war es gar nicht so einfach, Martin Luther von seinen dauergrinsenden Plastik-Gesellen als erkennbares Individuum abzusetzen. "Kein neues Teil" habe verwendet werden dürfen, erzählte Düfel bei einem Bilanzgespräch mit Journalisten zum Reformationsjubiläumsjahr. Also bediente man sich für seine Ausstaffierung bei anderen Figuren. Als Talar musste ein schwarzer Vampirumhang herhalten, bei der Kopfbedeckung des Wittenbergers handelt es sich ursprünglich um ein Polizeibarett.
Zwei Versionen von Luther
Immerhin konnte Düfel nach eigenem Bekunden durchsetzen, dass der Mini-Reformator "keinen Hammer in der Hand hält, sondern eine Bibel". Dazu wurde ein bereits vorhandenes Buch durch Beschriftung umfunktioniert, die allerdings wegen möglicher Missverständnisse zwischenzeitlich abgeändert wurde. Sammler aufgepasst: Es gibt den einen Playmobil-Luther in zwei Versionen.
Wie dem auch sei: Der Pfarrer findet es gut, dass man dank der Figur mit einem so schwierigen Thema nun auch spielerisch umgehen könne. Sein Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sekundiert mit der Bemerkung, er sei überzeugt, "dass Eltern, die ihren Kindern den Playmobil-Luther schenken und nicht Darth Vader oder Batman, das ganz bewusst tun". Auch wenn er seinen Mantel einem Blutsauger verdankt.
Kritik an "zu viel Luther"
Doch der Verkaufserfolg ist in der evangelischen Kirche nicht unumstritten. Wie viele andere Aktivitäten im Jubiläumsjahr auch, man denke an Luther-Socken, Luther-Bier und dergleichen, stehe das Plastik-Männchen für "zu viel Oberfläche und zu viel Luther", nörgelte dem Vernehmen nach manch ein Münchner Theologieprofessor.
Bedford-Strohm kann diesen Einwänden nicht viel abgewinnen. Solche Dinge seien doch nichts anderes als "Türöffner für Inhalte", betont er. Und wer das zu bekritteln habe, der möge ihm bitte Hinweise und Tipps geben, wie man so etwas wie 500 Jahre Reformation "in der Breite" vermitteln könne. "Jedenfalls nicht durch Bücher oder Magazine, die sich nur an Bildungsbürger wenden", schiebt er hinterher.