DOMRADIO.DE: Sie haben Ihre erste Messe in der Kirche zelebriert, in der Sie selbst zur Erstkommunion gegangen sind. Was war das für ein Gefühl?
Matthias Fraune (Katholischer Priester): Ein sehr komisches Gefühl. Das muss ich schon gestehen. Ich bin viele Jahre in verschiedenen Funktionen um diesem Altar herum gewesen, habe mit der Gemeinde gefeiert, aber immer aus der Position der Gemeinde heraus. Jetzt stand ich hinter dem Altar und habe all das vollzogen, was ich immer nur gesehen habe. Es war schon ein sehr komisches Gefühl, ein schönes, aber auch sehr interessantes Gefühl. Ich muss mich erst noch reinfinden. Aber ich freue mich darauf, das muss ich sagen.
DOMRADIO.DE: Darauf haben Sie praktisch drei Jahrzehnte gewartet. Denn laut Kirchenrecht dürfen nur Männer zu katholischen Priestern geweiht werden, die keinerlei Irregularitäten aufweisen, also über physische und psychische Gesundheit verfügen. War Ihr Rollstuhl so eine Art "KO"-Kriterium.
Fraune: Ja, das war schon so. Ich habe insgesamt drei Versuche unternommen, um Priester zu werden. Es ging nicht nur um einen Traum, sondern um eine Kraft, die ich gespürt habe. Der wollte ich nachfolgen. Bei den ersten beiden Malen hat man aufgrund der Reaktionen einfach gespürt, dass die Kirche noch nicht so weit war, sich vorstellen zu können, dass jemand im Rollstuhl Priester werden könnte.
Ich glaube, das musste man auch einfach akzeptieren. Aber es ist gut, dass sich viel gewandelt hat. Heute ist es doch etwas anders, scheint mir. Das ist für mich ein sehr positives Zeichen. Das kann ich nicht anders sagen.
DOMRADIO.DE: Was hat diese jahrelange Ablehnung, Priester werden zu können, mit Ihnen gemacht?
Fraune: Beim ersten Mal war es nicht ganz so schlimm, weil mir immer noch die Perspektive offen gehalten wurde. Das liegt immer auch an Einzelpersonen. Derjenige, der beim ersten Mal da war, war eigentlich sehr positiv eingestellt und hat gesagt, wir gucken mal, die Kirche entwickelt sich.
Beim zweiten Mal war es krasser. Da habe ich einfach nur eine kurze Mitteilung bekommen: "In Ihrem Zustand geht das nicht." Feierabend. Aus.
Das hat mich schon ziemlich getroffen, muss ich gestehen. Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, bis ich wieder hochkam und bis alles klar war und bin dann auch erst mal eine ganze Zeit lang meinem Beruf nachgegangen, den ich vorher hatte. Aber dann hat es sich noch mal wieder aufgebaut. Der Herrgott hat mich nicht in Ruhe gelassen.
DOMRADIO.DE: Sie sind dran geblieben bis es geklappt hat. Woher haben Sie die Kraft dafür genommen?
Fraune: Ich denke, die ist mir geschenkt worden. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass man das aus sich alleine heraus macht. Man reagiert, aber die Kraft kommt von Gott. Da glaube ich fest dran. Ich identifiziere sie in mir immer wieder so. Ich denke, nur weil er es auch gewollt hat, weil er mich gewollt hat, hat er mir auch die Kraft geschenkt. Jedenfalls nehme ich das so vertrauensvoll an, bis ich etwas gegenteiliges erlebe. Dadurch konnte ich immer wieder vorwärts gehen.
DOMRADIO.DE: Die Weihe war an Pfingsten. Was werden Ihre Aufgaben sein?
Fraune: Ich habe eine Ernennung als sogenannter Kanonikus in Borken. Das ist nah an der holländischen Grenze. Kanonikus ist vergleichbar mit einem Kaplan. Da kann ich im Moment noch nicht hin, weil meine Wohnung noch nicht endgültig fertiggestellt ist. So lange bin ich jetzt ein bisschen in meiner Heimatgemeinde und rundherum tätig und versuche dort auszuhelfen, wo es nötig ist.
Ich werde aber demnächst in Borken in der Gemeinde tätig sein und dort auch für die Krankenhaus-Seelsorge, Senioren-Seelsorge oder Behinderten-Seelsorge zuständig sein.
DOMRADIO.DE: Damit Sie zum Beispiel eine Messe feiern können, muss der Altarraum barrierefrei gestaltet sein. Ist das ein größeres Problem oder lässt sich so was schnell lösen?
Fraune: Das liegt immer daran, wie eine Kirche ausgestattet ist. Bei manchen Kirchen ist das ziemlich einfach. Da reicht vielleicht schon eine Rampe. Aber bei manchen Kirchen muss mehr passieren. Dann braucht man vielleicht eine Hebebühne oder es muss sogar was umgebaut werden. Es ist sehr unterschiedlich. Das ist schon richtig. Aber man muss genau gucken, damit der Dienst problemlos und auch würdig ablaufen kann.
DOMRADIO.DE: Fühlen Sie sich als eine Art Vorbild für andere Menschen mit Handicap, als eine Art Pionier einer inklusiven katholischen Kirche?
Fraune: Ich vermute mal, dass das von anderen wohl so wahrgenommen wird. Ich sträube mich auch nicht bewusst dagegen. Aber ich forciere es auch nicht. Ich möchte zunächst mal ein ganz normales Leben als Mensch und Mitmensch sowie dann auch als Priester führen. So möchte ich auf dem Weg unterwegs sein, wie Gott mir das schenkt und wie er das weiß.
Ich werde versuchen, immer darauf zu achten. Ich forciere das nicht. Aber wenn Menschen das so annehmen möchten, dann ist das vielleicht auch ganz gut so, denke ich.
Das Interview führte Hilde Regeniter.